Besucheransturm in den Mittelgebirgen – Winterberg wird es zu viel

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Verkehrte Corona-Welt: Wintersportorte bitten schneehungrige Tagesgäste nicht zu kommen. Chaos herrschte auch auf Straßen und Parkplätzen in Mittelgebirgen wie dem Sauerland, dem Harz oder auf der Schwäbischen Alb. Ausflügler torpedieren Corona-Regeln.

Der beliebte Wintersportort Winterberg im Sauerland ist am Montag erneut von schneehungrigen Tagesgästen überrannt worden. Die Stadtverwaltung bat am frühen Nachmittag dringend darum, die Fahrt dorthin gegebenenfalls noch abzubrechen: «Auch heute bleibt uns nur die Bitte an alle, die sich gerade auf den Weg machen oder schon auf dem Weg zu uns sind, von der Anreise abzusehen.» Alle Parkkapazitäten seien erschöpft, die Straßen seien verstopft.

Auch die Polizei appellierte indirekt an Autofahrer, nicht mehr dorthin zu fahren. «Die Straßen rund um Winterberg sind überfüllt. Es kommt zu erheblichen Staus und sehr langen Wartezeiten», twitterte die zuständige Kreispolizeibehörde. «Rechtlich dürfen Sie die Skigebiete besuchen. Ob es richtig und sinnvoll ist in der jetzigen Zeit, müssen Sie selber entscheiden», hieß es weiter.

Bereits am Sonntagnachmittag hatte die Stadt anreisende Ausflügler wegen voll belegter Parkplätze und langen Staus gebeten umzukehren. Die Stadt schätzte die Staulänge rund um Winterberg nach Angaben von Stadtsprecherin Rabea Kappen am Sonntag auf insgesamt 45 Kilometer. «So viele Tagesausflügler hatten wir in den letzten 20 Jahren nicht - wahrscheinlich noch nie», sagte Kappen.

Die Rodellifte und Skilifte seien geschlossen, teilte die Stadt am Montag auf ihrer Internetseite weiter mit. «Das Rodeln an den Liften ist nicht erlaubt, auch wenn es viele tun.» Hütten und Toiletten seien ebenfalls geschlossen. «Es gibt keine Einkehr- oder Aufwärmmöglichkeiten.» Der Infotext schloss mit den Worten: «Tu Dir den Stress nicht an!» Viele Ausflügler hatten sich da längst auf den Weg gemacht: Der WDR-Verkehrsfunk meldete am Nachmittag auf der Bundesstraße 480 zwischen Olsberg und Winterberg zeitweise acht Kilometer Stau.

Auch der Bürgermeister der 13 000-Einwohner-Stadt, Michael Beckmann (CDU) hatte nach eigenen Angaben am Sonntag in Winterberg so viel Verkehr wie noch nie erlebt. Viele seien zum Schlittenfahren ins Sauerland gekommen, sagte Beckmann in einem Sonntagabend veröffentlichten Video auf seiner Facebookseite. Die Coronaschutzverordnung verbiete das nicht. Teams des Ordnungsamtes seien in der ganzen Stadt im Einsatz gewesen. «Wenn wir Verstöße gegen die Coronaschutz-Verordnung gesehen haben, sind wir auch eingeschritten.» Über den Post hatte zuvor die «Bild»-Zeitung berichtet.

Die Wintersport-Arena Sauerland/Siegerland-Wittgenstein appellierte an die Ausflügler, nicht ohne Winterreifen anzureisen und keinen Müll in der Landschaft liegen zu lassen. «Bitte haltet euch an die Hygieneregeln», hieß es in einem Tweet. Die Skigebiete mit allen Liften seien weiterhin geschlossen, betonte Arena-Sprecherin Susanne Schulten. Auch die Gastronomie mitsamt Toiletten habe nicht geöffnet. Schulten geht davon aus, dass sich die Situation erst beruhigen wird, «wenn die Ferien zu Ende sind und die konstant winterliche Lage».

Ein dpa-Reporter in Winterberg bestätigte am Montag Parkplatznot und Verkehrsstau. «Hier ist es total voll», sagte er. Er berichtete von zahlreichen Familien, die mit Kindern und Schlitten in der Winterlandschaft unterwegs seien. Auf einem Parkplatz habe eine Familie ein Picknick gemacht.

Nicht nur in Winterberg war viel los. Die Stadt Sundern bat die Polizei am Nachmittag, auf die Sperrung des etwa 40 Kilometer von Winterberg entfernten Ski-Gebiets Wilde Wiese durch die Ordnungsbehörde hinzuweisen. «Die Anfahrt ist nicht mehr möglich. Der Verkehr fließt nur noch ab», schrieb die Polizei. Für nähere Auskünfte war die Stadt Sundern zunächst nicht zu erreichen.

Bei der Stadt Winterberg liefen am Montag Beratungen, wie man in den kommenden Tagen mit erneutem Andrang umgehen will. Am Dienstag wolle man ein Maßnahmenkonzept veröffentlichen, sagte die Stadtsprecherin.

Die Wetteraussichten lassen unterdessen vermuten, dass auch in den kommenden Tagen wieder Besucher in die Region fahren könnten, um im Schnee zu spazieren oder Schlitten zu fahren. Der Deutsche Wetterdienst hält am Dienstag oberhalb von 400 Metern ein bis fünf Zentimeter Neuschnee für möglich. Im Flachland fällt dagegen vor allem schauerartiger Regen oder Schneeregen. Ein DWD-Meteorologe warnte vor Straßenglätte. Die Temperaturen steigen auf zwei bis fünf Grad, im Bergland höchstens auf zwei Grad. Auch Dauerfrost ist dort möglich. Ähnliches Wetter erwarten die Experten für Mittwoch und Donnerstag.

Chaos im Harz - Polizei rät von Tagesausflügen ab

Die Polizei im Harz rät wegen überfüllter Parkplätze und Staus dringend von Besuchen im Mittelgebirge ab. Dort herrsche derzeit Chaos, sagte ein Polizeisprecher am Montag. Im beliebten Zielort Torfhaus gehe es weder vor noch zurück. Über den Kurznachrichtendienst Twitter informierten die Beamten darüber, dass die Parkplätze völlig ausgelastet seien und es keine Kapazität mehr gebe. Auf der Bundesstraße 4 von Bad Harzburg Richtung Torfhaus kam es am Montagnachmittag zu einem kilometerlangen Stau.

Schon am Wochenende hatte die Polizei bei Facebook über eine angespannte Situation im Harz berichtet. Dazu kommen nun noch mögliche Sturmschäden. Die Gefahr für Wanderwege lasse sich derzeit noch nicht vollständig einschätzen, sagte der Polizeisprecher.

Winter-Ausflügler torpedieren Corona-Regeln - Appell vom Ministerium

Trotz teils chaotischer Zustände durch unzählige Tagesausflügler rund um Weihnachten vor allem im Schwarzwald und auf der Alb belässt die Regierung es bei den geltenden Maßnahmen. «Eine Verschärfung der Corona-Verordnung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt speziell für das anstehende lange (Feiertags)wochenende nicht geplant», teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Stuttgart am Montag mit. «Wir appellieren an die Menschen, auf Tagesausflüge zu verzichten und die bestehenden Regeln nicht auszureizen.»

Er wies darauf hin, dass die Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen für private Treffen lediglich über die Weihnachtsfeiertage galten. Seither - und somit auch an Silvester, Neujahr sowie dem folgenden Wochenende - sind tagsüber Sport und Bewegung an der frischen Luft ausschließlich alleine, mit Angehörigen des eigenen Haushalts oder mit einer weiteren, nicht im selben Haushalt lebenden Person erlaubt.

Über die Weihnachtsfeiertage hatte es mancherorts Verkehrschaos gegeben, auch Rettungskräfte wurden behindert. Zudem registrierte die Polizei zig Verstöße gegen die Corona-Verordnung wie Mindestabstände.

Allein in die Gemeinde Dobel (Kreis Calw) strömten Hunderte Menschen für Schlittenfahrten und Wanderungen. Die Parkplätze waren überfüllt, es bildeten sich Staus. Mehr als 180 Falschparker bekamen nach Polizeiangaben ein Verwarnungsgeld. Die Zufahrten wurden zwischenzeitlich für Nicht-Einheimische gesperrt.

Etwa 80 Prozent der Abgewiesenen reagierten laut Dobels Bürgermeister Christoph Schaack verständnisvoll. «Bei den anderen 20 Prozent ist die Aggressivität aber leider sehr hoch.» Ein Autofahrer sei einem Helfer der freiwilligen Feuerwehr sogar über den Fuß und dann einfach weggefahren, schilderte Schaack. Das werde Konsequenzen haben.

Ausschlaggebend für den Ansturm waren nach seiner Einschätzung die vier bis fünf Sonnenstunden am Sonntag, die nicht angekündigt gewesen seien. Aber über Webcams könnten die Menschen im Umland die Lage gut verfolgen und seien dann mit dem Auto schnell da.

Inzwischen sei viel Schnee weggetaut und es sei eher matschig. Abhängig vom Wetterverlauf wolle er künftig frühzeitig Zufahrten sperren lassen, sagte Schaack der Deutschen Presse-Agentur. In den nächsten Tagen würden die Parkplätze daher regelmäßig kontrolliert, um rechtzeitig Polizei und freiwillige Feuerwehr zu mobilisieren.

Die Prognosen klingen bislang durchaus winterwetter-ausflugstauglich. Skilifte stehen wegen der Maßnahmen gegen die Pandemie aber still.

Am beliebten Ausflugsziel Mummelsee herrschten ebenfalls «chaotische Zustände» beim Parken, wie ein Sprecher der Offenburger Polizei sagte. Allein am Sonntagnachmittag seien hier knapp 200 Verstöße geahndet worden - etwa wegen Parkens im absoluten Halteverbot. Entlang der Schwarzwaldhochstraße (B500) hätten so viele Autos gestanden, dass Polizei und Rettungskräfte kaum durchgekommen seien.

Mittels Lautsprecherdurchsagen seien die Ausflügler dazu aufgefordert worden, die Corona-Abstandsregeln einzuhalten. Aufgrund der schieren Masse an Menschen sei eine durchgehende Ahndung von Verstößen aber nicht möglich gewesen. Für das verlängerte Neujahrswochenende seien von Seiten der Polizei zunächst aber keine Maßnahmen geplant, um einen möglichen erneuten Besucheransturm einzudämmen.

Auch am Kandel nahe Freiburg gab es laut Polizei am Wochenende wieder Chaos. Am Samstag sei der Parkplatz überfüllt gewesen, zahlreiche Parkverstöße wurden angezeigt. Auch hier riefen Beamte per Lautsprecher dazu auf, den Mindestabstand einzuhalten. Man habe «den Berg beschallt», sagte ein Sprecher. Ab 12.00 Uhr wurde an beiden Wochenendtagen die Zufahrt zum Kandel zumindest teilweise gesperrt. Konkrete Planungen, um ähnliche Szenen am kommenden Wochenende zu verhindern, gab es laut einem Polizeisprecher aber auch hier zunächst nicht.

Auf der Albhochfläche im Landkreis Reutlingen herrschte Sonntag ebenfalls reger Ausflugsverkehr. Wanderparkplätze waren proppenvoll, überwiegend Fahrzeuge aus anderen Landkreisen parkten laut Polizei auch die landwirtschaftlichen Wege und angrenzenden Grünflächen zu. «Teilweise bestehende Durchfahrtsverbote wurden ignoriert, Warnbaken umfahren», hieß es im Polizeibericht. In Sonnenbühl staute sich der Verkehr auf der Zufahrt zum Skigebiet Roßberg.

Das hatte auch Folgen für den Rettungsdienst, der zu einer Frau wollte, mit der zwei Kinder auf einem Schlitten kollidiert waren. Die 52-Jährige war den Angaben zufolge nach dem Zusammenstoß vorübergehend nicht mehr ansprechbar und musste ins Krankenhaus. Doch nur mit Hilfe der Polizei habe der Rettungsdienst durchfahren können. (dpa)


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