Gastbeitrag: Hotellerie, hinterfrage dich selbst!

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„Na kimchit shashwatam“ – „nichts ist dauerhaft“, dies besagt ein altes indisches Sprichwort. Und trotzdem stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Was geschieht mit der Hotel-Industrie, die weltweit mitunter am stärksten von der Covid-19-Krise betroffen ist? Vier Möglichkeiten, wie die Corona-Krise die Hotellerie dazu bringen kann, sich selbst in Frage zu stellen, seien hier aufgezeigt. Mögliche Antworten dazu liefert Dr. Prashant Das, Ausserordentlicher Professor für Immobilienbewertung an der renommierten Ecole hôtelière de Lausanne EHL.

So trostlos sich die Dinge in den letzten Tagen auch in unserer Industrie entwickelt haben mögen, Statistiken aus China zeigen, dass wir uns letztendlich auch von dieser Krise erholen werden. Aber die Zwangslage, in die uns das Corona-Virus versetzt hat, signalisiert schon, dass die Welt zumindest mittelfristig nie wieder dieselbe sein wird wie vorher. Schon rein psychologisch: Wir werden nicht nur die Folgen der allgegenwärtigen kollektiven Ängste spüren, wir werden auch erleben, dass sich die Haltung von Menschen in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht fundamental verändern kann. Während sich die Welt vielfach an die neuen Gegebenheiten anpassen wird, tauchen am Horizont Fragen auf, denen sich der Hospitality-Sektor ganz grundsätzlich stellen muss. Nämlich indem sich diese Industrie selbst in Frage stellt.

1. Zurück zur Essenz

Totale Personalisierung und ultraspezifische Segmentierung im Marketing sind ein Luxus, den die guten Zeiten der letzten Jahre in allen Facetten möglich machten. Die Hotellerie folgte eifrig diesem Trend – gerade im Zuge des mehr und mehr globalisierten Tourismus. Wilmott und Flatters stellten jedoch in ihrem Harvard Business Review-Artikel von Juli 2009 – ebenfalls eine Krisenzeit damals, wie wir uns erinnern – ein verstärktes „Bedürfnis nach Einfachheit“ bei den Konsumentinnen und Konsumenten fest. Die Menschen wenden sich in Krisen vermehrt den primären Grundlagen zu – gerade, wenn die Welt um sie herum düster und die wirtschaftlichen Aussichten trüber werden.

Man betrachte nur jene Unternehmen, die momentan weniger von der Krise betroffen sind: Lebensmittelindustrie, Gesundheitswesen oder Bildung. Dort ist dieser Trend schon ganz deutlich erkennbar. Auf der anderen Seite war die Hotellerie seit längerem primär vom Luxus-Thema getrieben, einem Segment, das sich mehr und mehr von dem entfernt hat, wofür Hospitality im Grunde steht: dem Bedürfnis nach einer angemessenen Unterkunft nämlich. Meine These deshalb: Fortan werden sich Hotellerie und Gastronomie wieder verstärkt auf ihre grundlegendsten Funktionen und Angebote konzentrieren (müssen). Folgende Fragen stellen sich: Wie kann die dramatische Anfälligkeit des Geschäfts gegenüber exogenen Faktoren verringert werden? Was bieten wir an, was für unsere Stammkunden kaum nötig oder gar entbehrlich ist? Resultieren unsere Gewinne hauptsächlich von Gästen aus Regionen, deren Nachfrage für diese Art von Krisen besonders empfindlich ist? Ist die Besessenheit von „Asset-Light“ noch sinnstiftend? Braucht es eine Begrenzung unserer Nachfrage nach nicht wirklich essentiellen Angeboten?

2. Neue Annäherung ans Thema Innovation

George Mallorys Argumentation für dessen Everest-Expedition – „weil er nun mal einfach da ist“ – inspirierte die Menschheit. Nicht zuletzt, weil sein Streben sich auf ein konkretes Ziel konzentrierte. Ein Grossteil der neueren Innovationen im Bereich Hospitality scheint jedoch eher einer Expedition zu gleichen, die im Dunkeln tappt. Unser strategisches Denken muss in meinen Augen einem anderen Mantra folgen: Wir brauchen Lösungen und Modelle, die unser Geschäft langfristig aufrechterhalten werden. Ganz nüchtern betrachtet ist die Covid-19-Krise eine Version ähnlicher Krisen, die wir bereits in den letzten Jahrzehnten erlebt hatten. Nur offenbart sie besonders brutal, wie schlecht unser Risikomanagement ist. Nicht nur wird sie noch für eine ganze Weile andauern, sondern sie zwingt uns auch dazu, uns auf andere, ähnliche Krisen in der Zukunft einzustellen. Unsere Innovationsbemühungen müssten also primär darauf ausgerichtet sein: Wie finden wir Wege, die uns künftig davor bewahren, unsere Geschäftstätigkeiten komplett herunterfahren zu müssen? Was wird uns in längeren Krisenzeiten sinnstiftend, wenn nicht gar unentbehrlich machen – statt Rettungspakete von den Regierungen zu empfangen? Wie können beispielsweise Hotels und deren Personal das Gesundheitssystem während einer Pandemie unterstützen? Müssen wir die Zimmer und das FFE so umgestalten, dass sie flexibel und anpassungsfähig sind – beispielsweise für eine rasche Umwandlung von Hotelumgebungen in Quarantänezonen? Lässt sich unser Personal, zumindest teilweise, als Reservisten für Gesundheitsdienste einsetzen? Können wir die Nahrungsmittelproduktion und -lieferung so automatisieren, dass sie in Krisenzeiten als Instrumente fürs Überleben unserer eigenen Industrie wie auch der Gesellschaft dienen?

3. Gefragt: mehr Aufrichtigkeit

Die Corona-Krise stellt primär unsere Kernschwäche, eine anhaltende Verleugnung des Unvermeidbaren, gnadenlos bloss. Wir müssen anerkennen, dass nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum immer mit sozialer Wohlfahrt einhergehen muss. Die gegenwärtige Krise führt vor Augen, dass das wirtschaftliche Wohlergehen von Staaten nur wenig dazu beiträgt, ihre Bürgerinnen und Bürger vor Krisen wie dieser zu schützen. Umweltverschmutzung und Klimawandel durch Treibhausgasemissionen erzählen eine ähnliche Geschichte. Katastrophen ereignen sich in der realen Welt, nicht nur in apokalyptischen B-Klassen-Filmen. Wir müssen uns also fragen: Werden Hotellerie und Gastronomie künftig mehr als „Greenwashing“ betreiben und sich gemeinsam für die Nachhaltigkeit ihres Tuns einsetzen? Werden die Regulierungsbehörden und Regierungen die Nachhaltigkeit als ernsthafte Verpflichtung allen unternehmerischen Wirkens verankern? Werden die grossen Retail-Anbieter und Marken mehr lokale Ansätze für tragfähigere Angebote und Umsatzziele entwickeln?

4. Wertefragen

Die Corona-Krise hat noch eine weitere schwerwiegende Auswirkung: Sie tangiert ganz unmittelbar die finanzielle Bewertung von Hotels und damit das Analyseschema von Investoren. Der internationale Tourismus wird möglicherweise einen Paradigmawechsel erleben, wenn sich der Staub der Krise gelegt haben wird. Es gibt einige ernsthafte Fragen, die es zu beantworten gilt: Werden Krisen wie diese zur neuen Normalität werden? Wenn ja, werden die Einnahmestrukturen (insbesondere Average Daily Rate ADR und Belegungsraten) systematisch auf ein niedrigeres Niveau reduziert werden müssen? Wird die Ungewissheit in Sachen Nachfrage zu einer langfristigen Revision der Risikokennzahlen (Rabattsätze, Wachstumsraten und Kapitalisierungsraten) führen? Werden Risiken im Hotelgeschäft stärker gewichtet werden als jene für Apartments? Werden die Kreditgeber bei der Finanzierung von Hotels künftig noch strenger hinschauen? Werden die Kapitalkosten so hoch angesetzt, dass neue Angebote massiv eingeschränkt werden?

Zwischenfazit:

Der erste Schritt zur Lösung einer Krise besteht darin, sich mit deren Auswirkungen zu beschäftigen. Die hier gestellten Fragen sind ein erster Schritt dazu, nebst vielen anderen. Man wünschte sich fast, dass alle klugen Strategen dieser Welt ihre Zeit in der Quarantäne einem Brainstorming widmen würden.

Dr. Prashant Das ist Ausserordentlicher Professor für Immobilienfinanzierung an der Ecole hôteliere de Lausanne (EHL). An der EHL entwickelte und lehrt er Kurse in Immobilienfinanzierung, -bewertung und -investition, ist aber auch Mitglied des akademischen Beirats. Dr. Das hat in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten, in China, Indien und Rumänien Master-, Führungs- und Grundkurse abgehalten. Zuvor war er in leitenden und technischen Funktionen bei mehreren Firmen/Organisationen tätig, darunter bei HCL Infosystems Ltd. und den Tata Consultancy Services.

Er schreibt häufig Meinungsartikel für populäre Medien (Zeitschriften, Zeitungen, Newsletter) zu Themen im Zusammenhang mit der Immobilienfinanzierung und wurde von internationalen Fachzeitschriften und wird gerne vom nationalen Fernsehsender Indiens zitiert. Kürzlich wurde Dr. Das für die Auszeichnungen «Forscher des Jahres» und «Dozent des Jahres» an der EHL nominiert. Darüber hinaus hat er acht international namhafte Preise für die beste Forschungsarbeit und einen Preis für hervorragende Lehrtätigkeit des Robinson College of Business (Atlanta) erhalten.


 

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