Neue Bedingungen: Allianz stellt Versicherungen für Betriebsschließungen um oder kündigt

| Politik Politik

Die Allianz-Versicherung stellt seit September bei sämtlichen Unternehmen, die bei ihr eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen haben, die Verträge um. Es werden neue Policen angeboten, die den Pandemiefall jetzt ausschließen aus. Wird das Angebot nicht angenommen, kündigt der Versicherer die Verträge zum Ende der jeweiligen Laufzeit. 

„Wir informieren noch klarer als bisher, dass kein Versicherungsschutz für die auslösende Krankheit besteht, solange diese Krankheit von der WHO als Pandemie geführt wird. Die Versicherung des Corona-Virus in Zeiten der Pandemie ist nach unserer Auffassung risikotechnisch zu fairen Preisen nicht möglich. Wichtig ist uns, dass wir auch weiterhin ein Betriebsschließungsprodukt zu einem günstigen Prämienniveau anbieten können. Dies erreichen wir durch einen transparenten Ausschluss von Pandemien/Epidemien“, hieß es von Allianz auf Anfrage des Versicherungsboten.

Allianz-Sprecher Christian Weishuber sagte zur Bild am Sonntag: „Wir kündigen wegen der Pandemie alle diese Versicherungen, die wir zum Beispiel mit Gaststätten, Hotels oder Metzgereien abgeschlossen haben. Bundesweit sind einige Tausend Kunden betroffen.“ Der Sprecher begründet dies so: „Versicherungen gegen eine Betriebsschließung sollen einzelne Betriebe schützen, die etwa wegen Salmonellen zeitweise schließen müssen. Nicht aber alle Betriebe, die von einem staatlich verordneten Corona-Lockdown betroffen sind.“ Trotzdem gebe es viele Wirte, die wegen des Lockdowns im Frühjahr vor Gericht eine Entschädigung von der Allianz einfordern.Weishuber weiter zu Bild: „Darum bieten wir neue Versicherungen an, in denen noch klarer steht, dass sie bei einer Pandemie nicht gelten.“ Eine Versicherung gegen einen Lockdown sei durch einen einzelnen Versicherer nicht finanzierbar.

Für die bayerische Dehoga-Präsidentin Angela Inselkammer kommt der Entschluss der Allianz nicht überraschend. Die Pandemie sei für niemanden vorhersehbar gewesen – und somit bei niemanden eingeplant, sagte sie der Zeitung. Umso wichtiger sei es, eine Lösung für die Zukunft zu finden. Betriebe allein könnten das Risiko ebenso wenig schultern. „Jetzt, wo wir mal wieder schnell für vier Wochen zugesperrt werden, übernimmt zwar der Staat es alleine, indem er 75 Prozent für die kleineren Betriebe bezahlt", erklärt sie weiter, doch eine Dauerlösung könne dies nicht sein.

Bei Thema Betriebsschließungen läuft derzeit eine bundeweite Klagewelle gegen zahlungsunwillige Versicherungen. Erst kürzlich hat das Münchner Landgericht erstmals einem klagenden Gastwirt die geforderte Millionensumme zugesprochen. Laut Urteil muss die beklagte Versicherungskammer die Kosten von 30 Tagen coronabedingter Betriebsschließung an den Pächter des Münchner Augustinerkellers zahlen - exakt 1,014 Millionen Euro. In ganz Deutschland sind an den Gerichten bereits hunderte ähnlicher Klagen gegen mehrere Versicherungen anhängig, inklusive des Marktführers Allianz.

Zum Münchener Urteil zum Thema Betriebsschließungsversicherung erklärt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin DEHOGA Bundesverband:  „Der DEHOGA Bundesverband begrüßt das Urteil des Landgerichts München. Der Sieg des Gastwirts ist mehr als ein mutmachendes Signal für viele Betriebe mit einer Betriebsschließungsversicherung. Von Beginn der Debatte an hat der DEHOGA Bundesverband die Rechtsauffassung vertreten, dass die Versicherungswirtschaft in der Leistungspflicht steht.

Doch bedeutet der Erfolg des prominenten Münchner Wirts keineswegs, dass alle verklagten Versicherungen vor Gericht unterliegen müssten, weder in München noch anderswo. Klar ist lediglich, dass sowohl die Versicherungskammer als auch die Allianz im heimischen München mit allen gleichlautenden Betriebsschließungspolicen schlechte Chancen haben. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft GDV betonte dementsprechend: «Es kommt im Einzelfall auf den genauen Wortlaut der Versicherungsbedingungen an.»

In einem weiteren fall haben sich die Allianz und die Münchner Gaststätte «Paulaner am Nockherberg» um die Kosten für die Corona-Schließungen außergerichtlich geeinigt. (Tageskarte berichtete) Beide Parteien bestätigten den Abschluss eines Vergleichs, äußerten sich aber nicht zu den Details. Beide Seiten seien zufrieden, sagte der Wirt des Nockherbergs, Christian Schottenhammel. Die mit Spannung erwartete Entscheidung des Verfahrens am Donnerstag entfällt damit.

Der größte deutsche Versicherungskonzern und die durch das im Fernsehen übertragene «Politiker-Derblecken» beim Starkbieranstich bundesweit bekannte Gaststätte hatten um gut 1,1 Millionen Euro gestritten. Schottenhammel hatte diese Summe für die sechswöchige Schließung seiner Gaststätte in der ersten Corona-Welle verlangt. (Mit Material der dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Tübingen ist vorgeprescht: Kaffeebecher und andere Einwegverpackungen werden in der Uni-Stadt besteuert. Andere Kommunen wollen jetzt nachziehen. Doch es gibt noch ein rechtliches Problem. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.

Die Bürokratie in Deutschland ist immens. Die Bundesregierung kündigt mit großen Worten eine Entrümpelung an. Der DEHOGA sagt: Das reicht noch lange nicht. Der Verband sagt, dass insgesamt immer noch viel zu wenig Bürokratieentlastung im Betriebsalltag der Unternehmen ankomme.

Bund und Länder haben sich, wie insbesondere von den Steuerberatern gefordert und vom DEHOGA unterstützt, auf eine letztmalige Fristverlängerung für die Schlussabrechnung bei den Coronahilfen bis Ende September 2024 geeinigt, sofern eine Fristverlängerung bis zum 31. März 2024 beantragt und bewilligt wurde.