«Freedom Day» im November? - Spahn und Ampel-Sondierer für Ende der «epidemischen Lage»

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich für ein Auslaufen der sogenannten «epidemischen Lage nationaler Tragweite» ausgesprochen. Wie ein Ministeriumssprecher bestätigte, äußerte sich der CDU-Politiker entsprechend am Montag bei Corona-Beratungen mit den Gesundheitsministern der Länder. «Bild» hatte darüber zuerst berichtet.

Das Robert Koch-Institut (RKI) stufe «das Risiko für geimpfte Personen als moderat ein», somit könne angesichts der aktuellen Impfquote die epidemische Lage am 25. November 2021 als bundesweite Ausnahmeregelung auslaufen und beendet werden, wurde Spahn «Bild» zufolge von Teilnehmern zitiert. «Damit wird ein seit dem 28. März 2020 und damit mithin seit fast 19 Monaten bestehender Ausnahmezustand beendet.»

Das RKI wies am Montag den fünften Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz in Folge aus. Es gab den Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche mit 74,4 an. Damit ist ungefähr das Niveau von vor einem Monat erreicht. Das RKI betont seit einiger Zeit, es rechne für die kühlere Jahreszeit wieder mit einem Anstieg der Infektionszahlen.

Die Entscheidung über ein Ende der «epidemischen Lage nationaler Tragweite» liegt beim Bundestag. Das Parlament hatte sie erstmals im März 2020 zu Beginn der Pandemie festgestellt und danach immer wieder verlängert, zuletzt Ende August für drei Monate. Sie läuft aus, wenn sie vom Parlament nicht verlängert wird. Die «epidemische Lage» gibt Bundes- und Landesregierungen Befugnisse, um Verordnungen zu Corona-Maßnahmen oder zur Impfstoffbeschaffung zu erlassen.

Festgehalten ist das im Infektionsschutzgesetz, das im Zuge der Pandemie mehrfach geändert worden war. Demnach liegt eine «epidemische Lage von nationaler Tragweite» dann vor, «wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht». Im Infektionsschutzgesetz werden außerdem konkrete Maßnahmen genannt, die «zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019» für die Dauer der Feststellung einer solchen Lage ergriffen werden können.

Darunter folgt eine lange Liste der Maßnahmen, die den Alltag der letzten beiden Jahre geprägt haben: Abstandsgebote, Maskenpflicht, Pflicht zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises, Kontaktbeschränkungen, Verpflichtung zu Hygienekonzepten, Beschränkung von Freizeitveranstaltungen, Sport.

Was Spahns Äußerungen konkret bedeuten, ist noch offen. Unklar ist, ob mit einem Auslaufen der «epidemischen Lage» automatisch eine Art «Freedom Day» mit einem Ende aller Beschränkungen käme, wie zuletzt immer wieder diskutiert wurde. Denn für Corona-Maßnahmen sind die Bundesländer selbst zuständig. Sie legen Abstands-, Veranstaltungs- und Maskenregeln jeweils in eigenen Verordnungen fest und schreiben diese regelmäßig fort.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass zentrale Maßnahmen auch nach Ende der «epidemischen Lage» fortgeführt werden. «Kein Bundesland wäre so verrückt, bei den derzeitigen Fallzahlen auf Zugangsbeschränkungen für geschlossene Räume zu verzichten oder die Maskenpflicht in Bus und Bahn zu begraben», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Voraussetzung für das Ende dieser Maßnahmen sei eine deutlich höhere Impfquote.

Auch Grüne und FDP sind einem Medienbericht zufolge gegen eine Verlängerung der «epidemischen Lage». Die Ampel-Sondierer seien sich einig, dass diese nicht über den 30. November hinaus verlängert werden solle, berichtete die «Welt» unter Berufung auf FDP-Sondiererkreise. Die Grünen-Politikerin Manuela Rottmann sagte demnach: «Wir werden für die nächsten Wochen noch nicht auf Masken, Abstandsgebote und Hygienekonzepte verzichten können. Wie schon im August kommt eine unveränderte Feststellung der «epidemischen Lange von nationaler Tragweite» für uns dennoch nicht infrage.»

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte der «Welt am Sonntag» gesagt: «Klar ist: Wenn der Bundestag die epidemische Lage nicht mehr verlängert, dann bedeutet dies wohl das Ende aller Sicherheitsauflagen. Denn nur das Feststellen der epidemischen Lage ist Basis und Rechtsgrundlage für die Infektionsschutzverordnungen der Länder. Dann hätten wir Ende November indirekt den Freedom Day.»

Söders Parteikollege, Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), äußerte sich zurückhaltend: «Die Feststellung der epidemischen Lage ist Sache des neuen Bundestags», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. Er plädierte dafür, zunächst Einschätzungen aus der Wissenschaft einzuholen. «Unter den Kolleginnen und Kollegen der Gesundheitsminister der Länder sind wir uns einig, dass es - unabhängig von der Feststellung der epidemischen Lage - wichtig wäre, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu haben, um weiterhin zielgerichtet Maßnahmen zu ergreifen.» Dies sei notwendig, um den steigenden Infektionszahlen gerade im Blick auf den Winter zu begegnen. Da sei die künftige Koalition jetzt gefordert. (dpa)

Hoteliers und Gastronomen fordern klare Aussagen

Angesichts von kostenfreien Impfangeboten für Jedermann, einer Impfquote von über 80 Prozent bei den Erwachsenen und gleichzeitig steigenden Genesenenraten fordern Hoteliers und Gastronomen immer lauter klare Aussagen zur möglichen Aufhebung aller Corona-Maßnahmen für das Gastgewerbe. In Thüringen läuft eine Klage gegen eine Allgemeinverfügung.

Mit Blick auf die jüngsten Anpassungen der Corona-Regeln in Bayern, sagt die dortige Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes: „Wieder einmal gab es über Nacht eine Änderung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und wieder einmal gibt es eine Vielzahl an Anpassungen und neuen Unsicherheiten. Die Gastronomen und Hoteliers müssen sich seit Anbeginn der Krise neben ihrer Hauptaufgabe – dem Gastgeber sein – vielen juristischen Herausforderungen stellen. Dabei gilt es, jede Verordnung ganz genau zu lesen, Paragrafen zu verstehen und schließlich alles richtig umzusetzen. In der uferlosen Fülle an Änderungen entstehen viele berechtigte Fragen. Dabei stellt sich aber eine zentrale Frage: Wie lange soll die epidemische Lage noch aufrechterhalten werden?“

Angesichts von kostenfreien Impfangeboten für Jedermann, einer Impfquote von rund 85 Prozent bei den Erwachsenen und gleichzeitig steigenden Genesenenraten muss, so Inselkammer, über das Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite konkret nachgedacht werden. Inselkammer wörtlich „Wie hoch muss die Impf- und Genesenenquote sein, damit die Regierung die Corona-Auflagen für unsere Branche aufhebt? Es ist höchste Zeit für eine Antwort. Uns ist bewusst, dass sich die Entwicklung einer Pandemie nicht vorhersagen lässt, deshalb geht es uns auch nicht um die Nennung eines konkreten Termins. Vielmehr erwarten wir klare Aussagen über die Voraussetzungen, die für das Ende der Auflagen vorliegen müssen. Wer über eineinhalb Jahre hinweg Betrieben komplizierte Verordnungen auferlegt, muss auch Perspektiven geben, wann die Auflagen ein Ende haben.“

In Thüringen klagt der dortige Hotel und Gaststättenverband, nach eigenen Angaben, gegen die Allgemeinverfügung im Kreis Schmalkalden-Meiningen, die am Verwaltungsgericht eingereicht worden sei.


 

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