WHO will mit Mindestpreisen für Alkohol starke Trinker schützen

| Politik Politik

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht sich für Mindestpreise für alkoholische Getränke in Europa stark. Die WHO-Region Europa sei diejenige mit dem höchsten Anteil an durch Alkoholkonsum verursachten Todesfällen weltweit - etwa 12 Prozent bei Männern und 8 Prozent bei Frauen, erklärt das in Kopenhagen sitzende Regionalbüro der Organisation in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Der übermäßige Konsum führe zu erhöhten Gesundheitsausgaben sowie indirekten Kosten durch Einkommens- und Produktivitätsverluste.

Mindestpreise für Alkohol und eine gezielte Besteuerung gehörten zu den wirksamsten und kostengünstigsten Maßnahmen, um den Alkoholkonsum und seine gesundheitsschädlichen Folgen zu reduzieren, betonen die Experten in ihrem Bericht. Dennoch werde von einer Mindestbepreisung in Europa und der Welt noch immer viel zu wenig Gebrauch gemacht. Dabei könne ein Mindestpreis vor allem den Zugang zu billigem Alkohol beschränken, der besonders mit starkem Alkoholkonsum verbunden werde.

Der WHO-Bericht trägt den Titel «Kein Platz für billigen Alkohol: Der potenzielle Wert von Mindestpreisen zum Schutz von Menschenleben». Darin lässt die Organisation keinen Zweifel daran, dass sie eine Mindestbepreisung und Besteuerung von Alkohol für äußerst effektiv im Kampf gegen Alkoholismus und seine Folgen für die Gesundheit hält. Besonders einen Mindeststückpreis (minimum unit price, MUP), bei dem ein Niveau festgelegt wird, unter dem eine bestimmte Menge Alkohol nicht verkauft werden darf, hält die WHO für sinnvoll.

Da diese Maßnahme an den Alkoholgehalt eines Getränks gekoppelt ist, wird der Preis für stärkere Spirituosen immer höher liegen als bei alkoholärmeren Getränken. Damit handle es sich um den wirksamsten Ansatz gegen billige, hochprozentige Getränke, die am stärksten mit größeren Alkoholschäden in Verbindung gebracht würden, erklärte die WHO. Dies sei besonders wichtig zum Schutz von stärkeren Trinkern, vor allem denjenigen aus einkommensschwachen Schichten.

«Mindestpreise stellen einen wirksamen Ansatz dar, um Alkoholkonsum und -schäden zu reduzieren», sagte der am Bericht beteiligte Wissenschaftler Colin Angus von der Universität Sheffield. Ihr Hauptvorteil liege darin, dass sie auf billige, hochprozentige Produkte abzielten und somit gerade stärkere Trinker schützen könnten.

Die WHO zählt 53 Länder zur Region Europa, darunter neben der EU auch weite Teile Osteuropas und Zentralasiens. Nur in elf der Staaten gebe es in irgendeiner Form einen Mindestpreis auf bestimmte alkoholische Getränke, die meisten davon auf Wodka und andere hochprozentige Spirituosen - Deutschland zählt nicht dazu, aus der EU nur Irland und die Slowakei. Durchschnittlich lag der Mindestpreis in diesen elf Staaten 2020 bei 2 bis 5 Dollar pro Liter Bier, bei 5 bis 12,50 Dollar pro Liter Wein und 12,50 bis 40 Dollar pro Liter Wodka.

Die Mindestbepreisung von Alkohol ist den WHO-Experten zufolge eine Maßnahme, die gemeinsam mit anderen Instrumenten wie Alkoholsteuern ihre bestmögliche Wirkung entfalten könnte. «Es ist keine Wunderwaffe, sondern ein weiteres wirksames Werkzeug im Arsenal der politischen Entscheidungsträger, um alkoholbedingte Schäden anzugehen», sagte Angus.

In allen Ländern Europas gibt es dem Bericht zufolge irgendeine Form von Alkoholsteuer. Doch oft werde sie nicht so umgesetzt, dass sie wahrscheinlich zur Gesundheit der Bevölkerung beitrage. Die Mehrheit der Länder passten die Alkoholsteuern zudem nicht an die Inflation an - das bedeutet laut WHO letztlich, dass der Alkohol mit der Zeit billiger wird. Deutschland justiert den Steuersatz für Bier, Wein, Spirituosen und andere alkoholische Getränke laut WHO-Auflistung dagegen regelmäßig, um mit der Inflation und Lohnerhöhungen Schritt zu halten - anders als etwa die deutschen Nachbarstaaten Dänemark, Polen, Schweiz und Niederlande.

Alkohol ist nach WHO-Angaben weltweit für schätzungsweise drei Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, fast eine Million davon in der WHO-Region Europa. Anders formuliert: In Europa sterben jeden Tag rund 2500 Menschen aufgrund von Alkoholkonsum. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern hat die Ausweitung der Steuer von Privat- auf Geschäftsreisende in Schwerin als Abzocke kritisiert. Die Bettensteuer – wie auch die Tourismusabgaben – würden Verbraucher und Betriebe durch höhere Preise und Bürokratie belasten.

Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse von Geflüchteten aus der Ukraine gelten bis zum 4. März 2025. Darüber informierte das Bundesinnenministerium den DEHOGA Bundesverband und andere Wirtschaftsverbände.

Tübingen ist vorgeprescht: Kaffeebecher und andere Einwegverpackungen werden in der Uni-Stadt besteuert. Andere Kommunen wollen jetzt nachziehen. Doch es gibt noch ein rechtliches Problem. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.