Gegen Fachkräftemangel: Romantik Hotel Reichshof mit 12,50 Euro Mindestlohn und Prämiensystem

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„Ausgerechnet jetzt“ ist der Tenor aus zahlreichen mittelständischen Hotel- und Gastronomiebetrieben, wenn man über das Geldausgeben spricht. Der neue Mindestlohn als Herausforderung und Drohgebärde in Zeiten sich weiter reduzierender Umsätze verstanden wird. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ ist die deutliche Aussage aus dem ostfriesischen Norden, wo der Geschäftsführer Björn Haver mit seinem Berater Björn Grimm nach vorne prescht und ein deutliches Signal von der Küste an die Branche sendet.

Mit dem Standort in einer Ferienregion an der Küste ist der Reichshof Norden bislang noch vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen und konnte von der gestiegenen touristischen Nachfrage im eigenen Land sogar profitieren. „Viele Betriebe in Deutschland hatten nicht so ein Glück, wie wir. Wir möchten jetzt unser Glück teilen, und davon an unsere Mitarbeiter etwas weitergeben. Natürlich hoffen wir auch so ein Impulsgeber für andere Betriebe sein zu können“, so der Geschäftsführer Björn Haver.

Inhaltlich wurden die vergangenen Monate genutzt, sich neu aufzustellen und mit attraktiven Angeboten für eine sehr gute Auslastung und Erlöse zu sorgen. „In den vergangenen 2 Jahren wurden Prozesse verschlankt, Konzepte neu gedacht und auch die Gäste aktiv in die Prozesslandkarte mit eingebunden, demnach alle Beteiligten gewonnen haben“, so Björn Grimm - Gastroexperte und Unternehmensberater für die Hotellerie und Gastronomie, der seit Beginn der Pandemie unterstützend in der Geschäftsführung des Romantik Hotels mit tätig ist.

Es ist nun an der Zeit, die Mitarbeiter aktiv zu motivieren und das weniger über die bereits zahlreichen etablierten „weichen“ Lohnnebenleistungen, sondern über eine faire und leistungsgerechte Vergütung, die allen nützt. „Der Mindestlohn wird kommen – und das ist auch gut so“, so der geschäftsführende Gesellschafter Björn Haver, der federführend für die Inhaberfamilie Haver-Franke die Geschäfte führt. Dem politischen und im Koalitionsvertrag festgeschrieben Wille wird aktiv entgegengegangen, demnach das Hotel bereits zum 01.01.2022 verspricht, dass es nicht einen Mitarbeiter im Hotel geben wird, der unter 12,50 Euro je Stunde vergütet wird.

Es fühlt sich für uns als Unternehmerfamilie nicht richtig an

In diesem Zusammenhang werden auch alle weiteren Löhne sukzessive angefasst, um den jeweiligen Qualifikationen und Jahren der Betriebszugehörigkeit Rechnung zu tragen. Die größten Sprünge werden im Niedriglohnbereich gemacht, in dem durch die Anpassung man auch für eine deutlich bessere Lebensqualität bei den Mitarbeitern sorgen möchte. „Es fühlt sich für uns als Unternehmerfamilie nicht richtig an, wenn wir in der Hochsaison stolze Raten erzielen können, aber bei den Mitarbeitern schauen, wie wir es monetär noch günstiger hinbekommen können“ führt Haver weiter aus. Der Schlüssel liegt eher in den Prozessen, als auch im Mut vernünftige Preise im Hotel, aber auch in der Gastronomie einzufordern. Hierfür haben wir gemeinsam mit unseren Führungskräften alle Service-Levels hinterfragt und stehen nur noch für die Dinge parat, die uns inhaltlich und wirtschaftlich auf ein vertretbares Maß bringen. Nur dadurch ist es uns nun möglich, auch gegenüber den Mitarbeitern großzügig sein zu können. So stockt das Hotel nun die wieder notwendigen KUG-Leistungen auf, um keinen Mitarbeiter in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen und zahlt weiter in Anerkennung der diesjährigen Leistungen selbstverständlich eine Corona-Prämie.

17 Auszubildende befinden sich derzeit in der Ausbildung der unterschiedlichen Berufsbilder und es sollen nach dem Willen des Unternehmens noch weitere hinzukommen. Um sich auch hier im regionalen Markt klar gegenüber anderen Berufen abzugrenzen, wird auch bei den Azubis deutlich hinzugelegt. „Wer glaubt mit einer Azubi-Vergütung von unter 800,- Euro bei den jungen Menschen für ein attraktives Berufsbild zu sorgen, plant doch an den jungen Menschen vorbei“ ist Haver überzeugt. Um auch die Qualität innerhalb der jungen Menschengruppe zu forcieren und echte Talente für seinen Betrieb zu begeistern, erhalten alle Auszubildende 300,- Euro/Monat mehr, als tariflich vorgegeben – hiervon 150,- Euro direkt und weitere 150,- Euro über ein Prämiensystem, demnach Dinge wie das Führen des Berichtsheftes, 100%ige Wahrnehmung der Berufsschulpflicht, aktive Teilnahme an Schulungen und Azubi-Web, etc. anerkannt werden. Weiter werden in Workshops und Fortbildungen die jungen Menschen inhaltlich gefördert und noch besser für das Berufsleben vorbereitet. Das wird alles als Investition in die weitere Zukunft verstanden, da auch daraufgesetzt wird, dass diese Menschen in einigen Jahren aufgrund einer regionalen Verortung den Weg nach Ostfriesland in das Romantik Hotel Reichshof zurückfinden.

Das man sich in heutigen Zeiten mit diesem Vorpreschen nicht unbedingt Freunde macht, ist den Verantwortlichen durchaus bewusst. Nur muss ja irgendwer einen Anfang wagen – gerade regional – wenn die ostfriesische Küste weiter wichtige Marktanteile halten oder gar welche hinzugewinnen möchte. Es ist schade um jeden Gast und/ oder Mitarbeiter, der diese Region unzufrieden verlässt. Und somit sind alle gefordert, das Bestmöglichste zu leisten, um kein Ausbluten der Branche zu riskieren. „Wir hoffen auf wirkliche Nachahmer, um die Region zu stärken und für ein deutlich bessere Berufs-Image zu sorgen“, so der Geschäftsführer. „Denn alle Betriebe werden nun neu kalkulieren und rechnen müssen und somit müssen die Raten und Preise nur den Weg nach oben nehmen.“

Natürlich kostet dieses Unterfangen dem Unternehmen viel Geld

Natürlich kostet dieses Unterfangen dem Unternehmen viel Geld – es soll im Jahr ein hoher sechsstelliger Betrag sein. „Aber das kostet es uns ab Sommer so oder so“, meint Berater Björn Grimm. „Von daher sehen wir dieser Entwicklung positiv entgegen und planen und steuern unsere Umsätze aktiv unter Einbeziehung unserer Gäste! Was bedeutet, dass wir die Preise moderat erhöhen und gegenüber den Gästen auch klar kommunizieren, dass Leistung seinen Preis haben muss. Billig geht immer zu Lasten der Mitarbeiter, der Ökologie, dem Tier-Wohl, und zuletzt des Unternehmers. Damit ist Schluss - wir gleichzeitig aber auch schauen, welche Prozesse wir noch besser in den Griff bekommen können, um unsere Löhne auch bezahlen zu können. So sind für die Gastronomie beispielsweise Schwellenwerte definiert worden, wieviel MA auf wieviel Menü-Gäste am Abend kommen dürfen. Wir bleiben der Herr über das Angebot - nicht der Gast!“

Seit Beginn der Pandemie hat die Branche Tausende von Mitarbeitern verloren. Viele Fachkräfte und  Aushilfen haben  sich  sicherere Jobs im Handel und der Produktion gesucht und den Mitarbeiter- und Fachkräftemangel weiter verschärft. Kurzarbeit und eine unsichere Perspektive haben den Wechsel zu anderen Jobs vorangetrieben. In Jobs mit besseren Arbeitszeiten und höheren monetärem Entgelt. Gemeinsam sehen die beiden Kollegen hier das Indiz, dass jetzt umgehend reagiert werden muss, da es einen klaren zeitlichen Zusammenhang zwischen massiven Gehaltseinschnitten und der Abwanderung in anderen Branchen gibt. „Die Mitarbeiter zeigen doch mit dem ausgestreckten Mittelfinger auf die Branche, da sie sich verraten gefühlt haben“ meint Grimm. „Und das darf uns nie wieder passieren“ entgegnet ein optimistischer Björn Haver, der mit seinem strategischen Handeln den Mitarbeitern wieder ein sicherer Hafen sein möchte!

Das Romantik Hotel Reichshof in Norden an der Nordsee bietet mit 55 Zimmern, 10 Ferienwohnungen und dem Restaurant: Heimisch einen Zufluchtsort für Einheimische und Touristen aus ganz Deutschland. Weiter gibt es einen Saal, eine Festscheune und eine Ausflugsgastronomie, die es zu bewirtschaften gibt. Neben den ein oder anderen Catering, wofür das team auch gerne angefragt wird. Es sind derzeit gut 60 Mitarbeiter und 17 Auszubildende für den Betrieb tätig. Bereits in 2020 fiel das Hotel durch ein besonders qualifizierten Ausbildungs- und Schulungsprogramm für seine Auszubildenden während des Lockdowns in der Presse auf.


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