Lufthansa-Aktionäre stimmen Staatseinstieg zu - Insolvenz vom Tisch

| Politik Politik

Die Lufthansa kann mit deutscher Staatshilfe weiterfliegen. Die Aktionäre des MDax-Konzerns stimmten am Donnerstag einer 20-prozentigen Kapitalbeteiligung der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von 98,04 Prozent zu. Das damit verbundene Hilfspaket über neun Milliarden Euro kann nun umgesetzt werden. Bereits am Morgen hatten die Wettbewerbshüter der Europäischen Union die deutschen Rettungsmaßnahmen final genehmigt.

Im Ringen um das staatliche Rettungspaket hatte die Lufthansa-Spitze zuvor den Druck auf die Aktionäre noch einmal erhöht. «Wir haben kein Geld mehr», sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro hätte die Airline Kley zufolge «in den nächsten Tagen» die Insolvenz anmelden müssen. Nach der Annahme des Rettungsplans sagte Kley: «Wir schaffen das!»

Die Bundesregierung zeigte sich erleichtert. Nun habe die Airline eine Perspektive, «die gegenwärtig schwerste Herausforderung ihrer Geschichte zu bestehen zu und zu überstehen», sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Beteiligung werde «keinen Tag länger» bestehen als notwendig. Der Bund mische sich nicht ins operative Geschäft ein. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, das sei eine gute Nachricht für das Unternehmen selbst, die Beschäftigten und den Wirtschaftsstandort Deutschland. «Mit den Finanzhilfen stabilisiert die Bundesregierung ein großes deutsches Unternehmen, das kerngesund war und durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in schwere Turbulenzen geraten ist.»

Lufthansa-Chef Carsten Spohr dankte der Bundesregierung und erklärte: «Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu 9 Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen.»

Bei der ausschließlich im Internet übertragenen außerordentlichen Hauptversammlung verzichtete Großaktionär Heinz Hermann Thiele darauf, das Rettungspaket zu blockieren. Wegen der schwachen Beteiligung der Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade gehabt. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.

Am Morgen hatte die EU-Kommission dem Rettungsplan zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: «Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden.»

Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfe an. Dem sehe man «mit großer Gelassenheit entgegen», sagte Altmaier. Er sei fest davon überzeugt, dass man faktisch und rechtlich «alle wesentlichen Fragen» bedacht habe.

Der Lufthansa-Vorstand verteidigte vor der Abstimmung das mit der Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als alternativlos. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley. «Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft.» Dennoch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden.

Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein so genanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht nötig. Den rechnerischen Überhang in der Corona-Krise hatte der Konzern mit weltweit 138 000 Beschäftigten auf 22 000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.

Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft. Neben verkürzten Arbeitszeiten, dem Verzicht auf bereits vereinbarte Lohnsteigerungen und Betriebsrentenzahlungen gibt es eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen, um Lohnkosten zu reduzieren.

Nach den drei bislang erfolgreichsten Geschäftsjahren war Lufthansa im März wegen der Corona-Pandemie geschäftlich abgestürzt. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro, so dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein. Nach eigenen Angaben hat Lufthansa bereits eine Milliarde Euro an Kunden für abgesagte Flüge zurückgezahlt. Eine weitere Milliarde stehe noch aus.

Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Folge ist eine deutliche Schrumpfung der Flotte. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Worten des Personalvorstands Michael Niggemann allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bezeichnete den geplanten Rettungsweg als schwierigen, aber alternativlosen Kompromiss. Das Unternehmen müsse sich nun auf die dringenden operativen Herausforderungen konzentrieren, sagte VC-Präsident Markus Wahl. Die Piloten wollten dazu mit einem weitreichenden Einsparangebot ihren Beitrag leisten. Bei der Gewerkschaft Verdi hieß es, nun müsse der Schutz der Beschäftigten in den Fokus von Politik und Unternehmen rücken. «Mit den Staatshilfen müssen jetzt auch Arbeitsplätze und Einkommen gesichert werden», sagte die stellvertretende Vorsitzende Christine Behle.

Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von 3 Milliarden Euro geplant.


Notizblock

Internet

Zurück

Vielleicht auch interessant

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.

Die Bürokratie in Deutschland ist immens. Die Bundesregierung kündigt mit großen Worten eine Entrümpelung an. Der DEHOGA sagt: Das reicht noch lange nicht. Der Verband sagt, dass insgesamt immer noch viel zu wenig Bürokratieentlastung im Betriebsalltag der Unternehmen ankomme.

Bund und Länder haben sich, wie insbesondere von den Steuerberatern gefordert und vom DEHOGA unterstützt, auf eine letztmalige Fristverlängerung für die Schlussabrechnung bei den Coronahilfen bis Ende September 2024 geeinigt, sofern eine Fristverlängerung bis zum 31. März 2024 beantragt und bewilligt wurde.

In Berlin arbeiten viele Menschen unter prekären Bedingungen, sagen Fachleute. Häufig nutzen ihre Chefs schamlos aus, dass sie kein Deutsch sprechen oder sich illegal hier aufhalten. Einen Schwerpunkt dabei bilde laut Hauptzollamt das Gastgewerbe.