Bund-Länder-Beratungen: Kanzleramt plant ohne Öffnungsperspektive für Hotels und Gastronomie 

| Politik Politik

Bundeskanzlerin Angela Merkel will den allgemeinen Corona-Lockdown in Deutschland bis zu den Osterferien verlängern. Hotels und Restaurants bleiben aber noch länger dicht und wieder ohne Öffnungsperspektive. Einzig die Außengastronomie wird in einer Beschlussvorlage angesprochen, die der Tageskarte-Redaktion vorliegt.

Das Papier sagt: „Die bestehenden Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bleiben weiterhin gültig, sofern dieser Beschluss keine abweichenden Festlegungen trifft. Die Länder werden ihre Landesverordnungen entsprechend anpassen und bis zum 28. März 2021 verlängern.“  Diese erste Einigung traf bislang allerdings nur eine „Viererrunde“ aus Bundeskanzleramt, Bundesfinanzministerium sowie den Staatskanzleien von Bayern und Berlin.

Merkel hält aber nicht mehr strikt an der 35er Inzidenz für Lockerungen fest. In der Beschlussvorlage steht: „Bund und Länder wollen nun erproben, wie durch die deutliche Ausweitung von Tests und ein Testprogramm in Verbindung mit einer besseren Nachvollziehbarkeit der Kontakte im Falle einer Infektion Öffnungsschritte auch bei höheren 7-Tage-Inzidenzen mit über 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner möglich werden.“

Bereits ab Montag (8.3.) sollten weniger strenge Kontaktbeschränkungen gelten. Demnach dürften sich wieder mehrere Mitglieder zweier Haushalte treffen. Erlaubt werde dies für maximal fünf Personen, wobei Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt würden. Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte sollen demnach einheitlich in allen Bundesländern öffnen dürfen – derzeit gibt es hier einen Flickenteppich. Voraussetzung seien Hygienekonzepte und eine Begrenzung auf einen Kunden pro 20 Quadratmeter.

Keine Perspektive für Hotellerie und Gastronomie

Die vehement geforderte Öffnungsperspektive bleibt dem Gastgewerbe weiter verwehrt. In dem Papier steht geschrieben: „Über weitere Öffnungsschritte und die Perspektive für die hier noch nicht benannten Bereiche aus den Branchen Gastronomie, Kultur, Veranstaltungen, Reisen und Hotels wird im Lichte der Infektionslage unter Berücksichtigung der angelaufenen Teststrategie, des Impfens, der Verbreitung von Virusmutanten und anderer Einflussfaktoren auf der nächsten Sitzung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder beraten.“ Diese Beratungen finden am 24. März 2021 statt.

Lediglich die Außengastronomie wird in einem vierten Öffnungsschritt thematisiert. Wann Gäste wieder draußen sitzen dürfen sollen, ist aber unklar. In dem Papier steht, dass die „7-Tage-Inzidenz 14 Tage lang nach dem Inkrafttreten des dritten Öffnungsschritts landesweit oder regional stabil bei unter 35 Neuinfektionen“ bleiben muss.

„Das ist das Gegenteil von einer Öffnungsstrategie“, kritisiert DEHOGA-Präsident Zöllick und appelliert eindringlich an die Politik: „Wir erwarten, dass die Bundesregierung und die zuständigen Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder alles dafür tun, dass unsere Betriebe keinen Tag länger als gesundheitspolitisch geboten geschlossen bleiben.“

Eine Alternative in dem Entwurf von 15 Uhr gestern Nachmittag spricht von anderen Werten. Der Entwurf vom Vormittag sagte: „Besteht in dem Land oder der Region eine stabile oder sinkende 7-Tage-Inzidenz von unter XX Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, so kann das jeweilige Land 14 Tage nach dem dritten Öffnungsschritt folgende weitere Öffnungen landesweit oder regional vorsehen. Inszwischen ist das XX in einem späteren Entwurf durch 100 XX Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ersetzt.

Dazu gehört dann die „Öffnung der Außengastronomie für Besucher mit vorheriger Terminbuchung mit Dokumentation für die Kontaktnachverfolgung; Sitzen an einem Tisch Personen aus mehreren Hausständen ist ein tagesaktueller COVID-19 Schnell- oder Selbsttest der Tischgäste erforderlich.“

Weitere Punkte aus der Beschlussvorlage:

KONTAKTE: Von kommender Woche an könnten wieder Treffen des eigenen mit einem weiteren Haushalt möglich sein, beschränkt auf maximal fünf Personen. Derzeit darf man sich nur mit einer nicht im Haushalt lebenden Person treffen. Ab einer bestimmten Zahl von Neuinfektionen je 100 000 Einwohner und Woche sollen noch großzügigere Regeln möglich sein: Treffen mit zwei weiteren Haushalten, maximal zehn Personen. Offen ist allerdings noch, ab welcher Sieben-Tage-Inzidenz dies gelten soll. Über Ostern könnten - ähnlich wie Weihnachten - wieder Verwandtenbesuche in etwas größerem Kreis möglich werden.

GARTENMÄRKTE, BLUMEN- UND BUCHLÄDEN: In einigen Ländern sind sie schon geöffnet, in anderen nicht. Das soll einheitlicher und überall möglich werden. Das könnte auch für sogenannte körpernahe DIENSTLEISTUNGEN und FAHRSCHULEN gelten - aber nur mit Corona-Test.

HANDEL: Bei einer stabilen Inzidenz unter 35 könnte der Einzelhandel mit einer Begrenzung der Kundenzahl wieder öffnen. Ab einem Inzidenzwert, der noch festgelegt werden muss, könnte zumindest Einkaufen nach Terminbuchung und mit Kontaktnachverfolgung erlaubt sein. Dabei gebe es aber noch großen Verhandlungsbedarf, hieß es.

MUSEEN, ZOOS, BOTANISCHE GÄRTEN, GEDENKSTÄTTEN: Sie könnten ab einem Wert von 35 wieder öffnen - ab einer noch festzulegenden Inzidenz zumindest mit vorheriger Terminbuchung.

GASTRONOMIE: Außenbereiche sollen dem Entwurf zufolge erst öffnen, wenn die Inzidenz 14 Tage stabil unter 35 bleibt. Ab einem Wert, der noch festgelegt werden muss, könnte man zumindest mit Terminbuchung Essen gehen. Tests wären vorgeschrieben, wenn an einem Tisch Personen mehrerer Hausstände sitzen.

SPORT: Sport könnte ebenfalls ab Inzidenz 35 wieder in kleinen Gruppen von maximal zehn Personen erlaubt sein. Allerdings nur draußen und kontaktfrei, also etwa Fitness oder gemeinsames Joggen, aber kein Fußball. Kontaktfreier Sport drinnen, etwa im Fitnessstudio, und Kontaktsport draußen sieht der Entwurf erst vor, wenn die Inzidenz in der Region 14 Tage lang stabil unter 35 bleibt - auch hier könnte mit tagesaktuellen Tests früher gelockert werden.

THEATER, KONZERTHÄUSER, KINOS: Sie könnten regulär erst bei einer stabilen Inzidenz unter 35 öffnen, mit Tests möglicherweise früher.

NOTBREMSE: Sollte die Inzidenz an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen wieder über einen bestimmten Wert klettern, sollen automatisch die aktuell geltenden Lockdown-Regeln wieder in Kraft treten - ohne Extra-Beschluss. Der Schwellenwert dafür ist allerdings noch offen.

SCHULEN: Die Bildungsminister kündigten an, der in Grundschulen begonnene Unterricht solle auf weitere Jahrgänge ausgeweitet werden - «sofern es die Infektionslage weiterhin zulässt».

WEITERE LOCKERUNGEN: Über Lockerungen etwa für Veranstaltungen, Reisen und Hotellerie soll dem Beschlussentwurf zufolge erst am 24. März beraten werden.

Die bei der vergangenen Bund-Länder-Runde avisierte 35er-Grenze für Lockerungen auf breiter Front könnte nun aufgegeben werden - wenn viel mehr getestet wird. Regelmäßige Corona-Tests stellten «einen wichtigen Baustein dar, um mehr Normalität und sichere Kontakte zu ermöglichen», heißt es im Entwurf.

Merkel kündigte eine breite Teststrategie für die Monate April, Mai und Juni an, die die geplanten Lockerungen absichern soll. Später werde das wegen des Impffortschritts so nicht mehr nötig sein, sagte sie in der Fraktion. Corona-Selbsttests seien neben den Antigen-Schnelltests noch nicht in großem Umfang verfügbar. Man brauche sicherlich den März, um eine umfassende Sicherheitsstrategie für Öffnungen aufzubauen. CDU-Chef Laschet betonte, «testen, testen, testen» sei neben dem Impfen jetzt die Botschaft.

Bundesregierung und Ministerpräsidenten wollten auch mit Vertretern der Industrie über einen Ausbau der Tests in Unternehmen sprechen. Laut Entwurf könnten die Unternehmen verpflichtet werden, ihren Präsenz-Beschäftigten mindestens einen oder sogar zwei kostenlose Schnelltests pro Woche anzubieten - was in der Wirtschaft aber auf Widerstand stößt. Die Länder sollen möglicherweise dafür sorgen, dass analog dazu auch Schul- und Kita-Personal sowie Schüler ein oder zwei Schnelltests bekommen. Allen anderen Bürgern soll das demnach etwa in Testzentren oder bei Ärzten ermöglicht werden.

Während der Beschlussentwurf bei den Lockerungen noch auf die Inzidenzen als Richtwerte abhebt, wollen Rechts- und Gesundheitspolitiker der Koalitionsfraktionen weitere Kriterien dafür festlegen: etwa die Zahl der Geimpften und den R-Wert, wie beide Seiten bestätigten. Die nötige Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes könnte schon am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.

Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern hat die Ausweitung der Steuer von Privat- auf Geschäftsreisende in Schwerin als Abzocke kritisiert. Die Bettensteuer – wie auch die Tourismusabgaben – würden Verbraucher und Betriebe durch höhere Preise und Bürokratie belasten.

Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse von Geflüchteten aus der Ukraine gelten bis zum 4. März 2025. Darüber informierte das Bundesinnenministerium den DEHOGA Bundesverband und andere Wirtschaftsverbände.