Wirtschaft auf Talfahrt - wann fließen die Corona-Nothilfen?

| Politik Politik

Im Kampf gegen eine drohende Pleitewelle in der Corona-Krise sollen Nothilfen für Unternehmen bald ankommen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Dienstag in Berlin, es werde fieberhaft daran gearbeitet, dass erste Kredite und Zuschüsse noch in dieser Woche ausgezahlt werden könnten, zumindest in einigen Ländern.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wenn es nicht gelingt, dass die Gelder und Zuschüsse noch vor Ablauf des März bei den Betrieben ankommen, droht das Hilfsunterfangen der Bundesregierung zu scheitern.» Für viele Betriebe sei es inzwischen eine Frage von Tagen, ob sie es schaffen, zu überleben oder ob sie pleitegehen.

Deshalb müssen nach Ansicht der Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges schnell und unbürokratisch Hilfen fließen. «Selbst gut aufgestellte Firmen sagen, dass sie das vielleicht zwei Monate durchhalten, länger nicht», sagte sie der dpa. Die meisten Betriebe hätten so gut wie keine Reserven.

Das Bundeskabinett hatte am Montag ein riesiges Hilfspaket für die Wirtschaft zur Bewältigung der Corona-Krise auf den Weg gebracht. Am Mittwoch soll es der Bundestag beschließen, am Freitag der Bundesrat zustimmen. Dabei geht es zum einen um Notkredite, zum anderen um direkte Zuschüsse.

SCHNELLE NOTHILFEN:

Schon in der nächsten Woche stehen bei vielen Unternehmen die Lohnzahlungen an, für die liquide Mittel gebraucht werden, wie Wollseifer sagte. Außerdem müssen weitere laufende Kosten wie Mieten bezahlt werden. Ein Kreditprogramm für Unternehmen über die staatliche Förderbank KfW soll Liquidität sichern helfen. Eine Schlüsselrolle spielen die Hausbanken. Die KfW haftet mit bis zu 90 Prozent bei Betriebsmitteln und Investitionen.

Wollseifer betonte, für die betroffenen Betriebe zähle nicht, was auf dem Papier versprochen oder in Aussicht gestellt werde, sondern was konkret bei ihnen ankomme. «Das muss deutlich schneller und unbürokratischer ablaufen als zurzeit», sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Ein entscheidender «Flaschenhals» seien in diesen Tagen die Hausbanken. Antragsverfahren müssten deutlich verschlankt und vereinfacht werden.

BANKEN VOR ANTRAGSFLUT:

Banken und Sparkassen rechnen mit einer Flut von Kreditanträgen. Der Sprecher der Deutschen Bank, Jörg Eigendorf, schrieb auf Twitter, die Bank habe bereits am ersten Tag 5300 Anfragen für eine KfW-Finanzierung erhalten. Dies sei eine große Herausforderung. «Aber wir werden alles tun, um unserem Versprechen gerecht zu werden, Teil der Lösung zu sein.»

Ein Sprecher der Commerzbank sagte, die Bank habe bereits jetzt Finanzierungsanfragen von Firmen- und Unternehmerkunden im hohen vierstelligen Bereich erhalten. Gut ein Drittel dieser Anfragen erfülle die Kriterien des KfW-Programms. Die Bank arbeite mit Hochdruck daran, die Vielzahl von Anträgen zeitnah zu prüfen und habe bereits erste Anträge positiv genehmigt. Diese würden in dieser Woche an die KfW sowie andere Förderinstitute weitergeleitet.

AUFSCHUB FÜR ARBEITGEBER BEI SOZIALBEITRÄGEN

Die Arbeitgeber müssen in einer finanziellen Notlage wegen der Corona-Krise zunächst keine Sozialversicherungsbeiträge abführen. Auf Antrag des Arbeitgebers können die Beiträge stattdessen bis Mai gestundet werden, erfuhr die dpa aus Kreisen der Sozialversicherungsträger. Die Beiträge für Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung sind eigentlich an diesem Freitag fällig. Es handelt sich um insgesamt rund 40 Milliarden Euro.

DEUTSCHLAND VOR REZESSION - UND DANACH?

Viele Geschäfte und Restaurants mussten im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus dicht machen, in Fabriken wird nicht mehr produziert: Durch die Folgen der Corona-Krise wird Deutschland in eine Rezession stürzen - die Frage ist nur, wie schlimm es wird. Und wie es danach weiter geht.

Altmaier sagte, die Perspektive eines neuen Aufschwungs nach der Corona-Krise dürfe nicht aus den Augen verloren werden. Es gehe darum, Wachstumskräfte zu entfalten - wenn die Zahl der Infektionen zurückgehe, Einschränkungen im öffentlichen Leben zurückgefahren werden und Unternehmen wieder normal produzieren könnten.

Konkreter wurde Altmaier nicht. Er macht sich aber seit langem für eine Reform der Unternehmensteuern stark. Um die Konjunktur wieder anzukurbeln, sind in der Debatte außerdem ein Vorziehen der Soli-Teilabschaffung, eine Senkung der Mehrwertsteuer und mehr öffentliche Investitionen - aber auch unkonventionelle Maßnahmen wie Konsumschecks für die Verbraucher.

EU-INSTRUMENTE GEGEN KRISE:

Auch die EU will sich mit aller Macht gegen die wirtschaftlichen Corona-Folgen stemmen. Die Finanzminister der Eurozone und der übrigen EU-Staaten fanden aber am Dienstagabend noch keinen Konsens über neue Instrumente. Eurogruppenchef Mario Centeno bekräftigte nach einer Schaltkonferenz, dass vorsorgliche Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM zur Debatte stehen. Es gehe um eine Größenordnung von zwei Prozent der Wirtschaftskraft des jeweiligen Mitgliedsstaats. Aber: «Die Diskussion hat erst begonnen, es bleibt noch Arbeit zu tun.»

ESM-Chef Klaus Regling sagte, solche vorsorgliche Kreditlinien seien in der Krise ein geeignetes Mittel. Der Eurorettungsschirm hat nach Reglings Angaben noch 410 Milliarden Euro an Kreditlinien zur Verfügung. Vorsorgliche Kreditlinien stünden allen Eurostaaten offen, sie müssten sie aber nicht ziehen, sagte Regling. Würden die Kredite genutzt, könne das Geld direkt in den Kampf gegen die Gesundheits- und Wirtschaftskrise gesteckt werden.

Neben milliardenschweren Hilfspaketen der einzelnen EU-Staaten wurden bereits mehrere Hebel auf europäischer Ebene gegen die erwartete Wirtschaftskrise gezogen - etwa die Aussetzung der europäischen Schulden- und Defizitregeln. Zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen durch die Pandemie sind auch sogenannte Corona-Bonds im Gespräch. Die sind aber im Kreis der EU-Staaten nicht konsensfähig.

Auch Altmaier lehnte solche gemeinsame Anleihen ab und warnte vor einer «Geister- und Gespensterdebatte». Centeno schloss dennoch nicht aus, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut diskutiert werden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Mehrwertsteuererhöhung von sieben auf 19 Prozent auf Speisen wird gravierende Folgen für die Gastgeber haben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes: 62,7 Prozent der befragten Unternehmer geben an, dass sie die Steueranhebung auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 wirtschaftlich hart treffen wird. Neun von zehn Unternehmen planen Preissteigerungen.

Mobilität und Digitalisierung standen inhaltlich im Mittelpunkt des Parlamentarischen Abends der Tourismuswirtschaft: Die notwendigen Investitionen in die digitale und Verkehrsinfrastruktur müssten genauso wie in die Erforschung und Produktion von E-Fuels sichergestellt werden.

Paris mobilisiert vor den Olympischen Spielen im kommenden Sommer gegen Betrug und Abzocke in Hotels, Restaurants und Cafés. Dazu sollen 10.000 Betriebe überprüft werden, kündigte das Wirtschaftsministerium in Paris an.

Der Bundeshaushalt 2024 wird, aller Voraussicht nach, nicht mehr in diesem Jahr vom Parlament beschlossen. Damit laufen die sieben Prozent Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie automatisch aus. Alle Präsidenten der DEHOGA-Landesverbände und des Bundes richten in einem Offenen Brief einen Appell an Olaf Scholz, an der einheitlichen Besteuerung von Essen mit sieben Prozent festzuhalten.

Patientinnen und Patienten können sich unter bestimmten Voraussetzungen künftig telefonisch von ihrer Arztpraxis krankschreiben lassen. Die Regelung gilt ab sofort, wie der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken mitteilte.

Nährwerte und Zusatzstoffe müssen vom 8. Dezember an auch auf Wein- und Sektflaschen zu finden sein - allerdings noch nicht sofort auf allen, wie es Winzer und Sekthersteller befürchtet hatten. In der EU-Verordnung gibt es eine Übergangsvorschrift.

Acht bis zehn Prozent mehr Geld empfiehlt die NGG ihren Tarifkommissionen als Forderung für die kommenden Tarifverhandlungen. Für die Beschäftigten im Gastgewerbe soll zudem ein monatlicher Lohn von mindestens 3.000 Euro anvisiert werden.

Die EU-Länder dürfen während einer Pandemie Reiseverbote in Hochrisikogebiete verhängen - ein solches Verbot müsse jedoch begründet sein und klare Vorschriften enthalten. Das teilten die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit.

Größere Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten sind bereits seit dem Sommer verpflichtet, interne Meldestellen für sog. „Whistleblower“ einzurichten und zu betreiben. Ab dem 1. Dezember stellt ein Verstoß gegen diese Pflicht eine Ordnungswidrigkeit dar, die ein Bußgeld bis zu 20.000 Euro nach sich ziehen kann.

Der DEHOGA Bundesverband hielt zu Beginn der Woche seine Delegiertenversammlung in Berlin ab. Neben vielen weiteren Politkern sprach sich auch die Berliner Senatorin Franziska Giffey deutlich für den Erhalt der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie aus und kündigte weitere Aktivitäten im Bundesrat an.