Kommentar: „Schluss mit Funkstille! Immer nur das Mindeste hilft beim Mitarbeitermangel nicht weiter“

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In der letzten Woche hat Marco Nussbaum die Branche aufgemischt. „Prizeotel verdoppelt die Azubi-Vergütung“ war überall zu lesen. Ich sage: Bravo! Bravo, lieber Marco, dafür, dass Du so erfolgreich in die Offensive gegangen bist. Das hat gesessen. An tausenden von „Likes“ und in hunderten positiver Kommentare in sozialen Netzwerken sehen wir, dass Marco den Nerv voll getroffen hat. Kaum jemand, der nicht applaudiert hätte. Bis auf einige: Die HR-Abteilungen und Spitzen der Konzernhotellerie sind in der Deckung geblieben, und auch die Tarifparteien haben sich noch nicht zu Wort gemeldet. Doch seit nunmehr neun Jahren feiert die Hotellerie in Deutschland ein Rekordjahr nach dem anderen und selbst in 2018 beklagen die Funktionäre, dass man die Betriebe „angesichts der nach wie vor schwierigen Ertragssituation nicht überfordern dürfe“. „Give me a rest“, ein Ausdruck, den ich gerne nutze, liegt mir auf den Lippen.

Es ist an der Zeit, dass wir umdenken. Nicht mehr die, die immer nur das Minimum für ihre Mitarbeiter bringen, sollten den Ton bestimmen, sondern an denen, die wirklich gute Arbeitgeber sind, sollte das Gastgewerbe gemessen werden. Sonst wird sich an unserem ramponierten Branchenimage nie etwas ändern.

Ist die Lösung für alle Nachwuchsprobleme und den Fachkräftemangel dann einfach nur das Geld? Reicht es, einfach mehr Kohle auf den Tisch zu legen, um alle Sorgen los zu sein? Natürlich nicht. Aber es ist schon etwas dran an dem Satz von Robert Bosch, der sagte: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle“. Und bei prizeotel handelt es sich um Häuser in Großstädten, in denen die Tarifvergütungen mit den rasant gestiegenen Mieten und Lebenshaltungskosten schon lange nicht mehr mithalten können. Wenn sich dann ein Unternehmer in der Pflicht sieht, seinen Mitarbeitern ein Leben an dem Ort zu ermöglichen, an dem sie arbeiten, dann ist das auf der einen Seite natürlich ehrenwert, sollte aber auf der anderen Seite nichts weiter als eine bloße Selbstverständlichkeit sein. Zumal Marco seinen Mitarbeitern darüber hinaus noch viele Zusatzleistungen bietet, die in keinem Tarifwerk niedergeschrieben sind. Willkommen in der Realität und in der Marktwirtschaft, in der Kampf um die besten Köpfe schon lange mit Kreativität, Engagement und eben auch mit Geld geschlagen wird, möchte man denen Zurufen, denen in der letzten Woche die Spucke weggeblieben ist.

Wir alle wissen, dass Auszubildende relativ schnell ein wichtiger Bestandteil in den Betrieben der Hotellerie werden. Und wir alle wissen, dass viele Häuser ohne Azubis gar nicht aufrechtzuerhalten wären. Das ist die Realität. Da gibt es Nichts schönzureden. Und die hohen Abbrecherquoten in unserer Branche immer nur mit atypischen Arbeitszeiten zu rechtfertigen, ist Humbug. Die schwarzen Schafe, die in den letzten Jahren das Image des Gastgewerbes beschädigt haben, sind keine verirrten Einzeltiere, sondern ein großer Teil der Herde.

Das Gute aber ist: Mit seiner zukunftsweisenden Personalpolitik ist Marco nicht alleine. Im ganzen Land gibt es tausende Gastgeber, vor allem Familienbetriebe, die im Verborgenen seit Generationen unglaublich viel leisten, um erfolgreiche Unternehmer, gefragte Arbeitgeber und vorbildhafte Ausbilder zu sein. Da gibt es regionale Initiativen, in denen sich Betriebe zusammenschließen, um zu zeigen, was sie bieten. Da gibt es Mittelständler, die Millionen in Mitarbeiterhäuser investieren, um Angestellten ein Heim zu geben, da gibt es Hoteliers, die als Mieter für ihre Mitarbeiter auftreten und das natürlich auch noch wie selbstverständlich und gerne subventionieren, da gibt es Gastgeber, die ihre Mitarbeiter aufnehmen, als gehörten sie zur Familie und lassen den Hotelhund Tröster sein, wenn das Heimweh plagt, da gibt es Unternehmer, die ein Bündel an Incentives und Zusatzleistungen packen, von denen jeder Konzernangestellte nur träumen kann, da gibt es Familien, die einfach nur gute Arbeitgeber sind, weil sie, jenseits jeder Gratifikation, mit einem Lächeln oder dem richtigen Wort zur richtigen Zeit in der Lage sind, Anerkennung, Wertschätzung und Vertrauen zu stiften, da gibt es Hoteliers, die Azubi-Gehälter schon seit Jahren verdoppeln, so wie es Marco jetzt tut, und darum wenig Aufheben machen, weil sie nicht die Mittel haben, aber in der Region damit zuverlässig Punkten. 

Marco Nussbaum ist sicherlich ein Vordenker der Branche. Aber er war und ist nicht alleine. Und Marco weiß ganz genau, dass tausende Mittelständler in der Fläche jeden Tag beweisen, dass Hotellerie in Deutschland mehr ist, als das Einhalten von schlappen Mindeststandards. Denn die, die sagen, dass sie ja genau das zahlen und garantieren, was mindestens gesetzlich gefordert sei, sind die, die die wirklich guten Betriebe in ihrem „Ich-halte-mich-doch-an-die-Regeln-Sog“ immer weiter mit nach unten ziehen. Die, die immer rufen, „aber wir zahlen doch Tarif – und Mindestlohn – und tun doch, was wir müssen“, stehen eben nicht stellvertretend für diese geile Branche. Diese Unternehmer versuchen, ein Geschäftsmodell zu rechtfertigen, das heutzutage einfach nicht mehr funktioniert. Die Zeiten sind vorbei, in denen wir nur mit dem Finger schnippen mussten, um offene Stellen im Handumdrehen zu besetzen. Heute bedarf es da genau der Einsatzbereitschaft, die wir früher immer von unseren Mitarbeitern verlangt haben. Und wer darauf keine Lust hat oder, wer dazu nicht in der Lage ist, der sollte sich fragen, ob er zukünftig gerne zur Fraktion der echten Unternehmer oder der müden Unterlasser gehören möchte. 

Wer dann aber auch noch meint, er müsse nur ein bisschen Geld in die Hand nehmen, um Mitglied in einem Club zu werden, der „die Zahlung des Mindestlohns und die Einhaltung von Tarifabschlüssen“ als Stein der Weisen postuliert  oder „die Einhaltung der gesetzlichen Forderungen“ garantiert, dem kann ich nur zurufen: Dein Betrieb kann viel mehr als das, was dort definiert wird. Ihr macht viel mehr, als das, was das Mindeste ist. Warum lasst ihr Euch „downsizen“ – und das auch noch gegen Geld? Warum verkauft ihr Euch so dermaßen unter Wert, mit Werbe-Gallionsfiguren, die in der Zielgruppe wenig bekannt sind. Ihr könnt doch viel mehr. Das ist nicht wirklich fair. 

Diese Branche ist viel leistungsstärker, als wir ständig in den Medien sehen oder lesen. Jahr für Jahr halten wir in Gehaltsreports die rote Laterne. Wir sind die Schlusslichter in Sachen Beliebtheit. Aber alles, was diese Branche zustande bringt, ist öffentlich zu sagen: „Aber wir machen doch das Mindeste. Wir halten uns doch an Tarife. Wir sind doch so bunt. Warum hat uns keiner lieb?“ 

Es ist wirklich an der Zeit, dass wir umdenken. Wir müssen endlich aufhören mit dem Gejammer, das keiner mehr hören will. Es ist an der Zeit, dass die guten und erfolgreichen Arbeitergeber wieder das Bild der Branche in der Öffentlichkeit prägen und nicht immer nur die, die gerade das Mindeste tun. Tausende Betriebe zeigen jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, wie es besser geht. Tausende Betriebe haben nicht die Probleme, von denen die Medien immer wieder berichten. Denn trotz all dieser Fernsehköche, perfekten Dinners, himmlischen Hotels und Undercover Bosses, sind wir einfach unbeliebt. Punkt. Immer weniger mögen uns. Wir sind die Schmuddelkinder, möchte man glauben. Und die Schuld liegt ganz allein bei uns. 

Uns hilft schon lange keine lustige Imagekampagne mehr. Schönreden und Gefasel von angeblicher Fairness bringt uns nicht weiter. Uns helfen nur Taten. Die, die in dieser Branche wirklich etwas leisten, müssen endlich zur Stimme des Gewerbes werden. Das Mittelmaß hat ausgedient. Marco Nussbaum hat mit seiner Initiative einen fulminanten Aufschlag gemacht, der Wiederhall über die Grenzen des Gastgewerbes hinausgefunden hat. Wir müssen endlich denen, die jeden Tag so viel Gutes leisten, eine Stimme geben, anstatt denen, die das Mindeste garantieren, die Bühne zu überlassen. Schluss mit Funkstille! rufe ich denen zu, die die echten Leistungsträger sind und die ihre Mitarbeiter so behandeln, wie sie selbst behandelt werden möchten: mit Respekt, Wertschätzung und Anerkennung. Lasst uns darüber reden, was wir machen. Lasst uns zeigen, was wir können. Lasst uns Plattformen finden, denen wir auch Gehör verschaffen. Lasst uns allen eine Stimme geben, die gute Arbeitgeber, gute Ausbilder und gute Gastgeber sind. Danke an meinen guten Freund Marco Nussbaum. Der Ball ist jetzt im Spiel. Jetzt müssen wir retournieren.

Thomas Edelkamp

 

 

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