Senkung der Mehrwertsteuer und Finanzhilfen: Koalition beschließt Milliarden-Konjunkturpaket

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Senkung der Mehrwertsteuer, Hilfen für Kommunen, Zuschüsse für Familien, und höhere Kaufprämien für Elektroautos. Die Spitzen der großen Koalition verständigten sich nach tagelangem zähen Ringen am späten Mittwochabend auf ein Konjunkturpaket für 2020 und 2021 im Umfang von 130 Milliarden Euro. 120 Milliarden entfallen dabei auf den Bund, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Anschluss sagte. Damit sollen Wirtschaft und Konsum der Bürger wieder angekurbelt und eine schwere Rezession infolge der Corona-Pandemie abgewendet werden. (Hier alle Beschlüsse im Original)

Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise - etwa durch Sonderkredit-Programme über die Staatsbank KfW - reichen diese Konjunkturhilfen nun zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus. 60 bis 70 Vorschläge lagen zu Beginn auf dem Tisch. Entschieden werden sollte über ein Gesamtpaket. Klar war, dass nicht alle Wünsche finanzierbar sein würden, zumal die Steuereinnahmen wegen der Corona-Krise sinken. Zur Deckung der Ausgaben muss der Bund neue Schulden aufnehmen.

Nachdem sie bereits am Dienstag neun Stunden verhandelten, saßen die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Mittwoch erneut rund zwölf Stunden zusammen. Die Koalitionäre zogen sich mehrmals zu separaten Beratungen zurück. Merkel sprach von einem guten Ergebnis. Es gehe darum, die schwerste wirtschaftliche Krise in den Griff zu bekommen. Dies zeige sich an den mehr als sieben Millionen Kurzarbeitern. Das alles brauche eine mutige Antwort.

Die Kernpunkte der Einigung:

Ein zentraler Punkt des Paketes ist nach den Worten des CSU-Vorsitzenden Markus Söder eine Senkung der Mehrwertsteuer. Vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und für den ermäßigten Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.

Um eine Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern, werden die Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 Prozent stabilisiert.

Als steuerlicher Investitionsanreiz wird eine degressive Abschreibung für Abnutzung (AfA) mit dem Faktor 2,5 gegenüber der derzeit geltenden AfA und maximal 25 Prozent pro Jahr für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in den Steuerjahren 2020 und 2021 eingeführt.

Auch bei den Stromkosten sollen die Bürger und Unternehmen entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden, wie aus dem Beschlusspapier hervorgeht. Um für mehr Verlässlichkeit bei den staatlichen Strompreisbestandteilen zu sorgen, wird ab 2021 zusätzlich zu diesen Einnahmen aus dem BEHG ein weiterer Zuschuss aus Haushaltsmitteln des Bundes zur schrittweisen verlässlichen Senkung der EEG-Umlage geleistet, sodass diese im Jahr 2021 bei 6,5 ct/kwh, im Jahr 2022 bei 6,0 ct/kwh liegen wird.

Die Koalitionsspitzen einigten sich auch auf eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen, die von der Corona-Krise besonders belastet sind. Geplant sind «Überbrückungshilfen» im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.

[Laut einer Information des DEHOGA Bayern werde Überbrückungshilfe für die Monate Juni bis August gewährt. Die Überbrückungshilfe gelte branchenübergreifend, wobei den Besonderheiten der besonders betroffenen Branchen wie Hotel- und Gaststättengewerbe, Caterer, Kneipen, Clubs und Bars Rechnung getragen werde.

Antragsberechtigt seien Unternehmen, deren Umsätze Corona-bedingt in April und Mai 2020 um mindestens 60 Prozent gegenüber April und Mai 2019 rückgängig gewesen sind und deren Umsatzrückgänge in den Monaten Juni bis August 2020 um mindestens 50 Prozent fortdauern. Bei Unternehmen, die nach April 2019 gegründet worden seien, sind die Monate November und Dezember 2019 heranzuziehen. Erstattet würden bis zu 50 Prozent der fixen Betriebskosten bei einem Umsatzrückgang von mindestens 50 Prozent gegenüber Vorjahresmonat. Bei einem Umsatzrückgang von mehr als 70 Prozent könnten bis zu 80 Prozent der fixen Betriebskosten erstattet werden. Der maximale Erstattungsbetrag betrage 150.000 Euro für drei Monate.Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten könne der Erstattungsbetrag 9.000 Euro, bei Unternehmen bis 10 Beschäftigten 15.000 Euro nur in begründeten Ausnahmefällen übersteigen. Geltend gemachte Umsatzrückgänge und fixe Betriebskosten seien durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in geeigneter Weise zu prüfen und zu bestätigen. Überzahlungen seien zu erstatten. Die Antragsfristen würden jeweils spätestens am 31.8.2020 und die Auszahlungsfristen am 30.11.2020 enden.]

Kleine und mittelständische Unternehmen, die ihr Ausbildungsplatzangebot 2020 im Vergleich zu den drei Vorjahren nicht verringern, erhalten für jeden neu geschlossenen Ausbildungsvertrag eine einmalige Prämie in Höhe von 2.000 Euro.

Familien bekommen Geld vom Staat. Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auf einen Kinderbonus von einmalig 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll.

Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen vom Bund. Damit sollen Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden.

Die große Koalition entschied sich indessen gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos. Die Spitzen von Union und SPD beschlossen allerdings deutlich höhere Prämien für Elektroautos.

Die Deutsche Bahn soll vom Bund wegen Einnahmeausfällen in der Corona-Krise milliardenschwere Finanzhilfen bekommen. Demnach will der Bund der Deutschen Bahn weiteres Eigenkapital in Höhe von fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV).

Merkel und Söder halten Milliarden-Investitionen für alternativlos

Infolge der Corona-Krise ist das milliardenschwere Konjunkturpaket des Bundes nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) alternativlos. Sie glaube, dass jetzt investiert werden müsse, da «wir gerade den nächsten Generationen Zukunft ermöglichen wollen», sagte sie am Mittwochabend nach dem Verhandlungsmarathon im Koalitionsausschuss in Berlin. Die Zukunft werde dadurch zwar nicht leicht. «Aber das Programm läuft nicht aus dem Ruder», da die richtige Balance gefunden werden konnte. Derzeit zeige sich etwa an der Zahl von sieben Millionen Menschen in Kurzarbeit, wie fragil die Situation sei.

CSU-Chef Markus Söder bezeichnete das Paket als Ergebnis, dass von SPD und Union im Bewusstsein erstellt worden sei, «dass wir ein Ergebnis brauchen». Es gehe dabei nicht um eine politische Taktik für das kommende Jahr, in dem die Bundestagswahl ansteht. «Wir müssen den Menschen Perspektiven bieten», sagte er. Was im nächsten Jahr sei, «ist völlig ohne Belang». Der Koalition gehe es darum, das beste für das Land zu erreichen, es sei für alle Seiten profitabel. Das Ergebnis sei nicht kleinteilig, überfordere das Land nicht und sei auch nicht tollkühn.

Scholz: Verbraucher sollen niedrige Mehrwertsteuer spüren

Die Verbraucher sollen die von der großen Koalition beschlossene Mehrwertsteuer-Senkung in den kommenden Monaten auch im Portemonnaie spüren. Er erwarte, dass die Wirtschaft sie nicht zu ihrem Vorteil nutze, sondern an die Bürger weitergebe, sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend nach dem Koalitionsausschuss in Berlin.

Das beschlossene Konjunkturpaket werde Deutschland helfen, «mit Wumms aus der Corona-Krise» zu kommen. Für die SPD seien neben der Steuersenkung besonders der Zuschuss für Familien und die Entlastung der Kommunen wichtig gewesen. Familien sollen pro Kind einmalig 300 Euro über das Kindergeld ausgezahlt bekommen. Das sei eine wichtige «Sache der Gerechtigkeit», diene aber auch der Unterstützung der Konjunktur.


 

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