Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH im Hunsrück meldet Insolvenz an

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Nach jahrelangen Turbulenzen hat der einzige größere Flughafen in Rheinland-Pfalz trotz jüngster Zuwächse im Frachtgeschäft Insolvenz angemeldet. Die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH reichte den Antrag beim Amtsgericht Bad Kreuznach ein, wie Hahn-Betriebsleiter Christoph Goetzmann am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Laut Gericht haben dies auch vier weitere verbundene Gesellschaften getan: die JFH Jet Fuel Hahn GmbH, die HNA Airport Services GmbH, die HHN Airport Technology GmbH und die HHN Aviation Security GmbH. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte das Amtsgericht in allen Fällen den Sanierungs- und Insolvenzexperten Jan Markus Plathner aus dem Frankfurter Büro der bundesweit operierenden Anwaltskanzlei Kanzlei Brinkmann & Partner.

Plathner kündigte am Abend in einer ersten Stellungnahme an, er werde sich mit seinem Team vor Ort einen Überblick über die aktuelle Lage verschaffen und die Möglichkeiten für die Sanierung des Unternehmens ausloten. Löhne und Gehälter der Beschäftigten würden zunächst über eine Insolvenzgeldvorfinanzierung kurzfristig ausgezahlt. Der Betrieb des Flughafens laufe «in vollem Umfang» weiter, der Flugverkehr finde wie von den Fluggesellschaften geplant statt. Fluggäste, die spezielle Fragen haben, sollten sich direkt an ihre Fluggesellschaft wenden.

Der rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Jan Zimmer sprach von einem «Schock für die Mitarbeiter des Flughafens und die gesamte Region». Betriebsleiter Goetzmann sagte, vorerst starteten weiterhin Maschinen im Hunsrück. Mit Blick auf den Geschäftsbetrieb ergänzte er: «Ich kämpfe für die Fortführung.» Am Ruder sei nun aber Plathner. Das rheinland-pfälzische Innenministerium wies darauf hin, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht automatisch die Einstellung des operativen Betriebs bedeute, «vor allem dann nicht, wenn entsprechendes Geschäft vorhanden ist». Der vorläufige Insolvenzverwalter werde «die Situation der insolventen Gesellschaften zunächst prüfen und die Geschäfte des Unternehmens nach den insolvenzrechtlichen Regelungen führen». Zuvor hatte die «Wirtschaftswoche» darüber berichtet.

Der einstige US-Militär-Airport Frankfurt-Hahn, dessen Name der Mainmetropole in seiner Bezeichnung ein Marketing-Trick ist, gehört zu 82,5 Prozent dem chinesischen Großkonzern HNA. Dieser hatte die Anteile 2017 für rund 15 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz erworben. Die restlichen 17,5 Prozent hält Hessen. Zuletzt hatte die Festnahme der Führungsspitze der finanziell angeschlagenen HNA für Aufsehen gesorgt. Der Hunsrück-Flughafen betonte seinerzeit, dies habe keine Auswirkungen auf den Hahn. Er sei auf gutem Kurs, hieß es Anfang Oktober. Die Frankfurter Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler sagte dagegen am Dienstag: «Womöglich hat HNA den Airport Hahn zuletzt weniger unterstützt.» Sie erinnerte auch an die Krise um den hoch verschuldeten chinesischen Immobilienkonzern Evergrande, der den gesamten Finanz- und Immobilienmarkt im Reich der Mitte belastet.

Der Flughafen Hahn verbuchte zuletzt Zuwächse beim Frachtgeschäft, dabei profitierte der einstige US-Militärflughafen unter anderem vom Boom des Online-Handels und von Container-Engpässen im Seegeschäft. Beim Passagiergeschäft musste der Hahn dagegen immer wieder Rückgänge hinnehmen, auch schon vor den Corona-Reisebeschränkungen 2020. Einst zählte der Regionalflughafen jährlich bis zu vier Millionen Passagiere, davon ist er mittlerweile weit entfernt. Auch der Platzhirsch im Passagiergeschäft am Hahn, der irische Billigflieger Ryanair, verringerte sein Angebot im Hunsrück und verlagerte Flüge an benachbarte, größere Flughäfen wie Frankfurt am Main und Köln/Bonn.

Betriebsleiter Goetzmann betonte Anfang Oktober: «Wir haben den Hahn ohne Beihilfen und ohne Kurzarbeit durch Corona gesteuert.» In früheren Jahren waren Betriebsbeihilfen des Landes Rheinland-Pfalz geflossen. Die Flughafen-Geschäftsführung erwartete laut ihrem im Bundesanzeiger veröffentlichten Bericht für 2020 gleichwohl einen Fehlbetrag. Je nach Verlauf der Pandemie plane man, «dass bis zum Jahr 2024 ein positives Konzernjahresergebnis erreicht werden kann», hieß es darin. Danach dürfen Flughäfen gemäß EU-Recht generell keine staatlichen Subventionen mehr bekommen.

Der Hahn ist nicht der erste deutsche Flughafen, der zum Insolvenzgericht ziehen muss. Die Standorte Paderborn und Rostock-Laage haben die von Corona beschleunigte Insolvenz überstanden und auch am Bodensee-Airport Friedrichshafen zeigte sich Sachwalter Alexander Hubl optimistisch, dass die noch ausstehende Genehmigung durch die EU-Kommission das Eigenverwaltungsverfahren zu einem glücklichen Ende bringen werde.

Den kleinen Flughäfen fehlt schlichtweg auch deswegen Geld, weil sich Bund und Länder bei ihrer Rettungsaktion zu Jahresbeginn auf die 15 größeren Flughäfen in Deutschland konzentriert haben. Die kleinen Regionalflughäfen sollten mit 20 Millionen Euro bei den Flugsicherungskosten entlastet werden, was allerdings erst im kommenden Jahr so richtig durchschlägt und dem Hunsrück-Standort nicht mehr geholfen haben dürfte.

Den Flughäfen insgesamt gehe es bescheiden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands ADV, Ralph Beisel. «Die Flughäfen haben im vergangenen Jahr 2,1 Milliarden Euro Verlust vor Steuern gemacht und in diesem Jahr werden es 1,5 Milliarden Euro sein.» Die Bilder von langen Warteschlangen in den Sommer- und Herbstferien vermittelten ein falsches Bild. «Unsere Terminals sind immer noch viel zu leer bei Passagierzahlen um die 50 Prozent im Vergleich zum Vorkrisen-Niveau», meinte Beisel.

Umweltschützern waren die vielen regionalen Flughäfen schon vor der Pandemie ein Graus. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) setzte den Hahn in einer großangelegten Studie mit auf eine Liste von sieben sofort verzichtbaren Standorten. Sie leisteten nur geringe Beiträge zur Konnektivität, seien dauerhaft von Beihilfen abhängig und hätten sinkende Passagierzahlen verzeichnet, lautete die Kritik in dem Report, der im August 2020 veröffentlicht worden ist. Zustimmung kam unter anderem vom Verkehrsclub VCD, den Linken und den Grünen. (dpa)


 

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