Özdemir für kleine Mehrwertsteuer-Anhebung bei Fleisch

| Politik Politik

Bundesagrarminister Cem Özdemir setzt sich für eine leichte Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch ein, um den Umbau der Tierhaltung zu höheren Standards zu finanzieren. Der Grünen-Politiker griff beim Deutschen Bauerntag in Cottbus einen Vorschlag des Bauernverbands auf: «Ich bin bereit dazu.» Es gehe darum, die Steuer nicht auf den vollen Satz, aber um einige Punkte anzuheben. Zugleich solle die Politik eine Vereinbarung treffen, «dass dieses Geld ausschließlich in der Tierhaltung landet für den Umbau der Ställe, für höhere Haltungsformen». Von Verbraucher- und Umweltschützern kam ein geteiltes Echo.

Für den Minister war es kein einfacher Termin. Denn auch Monate nach den großen Bauernprotesten gegen das Ende von Diesel-Vergünstigungen köchelt Unmut über die Agrarpolitik weiter. Özdemir nutzte die Gelegenheit für einen nächsten Versuch, ein wichtiges Anliegen der Branche voranzubringen: Wie kann es organisiert werden, dass Bauern auf Mehrkosten für mehr Tierschutz nicht alleine sitzen bleiben? Als Anschub hat die Ampel eine Milliarde Euro für Schweinehalter reserviert. Gesucht wird aber ein Dauermodell für die gesamte Tierhaltung - bisher vergeblich.

Die Idee ist nicht neu

Schon seit 2020 liegt ein Konzept einer Kommission um Ex-Agrarminister Jochen Borchert vor, das eine höhere Mehrwertsteuer oder eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte vorschlägt. Inmitten der Bauernproteste im Winter versuchte Özdemir, die Gunst der Stunde zu nutzen, und warb für einen «Tierwohlcent», der auch kleiner ausfallen könnte als die von der Kommission angeregte Abgabe mit einem denkbaren Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. In der Koalition prallte die Idee aber ab, da das FDP-geführte Finanzressort den Ball nicht aufnahm. 

Bauernpräsident Jochim Rukwied hatte noch kurz vor dem Bauerntag durchblicken lassen, dass die Tierhalter davon «total enttäuscht» seien. «Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt, und der Torwart lehnte am Pfosten. Aber bis jetzt ist nicht wirklich etwas geschehen. Schon die Vorgängerregierung hätte den Ball versenken können.» Rukwied fügte hinzu, dass die Mehrwertsteuer von ermäßigten sieben Prozent um zwei oder drei Punkte erhöht werden könnte - aber nicht auf den vollen Satz von 19 Prozent, damit man auch mit kleinerem Einkommen weiterhin Fleisch kaufen kann.

Özdemir sagte dazu in Cottbus: «Das ist ein kluger Vorschlag.» Er verstehe das als ein Kompromissangebot, hinter dem die ganze Branche stehe. «Wie wäre es, wenn wir gemeinsam diesen Vorschlag annehmen im Bundestag, interfraktionell?», sagte er etwa auch an die Adresse der Union. Das schaffe mehr Tierwohl, eine wirtschaftliche Grundlage und stärke die Verbraucher. «Machen wir es endlich.»

Gemischtes Echo auf Özdemirs Vorschlag

Die Verbraucherorganisation Foodwatch erklärte: «Mehrwertsteuer auf Fleisch rauf, auf Obst und Gemüse runter: Das sollte Cem Özdemir jetzt anpacken.» Eine höhere Steuer auf Fleisch sei nicht nur gut für den Klima-, Tier- und Umweltschutz, sondern auch zur Förderung einer gesunden Ernährung. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte dagegen: «Özdemir geht dem Bauernverband auf den Leim.» Ein weiterer Mehrwertsteuersatz für Fleisch wäre ein fauler Kompromiss, das System würde nur noch unübersichtlicher. Klima- und umweltschädliche tierische Produkte würden weiter subventioniert. Besser wäre eine Steuerbefreiung für pflanzliche Produkte.

Inwiefern sich eine neue Dynamik ergibt, muss sich zeigen. Aus der Ampel wurden prompt Einwände laut. «Eine Tierwohlsteuer oder anderweitiges Herumdoktern am Mehrwertsteuersatz wird es mit der FDP nicht geben», sagte deren Fraktionsvize Christoph Meyer. «Wenn die Bürger zu höheren Preisen für mehr Tierwohl bereit sind, kann das als individuelle Entscheidung über den Warenpreis geregelt werden.» 

Özdemir warb bei den Landwirten auch um Zuspruch für das Entlastungspaket, das die Koalition nach den Bauernprotesten nun rasch beschließen will. Erste Entwürfe sollen an diesem Freitag in den Bundestag eingebracht werden. Der Minister verteidigte vorgesehene strengere Tierschutzvorgaben gegen Kritik der Branche. Er sagte aber einen Dialog bei Regelungen zu, die zu weniger chemischen Pflanzenschutzmittel auf den Äckern führen sollen.

Ein studierter Landwirt als Regierungschef

In einem Punkt ging Özdemir auch auf Distanz zu Kanzler Olaf Scholz (SPD), der am Vorabend beim Bauerntag aufkreuzte und sich eine Bratwurst schmecken ließ. Beim Mindestlohn solle man die dafür zuständige Kommission machen lassen. «Und kein Überbietungswettbewerb in der Politik, wer den höheren Mindestlohn fordert», sagte Özdemir, ohne die SPD und Scholz zu nennen, der kürzlich eine Anhebung auf 15 Euro befürwortet hatte.

Vorher war Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke dran und sagte den «Kolleginnen und Kollegen» Unterstützung zu. Die Entscheidung zur Abschaffung der Diesel-Vergünstigungen sei falsch. «Dabei bleibe ich auch», sagte Woidke und traf den Nerv der Bauern in Cottbus. Der Diplom-Agraringenieur wurde auf einem Hof in einem Dorf im Süden Brandenburgs groß. «Mit zehn Kühen, zehn bis 15 Schweinchen, Enten, Gänsen, 50 bis 60 Hühnern.» Ein leicht abgewandeltes Zitat des Königs Friedrich II. - genannt Alter Fritz - hatte er dann auch noch parat: «Die Landwirtschaft ist die erste aller Künste, ohne sie gäbe es keine Dichter, Philosophen, Ministerpräsidenten und Bundeslandwirtschaftsminister.»


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Im Wahlprogramm mit der CDU hat die CSU zwar schon viele ihrer Themen untergebracht - aber nicht überall sind die Unionsschwestern inhaltlich identisch. Dafür kommt nun die «Bayern-Agenda».

Die italienische Regierung will mit einem neuen Gesetz die Verbreitung von gefälschten und bezahlten Online-Bewertungen für Hotels, Restaurants und touristische Attraktionen eindämmen. So soll künftig die Identität verifiziert und ein Besuchsnachweis vorgelegt werden.

Die Pläne der Potsdamer Stadtverwaltung, die Übernachtungssteuer von derzeit fünf auf 7,5 Prozent zu erhöhen, stoßen beim Hotel- und Gaststättenverband auf scharfe Kritik. Stattdessen plädiert der Verband für die Einführung einer Tourismusabgabe.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 stößt in der Bevölkerung auf breite Ablehnung. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des DEHOGA Bundesverband. Mehr als zwei Drittel der Befragten bewerten die Maßnahme als ungerechtfertigt.

Mit klaren Forderungen startet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in die entscheidende Phase vor der Bundestagswahl. Ein Weiter so dürfe es nicht geben, sagt Präsident Guido Zöllick, der eine konsequente Neuausrichtung der Politik fordert.

Deutschlands Wirtschaft schwächelt. Der Verband Die Familienunternehmer lobt die Gegenrezepte der CDU/CSU. Präsidentin Ostermann verteilt in Seeon aber auch eine Watschn, wie man in Bayern sagt.

Allianz-Chef Oliver Bäte empfiehlt, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen. Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen.

Zum 1. Januar 2025 ist Marriott International mit allen selbst gemanagten Hotels in Deutschland dem Hotelverband Deutschland (IHA) beigetreten. In Deutschland umfasst das Portfolio über 120 Häuser.

Wer beruflich viel unterwegs ist, hat in der Regel auch höhere Kosten für die Verpflegung vor Ort. Der Gesetzgeber berücksichtigt diesen Aufwand finanziell. Ab sofort gelten neue Sätze für die Verpflegungspauschalen im Ausland.

Am 6. Dezember 1949 wurde in Frankfurt am Main der DEHOGA gegründet. Zum 75. Geburtstag ist nun ein Magazin erschienen, das die Geschichte des Verbandes, seine Aufgaben, Ziele und wichtigsten Erfolge sowie die Perspektiven der Branche in den Mittelpunkt rückt.