Streit über Beherbergungsverbot festgefahren

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Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten kommen an diesem Mittwoch erstmals seit Mitte Juni wieder in Berlin zusammen und tagen nicht in einer Videokonferenz. Laut «Bild»-Zeitung begründete Kanzleramtschef Helge Braun gegenüber den Staatskanzleichefs die Notwendigkeit hierfür mit der dramatischen Infektionslage. Man müsse eine offene Debatte führen, die «historische Dimensionen» haben könne, wurde er unter Bezug auf Teilnehmer zitiert.

Die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, forderte Merkel auf, «die Koordinierung der Maßnahmen für den Corona-Herbst endlich zur Chefinnensache» zu machen. «Entscheidend bei der Bekämpfung der Pandemie ist das Vertrauen der Menschen in die Maßnahmen. Dies wird aber gefährdet, wenn durch kleinteiliges, aktionistisches Handeln ein unübersichtlicher Flickenteppich an Regeln und Bestimmungen herrscht», sagte sie der «Rheinischen Post» (Mittwoch). «Ich erwarte von Bund und Ländern, dass sie so lange tagen, bis eine gemeinsame Strategie mit nachvollziehbaren, einheitlichen Regeln für den Herbst und Winter steht.»

Der Städte- und Gemeindebund forderte wandte sich ebenfalls gegen die von Land zu Land «immer unterschiedlicheren Regelungen». Sie gefährdeten die notwendige Akzeptanz der Menschen bei der Pandemiebekämpfung, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Funke Mediengruppe.

Allerdings zeichnet sich keine leichte Lösung ab - zu unterschiedlich sind die Positionen. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sprach sich dafür aus, dass Beherbergungsverbot für Gäste aus Corona-Hotspots zu kippen. Hans sagte der «Saarbrücker Zeitung» (Mittwoch), Millionen Bürger seien vom Beherbergungsverbot betroffen. «Das Beherbergungsverbot hilft aber nicht, das Infektionsgeschehen positiv zu beeinflussen. Deshalb ist es überflüssig geworden.» Zuvor hatte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) angekündigt, das Beherbergungsverbot nicht umsetzen zu wollen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bekräftigte hingegen, am Beherbergungsverbot festhalten zu wollen. Zu den Unterstützern der Maßnahme zählte zuletzt auch Söder.

Bayerns Ministerpräsident Söder verlangte, strengere und einheitliche Maßnahmen zu ergreifen. Die kommenden vier Wochen seien entscheidend für Deutschland, sagte der CSU-Chef am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. «Wir müssen jetzt Corona ausbremsen, bevor wir eine echte Notbremsung machen müssen.» Auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig sprach sich am Dienstag gegen Lockerungen aus: «Wir brauchen eine klare, stringente Linie. Die kann in einer Zeit, wo die Zahlen immer mehr in Deutschland steigen, nicht Lockerung sein.»

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte ebenfalls eine einheitliche Linie der Länder im Kampf gegen die Corona-Pandemie an.

Auch Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus verlangte eine einheitliche Linie der Länder. «Ich erwarte morgen ein klares Signal gegen die Kleinstaaterei. Wir benötigen Klarheit für die Menschen in Deutschland. Dies gilt insbesondere für innerdeutsche Reisen», sagte der CDU-Politiker in Hamburg.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, forderte, das Beherbergungsverbot nochmals auf den Prüfstand zu stellen. «Ein nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche muss verhindert werden.» Der Chef des Landkreistages, Reinhard Sager, sprach im Nachrichtenportal «t-online» von einem «im Alltag kaum zu überblickenden Flickenteppich und großer Verunsicherung in der Gesellschaft».

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat in der Debatte um Beherbergungsverbote gefordert, die Kriterien dafür zu überprüfen. «Wir brauchen eine Überprüfung, ob die Zahl 50 auf 100 000 Einwohner richtig ist», sagte der CDU-Politiker der «Bild»-Zeitung (Mittwoch).

Die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, sagte der «Saarbrücker Zeitung» (Dienstag): «Ich habe die begründete Hoffnung, dass sich Bund und Länder von dieser Form des Beherbergungsverbots verabschieden müssen.» Hartges spielte damit offenbar auf die angekündigten Klagen gegen das Verbot an. Der Staatsrechtler Christoph Degenhart hält die Maßnahmen für nicht gerechtfertigt. «Sie greifen in die Grundrechte der Betriebe sowie der Reisenden ein», sagte er dem «Handelsblatt» (Dienstag).

Dagegen sprach sich Schwesig im ARD-«Morgenmagazin» gegen Lockerungen aus: «Wir brauchen eine klare, stringente Linie. Die kann in einer Zeit, wo die Zahlen immer mehr in Deutschland steigen, nicht Lockerung sein.» Nötig seien vielmehr strengere Regeln, «insbesondere in Risikogebieten». NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte hingegen in der «Bild»-Zeitung vor einer sinkenden Akzeptanz der Corona-Maßnahmen bei den Bürgern, «wenn einzelne Regeln wie das Beherbergungsverbot nicht nachvollzogen werden können».

Derweil forderte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki eine Rückkehr der Corona-Entscheidungen in die Hand des Bundestages. «Die vielfache Missachtung verfassungsrechtlicher Grundlagen durch die Exekutive schadet dem Ansehen unserer demokratischen Ordnung massiv», sagte der FDP-Politiker der «Rheinischen Post» (Mittwoch). Es entstehe der fatale Eindruck, dass die Verfassung in Pandemiezeiten nicht gelte. «Daher ist es zwingend geboten, dass die Parlamente wieder die notwendigen Entscheidungen in die Hand nehmen.»

Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen.

Auf weitgehende Ablehnung stieß der Vorstoß, wegen der steigenden Infektionszahlen die Winterferien um zwei bis drei Wochen zu verlängern und jene im Sommer entsprechend zu kürzen. Ihn hatten die Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß (CDU) und Stephan Pilsinger (CSU) in der «Bild»-Zeitung gemacht. Söder sagte dazu, es sei jetzt nicht die Zeit, über Ferienverlängerungen zu reden und damit mit «zusätzlichen Dingen» für Verunsicherung zu sorgen.

Das Robert Koch-Institut wies in einem Strategiepapier darauf hin, dass der Alltag auch nach Einführung eines Corona-Impfstoffs zunächst eingeschränkt bleiben werde - einschließlich Maskentragen und Abstandsgeboten. Demnach werden zwar voraussichtlich im kommenden Jahr ein oder mehrere Impfstoffe zur Verfügung stehen - und die Bekämpfung des Virus entscheidend verbessern. Allerdings dürfte es ein solches Mittel zu Beginn nur in begrenzten Mengen geben und insbesondere Risikogruppen zugute kommen. (dpa)

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