Brücke zum Überleben - Tui vor Staatseinstieg und Kapitalerhöhung?

| Tourismus Tourismus

Der Weg für einen Einstieg des Staates bei Tui dürfte bald frei sein - ob die Hilfen ausreichen, den weltgrößten Reisekonzern über die Corona-Durststrecke im Winter zu retten, ist aber noch nicht ausgemacht. Besitzer einer Anleihe haben zugestimmt, dass sich das Unternehmen stärker verschulden darf. In Kürze erwarten Beobachter nun eine öffentliche Beteiligung an dem Touristikanbieter, ähnlich wie dies wegen des Nachfrageeinbruchs schon bei der Lufthansa umgesetzt wurde. Der finanzielle Druck auf Tui bliebe aber auch so wohl beträchtlich. Zudem wird weiter eine Kapitalerhöhung diskutiert - der dafür optimale Zeitpunkt wäre jedoch schwierig zu treffen.

Im August hatte Tui mitgeteilt, dass der Bund über die Förderbank KfW einen laufenden Kredit um 1,05 Milliarden Euro aufstocken will. Den Hannoveranern war im Frühjahr als erstem deutschen Großunternehmen bereits ein Krisendarlehen über 1,8 Milliarden Euro zugesprochen worden. Hinzu kommen könnten jetzt überdies weitere 150 Millionen Euro aus einer Wandelanleihe, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung zeichnen soll. Solche Papiere kann der Besitzer unter bestimmten Bedingungen in Aktien umtauschen - so wäre eine Miteigentümerschaft des Bundes von neun Prozent an Tui möglich.

Voraussetzung für die komplizierte Konstruktion war, dass die Inhaber einer weiteren Anleihe bis Ende September ihr Einverständnis zu einer erhöhten Schuldenaufnahme durch Tui geben. Die liegt inzwischen vor. Andererseits ist die tatsächliche Ausgabe der geplanten Wandelanleihe durch Tui Bedingung für die neue Hilfstranche. Das Bundeswirtschaftsministerium gab als Ziel aus, dass man damit vor allem den Beschäftigten eine Perspektive geben wolle. Die Tui-Gruppe hatte angekündigt, infolge des hohen Spardrucks in der Pandemie bis zu 8000 Jobs zu streichen.

Der Konzern erklärte, man sei «auf einem guten Weg», das zusätzliche Stabilisierungspaket aus Berlin umzusetzen: «Die Änderungen der Anleihebedingungen sollen im Laufe des Oktobers 2020 wirksam werden.» Auch mit Blick auf die neue Wandelanleihe «laufen die Vorbereitungen planmäßig». Sollte alles klappen wie erhofft, wäre das aus Sicht von Tui zumindest eine Absicherung der kommenden kritischen Monate: «Das Paket würde ausreichend Liquidität sichern, um den saisonalen Swing im Winter 20/21 abzudecken.» Heißt: So könnte man finanziell über die Runden kommen, selbst falls die Buchungen weiter absacken sollten.

Ausgeweitete Staatshilfen sehen viele Beschäftigte aber auch kritisch - jedenfalls, solange das Tui-Management parallel dazu am Umfang seines Sparkurses festhält. Vor allem bei der konzerneigenen Fluglinie Tuifly war die Wut zuletzt groß. Die Flotte soll in Deutschland in etwa halbiert werden, Hunderte Jobs stehen allein hier auf dem Spiel. Gewerkschafter betonten: Unternehmen dürften nicht auch noch mit Steuergeld dafür belohnt werden, dass sie Arbeitsplätze abbauen.

Experten weisen zudem darauf hin, dass auch die Hilfe nicht zum Nulltarif kommt. «Die Voraussetzungen sind nun eigentlich da», meint der Analyst Adrian Pehl von der Commerzbank. «Allerdings wäre ein Einstieg des Staates für Tui auch nicht ohne zusätzliche Kosten. Denn die Verzinsung der bestehenden, bis Oktober 2021 laufenden Anleihe musste erhöht werden.» Es habe letztlich aber wohl keine Alternative gegeben, damit der Konzern an die aufgestockte Unterstützung gelangt.

Und kommt die von manchen erwartete Kapitalerhöhung? Sie könnte das «schon recht geringe Eigenkapital» von Tui rasch aufbessern, glaubt Pehl. Ob jedoch alle Großaktionäre wie der russische Milliardär Alexej Mordaschow, der ägyptische Touristik-Unternehmer Hamed El Chiaty, die spanische Hotelgruppe Riu und weitere Investoren in naher Zukunft zustimmen würden, bleibt fraglich. «Aktuell wäre dies für das Unternehmen ein schwieriges Timing», meint Pehl. «In der derzeitigen Situation wäre der erzielbare Erlös wohl eher gering. Dass irgendwann eine Erhöhung des Grundkapitals nötig ist, dürfte aber klar sein.»

Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, sei schwer. «Es könnte ja auch sein, dass bald wieder gute Nachrichten kommen, etwa zu einem möglichen Corona-Impfstoff, so dass Hotels und Kreuzfahrtschiffe besser ausgelastet werden. Dann wäre Tui wieder mehr wert.» Vieles hänge wohl zunächst daran, wie gut der Start ins Jahr 2021 gelingt. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Von wegen Kiffen, Party machen und durch das Rotlichtviertel touren: Amsterdam ist die Belästigungen durch den Massentourismus satt. Ein Quiz klärt Touristen jetzt auf, was erlaubt ist und was nicht.

Sachsens Freizeitparks starten in die neue Saison. In Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) wurde gleich ein ganz neuer Park aus dem Boden gestampft. Dort öffnet die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Kette Karls am Sonnabend ein neues Erlebnis-Dorf.

Holidu hat das kostenlose Touristenangebot für die 30 beliebtesten Städtereiseziele in Europa ausgewertet. Das Ergebnis ist ein Ranking von Städten, die den Besucherinnen und Besuchern die größte Auswahl kostenloser Unterhaltung bieten.

Grüne Wiesen, Knospen an den Bäumen - mitten im Winter herrschte über Wochen frühlingshaftes Wetter. Der alpine Skitourismus in den Alpen, jahrzehntelang einträgliches Geschäft, ist im Wandel.

Laut des Cities & Trends Europe Report von BCD Travel waren Amsterdam und New York die von europäischen Geschäftsreisenden meistbesuchten Städte 2023. Die beliebtesten Länder waren Deutschland und die Vereinigten Staaten.

Winterstürme haben einige Nordseeinseln zum Teil stark getroffen: Mancherorts sind die Badestrände fast komplett weggespült. Was bedeuten die Schäden für die Urlaubssaison?

Auf Sylt könnte sich bald nur noch ein Bruchteil der gegenwärtigen Ferienwohnungen befinden. Der Grund: Etwa jede dritte Ferienwohnung werde laut Kreisbaurat illegal vermietet. Der stellvertretende Bürgermeister befürchtet bereits dramatische Auswirkungen für Sylter Hausbesitzer.

TUI Cruises lässt es mit dem neuen Event-Reiseformat MeerBeats krachen und bringt Die Fantastischen Vier als Headliner der Reise auf die Mein Schiff 7. Fünf Sterne deluxe, DJ Thomilla und die Flying Steps haben sich ebenfalls angekündigt.

Über 60 Prozent der Deutschen wollen diesen Frühling laut Umfrage verreisen. Was die Destination angeht, sind die Vorlieben sehr unterschiedlich. Asien und Südamerika liegen bei den Deutschen hoch im Kurs. Die tatsächlich gebuchten Reiseziele liegen dann jedoch meist näher.

Klassische Badeferien am Mittelmeer mit Flug und All-inclusive: Das ist ein Musterbeispiel für Pauschalurlaub. Doch die abgesicherte Reiseform verändert sich - beschleunigt durch neue Tools.