Fachkräfte gesucht: "Hand in Hand for International Talents"

| Politik Politik

Ein Wohn- und Arbeitsortswechsel von Indien, Vietnam oder Brasilien nach Deutschland ist kompliziert und hürdenreich, selbst wenn gute Berufsqualifikationen vorliegen. Umgekehrt ist es übrigens nicht viel anders. Aufenthaltsstatus, Arbeitserlaubnis, Visum, Bankkonto, Wohnung, Steuernummer, Umschreibung des Führerscheins und so weiter. Es stehen viele zeitraubende Behördengänge an, und arbeiten muss man schließlich auch. «Bei all diesen bürokratischen Hürden unterstützen wir», sagt Isabell Wresch von der Industrie- und Handelskammer zu Rostock.

Die IHK ist eine von bundesweit sieben Pilotkammerbezirken des Projekts «Hand in Hand for International Talents». An dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt sind die jeweiligen Agenturen für Arbeit genauso beteiligt wie die DIHK Service GmbH und auch die Auslandshandelskammern, die für interessierte Fachkräfte erste Anlaufstelle im Ausland sind.

Wer den Sprung wagt, muss auch den Faktor Heimweh einkalkulieren. «Sie sind Tausende Kilometer von Zuhause weg und können vielleicht ein- oder zweimal im Jahr dorthin. Darüber muss man sich klar sein», so Wresch, die bei der IHK die Stabsstelle Fachkräftesicherung und Digitalisierung leitet. Voraussetzungen für die Bewerber sind auch anerkannte oder teilweise anerkannte Qualifikationen in den jeweiligen Berufen und ein Deutsch-Sprachniveau von mindestens B1 (Mittelstufe).

Michel Polak Carlota hatte bereits Niveau B2, als er im November 2021 als erster Teilnehmer im Rahmen des Programms in Mecklenburg-Vorpommern ankam. Der 32-Jährige absolvierte in seiner Heimatstadt São Paulo eine Ausbildung im Tourismus- und Gastgewerbe und arbeitet derzeit an der Rezeption des Vier-Sterne-Hotels Aquamarin in Kühlungsborn. «Für mich war es schon lange ein Traum, nach Deutschland zu ziehen», sagt der Brasilianer, der über seine Großeltern familiäre Verbindungen nach Tschechien, Polen und Deutschland hat. Er wusste, worauf er sich einließ.

Dass er aber in Kühlungsborn keine 100 Meter vom Ostsee-Strand entfernt arbeiten würde, hätte er nicht gedacht. «Bei Deutschland denkt man nicht zuerst an Strand und Meer», sagte der Brasilianer, der in Deutschland den Namen Polak als Nachnamen nutzt. Nach zwei Wochen im Hotel, einiger Zeit in einer Personalwohnung hat er seit Februar 2022 eine Wohnung in Bad Doberan. Und seine Frau ist inzwischen auch in Deutschland. Sie bemüht sich um eine Anerkennung ihres Architekturstudiums. Beide wollen bleiben, denken daran, eine Familie zu gründen.

Menschen wie Polak sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt mehr als willkommen. Die Bundesagentur für Arbeit geht auf der Grundlage demografischer Forschungen davon aus, dass es jährlich 400 000 Zuwanderer aus Drittstaaten braucht, um das Defizit durch den bevorstehenden Ruhestand der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge auszugleichen. In den vergangenen Jahren wurde diese Zahl zum Teil deutlich verfehlt.

«Wir müssen alle Hebel gleichzeitig in Bewegung setzen», sagt Isabell Wresch. Der Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland sei einer dieser Hebel. Allein MV brauche pro Jahr 7000 bis 8000 zusätzliche Fachkräfte. Der Programm «Hand in Hand for International Talents» beschränkt sich zunächst auf die Länder Brasilien, Indien und Vietnam und Berufe in den drei Branchen IT, Elektro sowie Hotel und Gastronomie. Neben Rostock läuft das Projekt auch in den IHK-Regionen Erfurt, Düsseldorf, Lübeck, München, Offenbach und Reutlingen.

Die Bundesarbeitsagentur betonte, es gehe nicht nur darum, dass Fachkräfte aus dem Ausland hierzulande einen Arbeitsplatz fänden, sondern auch eine Heimat. Dazu gehört auch die Sprache. «Das ist manchmal lustig», weiß auch Polak, der schon sehr gut Deutsch spricht. Damit die Neuankömmlinge nicht gleich bei der ersten Redewendung ins Stolpern geraten, bekommen sie eine Liste mit Erklärungen auf Englisch, Portugiesisch und Vietnamesisch an die Hand. Dort erfahren sie dann auch, was es eigentlich bedeutet, wenn jemand sich zum Horst macht, einem anderen auf den Schlips tritt oder einfach nicht aus dem Quark kommen will. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Regierung sieht fehlende Fachkräfte als zentrales Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nun treten Regelungen in Kraft, die mehr Nicht-EU-Bürger auf den Arbeitsmarkt locken sollen.

Das EU-Parlament hat grünes Licht für strengere Transparenzregeln für große Vermietungsplattformen wie Airbnb, Booking, Expedia oder TripAdvisor gegeben. Unter anderem sollen Städte so besser gegen illegale Angebote auf den Plattformen vorgehen können.

Reisewirtschaft und Tourismusbranche haben eine gemeinsame Position zum Entwurf der Europäischen Kommission zur Revision der Pauschalreiserichtlinie vorgelegt, die die Akteure im Deutschlandtourismus sowie im In- und Outboundtourismus in dieser Frage vereint.

Das neue Kompetenzzentrum „Grüne Transformation des Tourismus“ hat seine Arbeit aufgenommen. Das Kompetenzzentrum soll als Informationsknotenpunkt rund um die grüne Transformation Wissen teilen, Best Practices hervorheben und Innovationen fördern.

Eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit fordert die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in einem Antrag. Auch der DEHOGA fordert, dass Unternehmen und Mitarbeiter, im Rahmen einer wöchentlichen Höchstgrenze, die Möglichkeit bekommen, die Arbeitszeit flexibler auf die Wochentage zu verteilen.

Im Rahmen des Entwurfs zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz erneuert der BTW noch einmal seine Forderung nach zielführendem Bürokratieabbau für die Unternehmen der Tourismuswirtschaft.

EU-Pläne für einen besseren Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Online-Plattformen sind vorerst vom Tisch. Vor allem FDP-Vertreter hatten sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Deutliche Kritik daran kam nun von der Gewerkschaft NGG.

In Belgien findet am Dienstag die informelle Ministertagung Tourismus statt. Darin soll es unter anderem um „Die doppelte Wende des Sektors - digital und nachhaltig“ und konkret um eine Zwischenbewertung des „EU Transition Pathway for Tourism“ gehen.

Wer über Online-Plattformen als Essenslieferant, Taxifahrer oder Hausangestellter arbeitet, sollte mit neuen EU-Regeln mehr Rechte bekommen. Nun kommen sie erst einmal nicht. Auch die Bundesregierung hatte sich bei der Abstimmung enthalten.

Vertreterinnen und Vertreter der EU-Staaten stimmen an diesem Freitag voraussichtlich über bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte von Online-Plattformen wie Liefer- und Fahrdiensten ab. Die Betroffenen sollen unter anderem besser gegen Scheinselbstständigkeit geschützt werden.