Gerstners Gedanken: Mach kurzen Prozess

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Die Berliner Hospitality-Agentin Eva Miriam Gerstner teilt ihre Gedanken: über Gastronomie und Gastfreundschaft, über Corona und wie eine neue Normalität aussehen könnte. Dieses Mal geht es um das Thema Prozesse – und wie sie der Gastronomie in vielerlei Hinsicht helfen.

In anderen Industrien spricht man viel über Prozesse. Prozessabläufe, Prozessmanagement, Prozesseffektivität, Onboarding-Prozesse. Überall geht es darum, Prozesse zu gestalten, diese zu verbessern und z.B. arbeitnehmer*innenfreundlicher auszubauen.

 

In unserer (Dienstleistungs-)Branche ist das eher weniger der Fall. Warum eigentlich? Auch wir führen Tag für Tag Handlungen aus, die im Ergebnis zu einem Ziel führen.

Im Wörterbuch wird der Begriff „Prozess“ wie folgt beschrieben: „Ein sich über eine gewisse Zeit erstreckender Vorgang, bei dem etwas entsteht oder abläuft.“

Passt zu uns, oder nicht? In unseren Teams hat jeder spezielle Aufgaben. Auch ohne großartige Hierarchiestruktur kennt jeder seinen Platz und weiß auch ganz ohne Titel, was wann und wie zu tun ist. Zumeist ist das unausgesprochene Unternehmensziel „Umsatzgenerierung“ und sicherlich auch „zufriedene Gäste“ – beides addiert = Erfolg.

Der Weg, wie man ganz genau da hin kommt, ist aber in den meisten Fällen nicht klar aufgeschrieben oder kommuniziert. Und nein, Essenproduzent in der Küche und Tellertaxi im Service – das ist kein Unternehmensvorgabe für eine*n Mitarbeiter*in.

Der Gedanke dass Küche, Housekeeping, Service, Hausmeister*innen, Techniker*innen, die Büroleute und das Management „das“ schon machen werden herrscht zumeist vor. Schließlich haben sie „das“ ja gelernt. Irgendwie geht’s immer. Zumindest meistens. Und stimmt der Umsatz und gab es wenig Beschwerden, war es ein erfolgreicher Tag.

Neue Kolleg*innen kommen zum Probearbeiten, wenn das, was da an diesem Tag abgeliefert wird so ganz okay passt, dann ist er/sie/es eingestellt. Kolleg*in xyz zeigt ihm dann wie alles im Betrieb abläuft. Geht schon.

In den meisten Hospitalitybetrieben, die nicht von großen Marken geführt werden, läuft der Betrieb seit Jahren eingespielt vor sich hin. Die Parameter sind immer gleich, siehe oben, und man werkt sich halt so durch. Mal mehr, mal weniger zufrieden.

In unserer neuen Normalität läuft aber doch oftmals einiges anders ab. Es herrscht öfters Durcheinander und Chaos. Regeln ändern sich schnell, im Lockdown wurden vielleicht neue digitale Systeme eingeführt, Mitarbeiter*innen sind krank oder in Quarantäne oder fühlen sich mit der Situation überfordert, Gäste haben veränderte Erwartungen, neue Mitarbeiter*innen sind mehr als schwer zu finden.

Die Erwartungshaltung an eine Geschäftsleitung in einer solchen Situation: Krisenmanagement. Egal wie groß oder wie klein die Krise ist. Oder einfacher: Problembewältigung. Und selbst einfach Doppelschichten durchzuziehen und sieben Tage die Woche im eigenen Betrieb zu stehen, bis auch hier die Nerven blank liegen und das Privatleben leidet – das kann es ja auch nicht sein.

Vielleicht sollte doch darüber nachgedacht werden, den eigenen Betrieb einmal genau zu durchleuchten. Eine aufgebröselte Prozessdarstellung hilft nicht nur, Schwachstellen zu finden und Stärken herauszuarbeiten, sondern auch, das Unternehmensziel nochmals ganz klar zu definieren, Mitarbeiter*innen zu fordern und zu fördern und zu motivieren. Klare neue Aufgabenstrukturen zu verteilen, diese auch nachzuhalten und einen allgemein besseren Überblick zu bekommen.

Außerdem können in diesen Prozessstrukturen auch neue Mitarbeiter*innen viel effektiver eingearbeitet und deren Leistungsschritte sehr gut nachgehalten werden.

Der/die eine oder andere mag jetzt denken: „Blödes Beratergelabere!“ Ist es aber nicht. Denn: Die aktive Auseinandersetzung und klare Strukturierung des Betriebes hilft der gesamten Organisation. Effektivere Arbeitsprozesse, die wie Zahnräder ineinander greifen, sparen nicht nur Nerven, sondern auch bares Geld.

Verantwortlichkeiten können aufgeteilt, Arbeitsschritte vereinfacht und Mitarbeiter*innen durch eine aktive Involvierung in das allgemeine Betriebsgeschehen motiviert werden. Potentiale können so voll ausgeschöpft und neue Mitarbeiter*innen reibungslos in den Ablauf integriert werden.

In der Theorie wird der Gesamtprozess in drei Teile eingeteilt: Managementprozess, Ausführungsprozess und Unterstützungsprozess. Was das bedeutet, ergibt sich eigentlich schon aus dem Wortlaut:

Der Managementprozess obliegt der Geschäftsführung. Sie gibt die Ziele für den Ausführungsprozess vor, legt das Leitbild und Richtlinien vor, die die Unternehmenskultur fördern. Sie erlässt Handlungsanweisungen und ist zuständig für die Erfolgsmessung. Also Konzept und Strategie. Vision und Mission.

Der Ausführungsprozess umfasst alle unseren operativen Bereiche, die direkt und aktiv an der Zielsetzung beteiligt sind. Service, Küche, Bar, Sommelier … jede*r, der/die Hand anlegt, um zufriedene Gäste zu bewirtschaften.

In den Unterstützungsprozessen werden all diejenigen Prozesse zusammengefasst, die benötigt werden, um den Kernprozess optimal am Laufen zu halten. Das ist z.B. unsere Buchhaltung, die Personalabteilung, Reinigung und Technik.

How to …

… Managementprozesse

Oftmals zeigt die Realität leider, dass es kaum klare Konzepte, Visionen und Missionen (Vision und Mission Statements) gibt, und es dadurch auch schwierig ist eine kurz-, mittel- und langfristige Strategie zu etablieren. Und nein, „Ein Gasthaus für jedermann mit regionaler Küche“ ist kein Konzept. Ebenso nicht „Ein stylisches Hotel mit den freundlichsten Mitarbeitern der Region“.

Als Geschäftsführung muss man sich die Fragen stellen, wer ist man, was will man und wo kommt man her? Und was will man erreichen? Wie sollen Mitarbeiter*innen motiviert werden, wenn selbst diese Fragen kaum oder nur schleppend von den Chef*innen beantwortet werden können?

Da latschen die Leute tagtäglich zur Arbeit, machen den Frühstücksservice und gehen wieder nach Hause. Ein Ziel, einen Traum, eine Vision, auf die man als Mitarbeiter*in stolz sein kann, dass man bei der Umsetzung mit dabei war und mitgeholfen hat – das gibt es leider nur in den wenigsten Fällen.

Und welches zielgerichtete Marketing kann etabliert werden, wenn es keine Zielvorgaben gibt? Wie möchte man eine Employer Brand etablieren, wenn man selbst nicht beantworten kann, wer genau man ist?

Daher ist erste Pflicht: Grundarbeiten nachholen, Status erstellen, Zielvorgaben mit allem, was dazu gehört einmal ganz konkret aufschreiben.

… Ausführungsprozesse

Fangen wir ganz klein an. Wir brauchen Stellenbeschreibungen, Tagesabläufe und auch hier: Zielsetzungen und Erfolgsmessungen. Für alle Mitarbeitenden. Gibt es das in eurem Betrieb?

Wenn ja, bzw. sobald erstellt, prüft man den reibungslosen Ablauf. Wo kann was verbessert werden, wo kann man Zeit und auch finanzielle Mittel einsparen, vielleicht durch den Einsatz von digitalen Helfern oder neuen Gerätschaften?

Ist es möglich, durch flexiblere Arbeitszeiten die Kolleg*innen effektiver einzuteilen und durch Übernahme von mehr Verantwortung zusätzlich zu motivieren? Hier sind Kreativität und Teamarbeit gefragt, obwohl der Ablauf ein rein faktischer ist, ganz ohne Emotionen.

… Unterstützungsprozesse

Wer macht im Hintergrund was genau? Und in welcher Zeit? Wie kann man die Kolleg*innen hier entsprechend unterstützen? Auch hier gilt: Stellenbeschreibungen, Tages- und Wochenabläufe, Arbeitspläne.

Gibt es schriftliche Handlungsvorgaben und Instruktionen über z.B. regelmäßige Wartungen, Reinigungen und sonstige Checks? Kann man bestimmte Aufgaben auslagern und somit noch gezielter die Kolleg*innen in den Ausführungsprozessen unterstützen?

Wie kann man das Personalmanagement vereinfachen? Gibt es Onboarding-Prozesse für neue Mitarbeiter*innen, um die Einarbeitung so reibungslos wie möglich zu gestalten? Gibt es strategische Zielvorgaben und ein Belohnungssystem?

Das klingt alles sehr nach Start-up und irgendwie auch sehr amerikanisch. Dadurch dass der Hospitality-Alltag aber immer komplizierter, kosten- und zeitaufwändiger wird, wird uns die Prozessbetrachtung und -verbesserung auch in unserer Branche helfen, den Betrieb im Hintergrund systematisch effektiver zu gestalten.

Das spart am Ende Zeit, Nerven und Geld, weil wir alles zu jeder Zeit unter Kontrolle haben und flexibel auf Systemholprigkeiten reagieren können.

Hört sich doch ganz sexy an, oder? ????

Fragen, Anmerkungen oder sonst einen Kommentar? Schreibt unserer Agentin einfach eine Nachricht. Antworten sind eigentlich recht zügig zu erwarten. Eine Übersicht über den Gerstner Agent*innenalltag findet ihr hier: www.ccm3-consulting.com. Und wer Interesse an einer Zusammenarbeit hat: Das erste Orientierungsgespräch ist immer kostenfrei.

Dieser Artikel erschien zuerst bei nomyblog. Tageskarte sagt danke!


 

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