«Nicht jeder will nach Döner riechen» - Initiativen gegen den Qualm

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Von Julia Giertz, dpa

Ob Istanbul, Köln oder Mannheim - wo es Liebhaber gegrillter Kebabs gibt, sind auch Probleme mit Qualm und Geruch nicht weit. In Mannheim säumen 16 Kebabrestaurants den historischen Marktplatz. Von den Ausdünstungen der Holzkohlegrills haben Anwohner schon lange die Nase voll. Sie können im Sommer ihre Balkone nicht nutzen und ihre Fenster nicht öffnen. Die Markthändler klagen seit Jahren darüber, «geräuchert» zu werden. Auch in Göppingen, Köln und vielen anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen gibt es Stunk wegen der Luftverschmutzung durch Kebab-Läden.

Derzeit suchen in Mannheim und Köln Gastronomen und Privatleute, zum Teil von der Kommune unterstützt, nach technischer Hilfe. Im Prinzip setzt man auf wohlwollende Restaurantbetreiber, die geeignete Filteranlagen einbauen und andere mitziehen. In Köln läuft die Initiative unter dem Motto «Lecker Kebab mit sauberer Luft». Auch in Mannheim kommt Bewegung in die Sache.

Betriebsleiter Yilmaz Akilmak will sein «Lale» zum «Musterrestaurant» machen. In der Türkei hat er eine elektrostatische Anlage entdeckt, die nicht nur dem Qualm, sondern auch dem Geruch ein Ende bereitet. Kostenpunkt 30 000 Euro.

Zuvor habe er bereits 125 000 Euro für eine Entlüftungsanlage ausgegeben, doch diese habe den Geruch nicht beseitigen können. «Nicht jeder will nach Döner riechen», sagt er. Sobald ein Finanzierungskonzept steht, will er bei der Stadt Druck machen, damit sie sich beteiligt. «Wir bezahlen doch auch Gewerbesteuer und beschäftigen rund 300 Menschen», sagt der Geschäftsmann. Dass die Stadt Geld locker macht, ist jedoch unwahrscheinlich. Denn dort heißtes: «Die Kosten trägt der Restaurant-Betreiber.» 

Zuvor hatte die Stadtverwaltung die Idee verworfen, die Schornsteine zu erhöhen, damit der Rauch sich besser verflüchtigt. Dafür wären aber Schornsteinhöhen von sechs bis acht Metern über dem Dachfirst erforderlich. Diese würden das Stadtbild beeinträchtigen und statische Probleme verursachen, argumentiert die Stadt. Andere Maßnahmen hält sie für erfolgversprechender: ein lokales Verbrennungsverbot sowie ein Geruchsgutachten. Dazu begeben sich Experten zum Schnüffeln auf den Marktplatz und tragen bis Ende des Jahres ihre Geruchserlebnisse zusammenfassen. Wenn sie nachweisen, dass ein einzelnes Restaurant beträchtliche Belastung verursacht, müssen die Betreiber Maßnahmen nach dem Stand der Technik ergreifen.

Doch wie sieht der bei der Emissionsminderung aus? Mit einem vom Umweltbundesamt beim Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Auftrag gegebenen Forschungsprojekt sollen bis Ende 2020 die Grundlagen erarbeitet werden, um diese Frage beantworten zu können. Dazu verbraucht das Forscherteam bis zu einer halben Tonne Grillgut - Fleisch, Fisch und Gemüse.

Das Thema Rauch beschäftigt auch die baden-württembergische Landesregierung. Sie will mit einer Bundesratsinitiative durchsetzen, dass Schornsteinöffnungen über dem First und firstnah liegen, damit der Rauch vernünftig abziehen kann. Umweltminister Franz Untersteller

(Grüne) sagt: «Das klingt selbstverständlich, aber die Praxis zeigt, dass es das nicht ist.» Der Bund hat nach anfänglicher Ablehnung im Juli zugesagt, den Vorschlag zu prüfen. Für den Kölner Bezirksbürgermeister Andreas Hupke dauert das alles viel zu lange. Schon vier Jahre kämpft er im Multi-Kulti-Viertel Eigelstein dafür, dass Anwohner und Beschäftigte der Restaurants wieder durchatmen können. Hupke ist überzeugt: «Grillrauch ist Superfeinstaub.» Mit dem Problem werde er von der Politik absolut alleingelassen. Während die Luftverpestung in Mannheim sogar den Petitionsausschuss des Landtags auf den Plan rief, habe er keinerlei politische Mitstreiter für gesetzliche Schritte - etwa Grenzwerte für Feinstaubemissionen aus Restaurants mit Kohlefeuerung.

Denn an Holzkohlegrills werden wegen einer Ausnahmeregelung im Bundesimmissionsschutzgesetz keine definierten Anforderungen etwa hinsichtlich der Emissionen gestellt. Deshalb unterliegen die offenen Feuerstellen auch keinen messtechnischen Überprüfungen durch den Schornsteinfeger.

Einer der wenigen Mitstreiter Hupkes ist der Kinderarzt Christian Döring. Der ist überzeugt: «Grillrauch macht krank.» Beim Verbrennen des Fleisches entstünden kleinste schwebende Partikel, auf denen sich dioxinartige Stoffe anlagerten. «Dieser Ultrafeinstaub - 500 mal kleiner als ein Haar - gelangt über die Atmung in die Blutbahn und verklumpt dort die Blutplättchen.» Folge: erhöhtes Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Überdies könne der feine Feinstaub Asthma, eine Schwächung der Immunkräfte und das Entstehen von Krebs verursachen. Werdende Mütter, die feine Feinstäube einatmeten, liefen Gefahr, untergewichtige Babys zu bekommen.

Der Arzt ist neuerdings aber zuversichtlich, die Gefahrenquelle unter Kontrolle zu bringen. Er hofft auf die Zusagen der sechs Eigelsteiner Gastronomen, bei denen das Fleisch auf Kohle brutzelt. Sie tüfteln derzeit gemeinsam mit einem Ingenieur an einer Kombination von Fettabscheider und Feinstaubfilter - ähnlich der Anlage,  die in Mannheim für reine Luft sorgen soll. Döring meint: «Vielleicht wird in absehbarer Zeit auch Kebab-Genuss ohne giftigen Ruß möglich sein.»


 

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