Großer Corona-Ausbruch in Fleischfabrik von Tönnies  

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Mit mindestens 657 Infizierten gibt es erneut einen folgenreichen Corona-Ausbruch in einer deutschen Fleischfabrik. Die Produktion in dem Schlachtbetrieb in Westfalen wurde vorübergehend eingestellt, der Kreis Gütersloh schließt Schulen und Kitas und stellt gut 7000 Menschen unter Quarantäne. Durch die Schließung fehlen laut Gütersloher Landrat 20 Prozent der Fleischprodukte auf dem deutschen Markt. In Berlin-Neukölln stieg währenddessen die Zahl der Infizierten in den Wohnblöcken, die unter Quarantäne gestellt sind: Inzwischen seien 70 Fälle bekannt, sagte der Bezirksbürgermeister. Sowohl in NRW als auch in Berlin treffe es ärmere Familien, die beengt und abgeschottet wohnten, stellte ein Berliner Gesundheitsamtsleiter eine Parallele her.

Der neue Ausbruch im Schlachtbetrieb trifft mit Tönnies einen Branchenriesen. Deutschlands Marktführer bei der Schlachtung von Schweinen muss seinen Hauptproduktionsbetrieb in Rheda-Wiedenbrück herunterfahren. Der zuständige Landrat Sven-Georg Adenauer geht davon aus, dass der Produktionsstopp zwischen 10 bis 14 Tagen dauern wird. Für den gesamten Kreis will Adenauer einen allgemeinen Lockdown verhindern, obwohl die wichtige Marke von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen deutlich überschritten sei.
 

Tönnies-Sprecher André Vielstädte wandte sich im Namen der Eigentümer an die Öffentlichkeit: «Wir möchten uns bei der Bevölkerung des Kreises im Namen der Familie Tönnies entschuldigen. Wir werden alles dafür tun, das Virus aus dem Betrieb zu bekommen, um wieder arbeitsfähig zu werden.»

Auch für die Region wird das sich rasant entwickelnde Infektionsgeschehen in der Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück Auswirkungen haben: Der Kreis Gütersloh kündigte an, alle Schulen und Kitas bis zu den Sommerferien, die in Nordrhein-Westfalen am 26. Juni starten, wieder zu schließen. Durch diesen Schritt solle eine Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung vermieden werden.

Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen machten in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen und lösten eine Debatte über die Missstände bei Arbeits- und Unterbringungsbedingungen der häufig aus Osteuropa stammenden Beschäftigen aus. Im Kreis Coesfeld wurde ein Betrieb zeitweise geschlossen. Laumann kündigte am Mittwoch an, erneut nrw-weit alle Schlachthofbelegschaften mit Werkvertragsarbeitern auf das Virus testen zu lassen. Danach wisse man, ob es sich bei dem Ausbruch um eine Ausnahme handle.

Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, hatte sich vor Wochen nach einem Virus-Ausbruch beim Konkurrenten Westfleisch gegen den Generalverdacht gegen die Branche gewehrt. Seine Firma war zunächst nur mit einzelnen Infizierten aufgefallen.

Gereon Schulze Althoff, Leiter des Pandemiestabs bei Tönnies, nannte die Kälte in der Produktion und die Heimreisen der Beschäftigten an den langen Wochenenden an Pfingsten und Fronleichnam nach Osteuropa als mögliche Faktoren für die Ausbreitung des Coronavirus.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte auf die Frage, was der Corona-Ausbruch bei Tönnies über die bisherigen Lockerungen aussage: «Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt. (...) Das hat nichts mit Lockerungen zu tun, sondern mit der Unterbringung von Menschen in Unterkünften und Arbeitsbedingungen in Betrieben.» Das Beispiel zeige, «wie schnell» sich ein Virus verbreite, «wenn Abstände nicht eingehalten werden, wenn Unterkünfte nicht in Ordnung sind, und es warnt uns, immer nochmal ein zweites Mal hinzuschauen.»

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte nach dem Ende der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin am Mittwochabend, man müsse «endlich über die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Menschen reden».

Auch der Corona-Ausbruch in Berliner Wohnblöcken stellt aus Sicht eines Berliner Amtsarztes eher kein Risiko für die Restbevölkerung dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein berlinweites Problem entstehe, sei «nicht besonders groß», sagte der Leiter des Gesundheitsamts Reinickendorf, Patrick Larscheid, im RBB-Inforadio. Er stellte einen Zusammenhang zu den Ausbrüchen in NRW her: Die Betroffenen hier wie dort lebten so abgeschottet, dass das Virus wohl nicht überschwappe. Die Gruppen seien arme, zum großen Teil auch bildungsferne Menschen, die schwer zu schützen seien, meinte der Amtsarzt.

Die neue Corona-Warn-App, die beim Nachverfolgen der Kontakte helfen soll, wertete Larscheid in Anbetracht des akuten Falls als «Spielzeug für die digitale Oberschicht». Bei Gruppen wie den nun Betroffenen könne man sich davon keine Vorteile erhoffen.

Abgesehen von den lokalen Ausbrüchen entwickelt sich das Corona-Infektionsgeschehen in Deutschland laut Robert Koch-Institut (RKI) weiterhin auf einem niedrigen Niveau. (dpa)


 

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