Virtuelle Winzer: Online-Weinproben voll im Trend

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Alexander Kohnen lässt den strohgelben Blanc de Noir mit Schwung im Weinglas kreisen und fordert in die Kamera auf: «Nehmt einen kleinen Schluck und stellt fest, ob ihr einen trockenen Wein habt oder einen halbtrockenen. Das merkt ihr an der Zungenspitze.»

Mehr Säure mache sich am Speichelfluss bemerkbar, der an den Zungenrändern herausfließt, erklärt der Inhaber des International Wine Institutes Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Was für eine coole Vorstellung, dass mit mir zeitgleich ein paar Hundert Leute gerade einen Blanc de Noir über die Zungenspitze strömen lassen und ergründen, was das im Mund so alles auslöst. All diese Menschen haben sich wie ich drei Flaschen von Winzern aus der Ahr-Region nach Hause kommen lassen. Nun stehen die edlen Tropfen wie eine Batterie samt Gläsern neben ihren Computern, Tablets und Co. und warten auf das betreute Online-Trinken. Willkommen in der schönen neuen Welt der digitalen Weinverkostungen.

Die Online-Weinproben liegen im Trend und werden pandemiebedingt täglich populärer. Das Deutsche Weininstitut (DWI) hat bereits 160 Winzer aus den 13 deutschen Weinanbaugebieten sowie Veranstalter virtueller Weinproben in einer Anbieterliste aufgeführt, die Online-Tastings veranstalten.

Winzer wurden überrascht von der Resonanz

«Viele Winzer wurden überrascht von der großen Resonanz. Ich denke sogar, die Online-Weinproben sind gekommen, um zu bleiben», sagt DWI-Sprecher Ernst Büscher. Er hat beobachtet, wie sich Weingüter und Winzergenossenschaften raketenartig professionalisiert haben - sowohl bezüglich des Equipments als auch hinsichtlich der Präsentation.

So wechseln Co-Moderationen mit Probeschlückchen und Videos über Arbeitsschritte in Weinberg und Keller ab, Chat-Funktionen lassen Fragen zu, die live beantwortet werden. Gestreamt werden die Online-Verkostungen meist über Youtube, Facebook, Instagram oder Clubhouse.

Oftmals verbleiben die Weinverkostungen im Netz. «So kann man die Probe zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen, wenn man nicht alle Weine an einem Abend verkosten möchte oder wenn man sich mit Freunden erneut zu einem Wein-Tasting verabredet», erklärt Büscher. Das gelte auch für das Weinentdecker-Seminar über die Ahr-Weine, bei dem man erfährt, dass es Nonnen waren, die den Wein in die engen Täler entlang des kleinen Flüsschen Ahr gebracht haben.

Tastings leben von Geschichten um die Trauben

Es seien gerade die Geschichten der Winzer um ihre Trauben und Rebsorten, von denen die Online-Tastings leben, so Büscher. Ganz nebenbei gibt es oft auch reichlich Tipps, sich einem Wein zu nähern. «Wenn man ungeschwenkt in das Glas hineinriecht, bekommt man erstmal das Reine, was als erstes abdampft», sagt Alexander Kohnen zum Blanc de Noir. Das sei meist das Aroma, was aus dem Weinberg und der Traube kommt. «Wenn ich dann schwenke, trifft die warme Luft auf den Glasboden. Der Sauerstoff zieht nach oben und die Aromen können andocken», erklärt Kohnen und lässt das Glas in seiner Hand kreisen.

Dabei tue auch die Form des Glases etwas für den Wein. Für einen Blanc de Noir empfiehlt der Ahr-Experte etwa Gläser mit einer kleinen Kuppe: «Die hat den Vorteil, dass die Kühle lange im Glas erhalten bleibt.» Ein enger Rand des Glases wiederum bestimmt die Fließgeschwindigkeit, mit der der Wein auf die Zungenspitze trifft.»

Welche Speisen passen zu welchen Tropfen?

Praktisch sind auch Empfehlungen, welches Essen zu welchem Tropfen passt. Kohnen fällt zum Beispiel beim Blanc de Noir sofort zweierlei vom Perlhuhn ein. Also Brust und Keulchen, dazu Blattsalate mit einem Himbeer-Grapefruit-Dressing.

Zum Spätburgunder ein Dry Aged Ribeye, gerne auch eine Limettenbutter, karamellisierte Möhrchen und gebratene Kartoffeln. Solche Empfehlungen sind nicht ganz unwichtig, wenn man später mehr von seiner Weinentdeckung ordern möchte.

Auch über Geld sollte man reden: Die eigentlichen Verkostungs-Events sind kostenlos. Zahlen muss man allerdings für den Wein. Je nach Anzahl der zu besprechenden Flaschen muss in der Regel mit 40 bis 60 Euro gerechnet werden. Manchmal bieten Winzer auch Schnupperpreise.

Käse, Weißbrot, Speckpflaumen bereithalten

Es gebe mittlerweile auch virtuelle Verkostungen, die mit Schlemmerpaketen gekoppelt sind - entweder zum Vorkochen direkt zum Tasting oder gleich mit Direktlieferungen vom Partner-Gastronomen, berichtet Ernst Büscher.

Er empfiehlt zur Vorbereitung auf speisenfreie Verkostungen ein bisschen Weißbrot und Käse für zwischendrin bereitzustellen. Eher Weichkäse zum weißen und bevorzugt Bergkäse zum roten Wein. Auch mit Speck ummantelte Pflaumen und Datteln seien gute Weinbegleiter.

«Abraten würde ich von scharf gewürzten Nüssen. Dadurch wird der Geschmack abgelenkt», erklärt der Weinexperte. Und er hat noch einen wertvollen Tipp: «Auch gute Gläser lohnen sich. Aus einem dünnwandigen Glas mit tulpenförmigem Kelch schmeckt ein Wein sehr viel intensiver als aus einem einfachen Wasserglas.»

Weiß- und Roséweine rechtzeitig kaltstellen

Nicht vergessen werden sollte, rechtzeitig vor der Verkostung Rosé- und Weißweine gut zu temperieren und Rotweine atmen zu lassen, erinnert Ernst Büscher. Wenn einem das erst einfällt, wenn die Verkostung beginnt, sei das Erlebnis leider getrübt. Während andere Teilnehmer dann im Chat schwärmen, dass sie die eleganten Aromen an einen klassischen Balletttänzer erinnern, empfindet der Vergessling den Wein plump und langweilig.

Bei Weinverkostungen mit mehreren Hundert Teilnehmern fasst meist ein Moderator die Fragen und Kommentare zusammen. Das gibt dem Event oft eine ganz eigene Dynamik. Da kommt es schon mal vor, dass noch über den Anteil der Steillagen oder den Vorzügen vom Anbau auf Schiefer gesprochen wird, der Moderator aber dazwischenfunkt: «Es häufen sich gerade die Anfragen, ob man sich schon einschenken soll?»

Eingeschenkt werden soll auf jeden Fall bei den kommenden zwölf Weinentdecker-Seminaren über weitere deutsche Weinanbaugebiete, die monatlich bis März 2022 folgen.

Diese und andere virtuelle Weinproben haben für Ernst Büscher den Vorteil, dass man sich auch durch Tropfen weit entfernter Weingüter testen kann - ohne das Haus zu verlassen. Und der allergrößte Vorzug: «Beim Online-Tasting stellt sich nicht die sonst so leidige Frage: Und wer fährt im Anschluss zurück?» (dpa)


 

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