Reisen 2021: Sommerurlaub mit angezogener Handbremse

| Tourismus Tourismus

Reisen ist Sehnsucht - in diesen Zeiten mehr denn je. Viele hoffen darauf, im kommenden Sommer wieder weitgehend unbesorgt Urlaub machen zu können, weil die Impfungen dem Coronavirus seinen Schrecken nehmen und die Fallzahlen sinken. Doch ist das nur eine schöne Illusion? Und wie kann das Reisejahr 2021 gelingen?

Es ist der Blick in die Glaskugel, ein Denken in Szenarien. Vieles wird von den Impfungen abhängen. Um die Pandemie zu stoppen, müssten nach Schätzung von Experten etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden - in Deutschland bis zu 58 Millionen Menschen. Nicht ganz sicher ist, ob eine geimpfte Person ansteckend bleibt. Und die Impfbereitschaft in der Bevölkerung spielt eine große Rolle.

Sommerurlaub mit angezogener Handbremse

Tourismusforscher Prof. Christian Laesser von der Universität in St. Gallen dämpft die Hoffnungen der Urlauber: «Ein unbeschwerter Reisesommer, das ist Wunschdenken.» Seine Prognose lautet: «Bremse bis zum Frühsommer, vielleicht eine leicht gelockerte Bremse im Sommer und im Herbst und Winter dann hoffentlich eine deutlich gelockerte Bremse im Vergleich zu jetzt.»

Michael Faber ist Reisebüro-Inhaber sowie Geschäftsführer Touristik des Beratungsunternehmens Tourismuszukunft und schätzt: «Die Reiseeinschränkungen werden vermutlich in den nächsten Monaten anhalten. Wir werden erleben, dass sich Destinationen öffnen und wieder schließen.» Das konnte man zuletzt bei den Kanaren beobachten.

Faber sieht mehrere Hürden, die aufeinander folgen: zunächst das Infektionsgeschehen, dann die Reisebeschränkungen, schließlich die Reiselust der Menschen und das Gefühl der Sicherheit. Sie alle hängen natürlich miteinander zusammen. So würden sich die Menschen erst wieder sicherer fühlen, wenn die Infektionszahlen zurückgingen. «Aber es gibt Leute, die planen jetzt schon ihren Sommerurlaub.»

Ingo Burmester, Zentraleuropa-Chef bei DER Touristik, geht von einem Spätbucher-Trend aus. «Der Buchungsschub, der sonst im Januar kommt, dürfte 2021 im Frühjahr kommen.»

Die Touristik setzt auf Tests statt Impfungen

In der Reisebranche selbst setzt man offenbar nicht darauf, dass flächendeckende Impfungen schon die Wende für den Sommer bringen. So gründet etwa Tui-Chef Fritz Joussen seine Hoffnungen eher auf breit angelegte Corona-Tests. Im vergangenen Sommer sei das Problem gewesen, dass es keine Tests gab und die Menschen nach der Reise zwei Wochen in Quarantäne mussten. Dies soll 2021 anders sein.

«Um eine höhere Sicherheit für Reisende und Bereiste zu gewährleisten, wird es vermehrt zu Testungen vor Anreise und nach Rückreise kommen», glaubt auch Michael Faber. Bleibt die Frage, ob sich Antigen-Schnelltests durchsetzen, die auch kurzfristig schnell machbar sind - oder ob die Pflicht zum aufwendigeren PCR-Test bleibt, wie ihn derzeit auch viele Länder für die Einreise verlangen.

Auch der Airline-Verband IATA setzt auf Schnelltests - und wünscht sich zusätzlich einen digitalen Reisepass. Darin sollen Coronatest- oder Impfnachweise gespeichert sein. Derzeit wird dafür eine App entwickelt. Ziel ist, die Quarantänepflichten überflüssig zu machen - derzeit ein schwerer Hemmschuh für Auslandsreisen.

Nahziele werden im Trend bleiben

Ohnehin spricht einiges dafür, dass die Menschen urlaubstechnisch auch 2021 eher kleine Brötchen backen. «Fernreisen werden im kommenden Jahr eine untergeordnete Rolle spielen», glaubt Prof. Christian Laesser. «Vor dem Sommer wird überhaupt nichts laufen.»

Die Kurz- und Mittelstrecke werde man relativ bald entsprechend der Nachfrage wieder hochfahren können. «Aber das Niveau vor Corona wird noch längst nicht erreicht werden.» Interkontinentalflüge seien komplexer. «Hier wird es noch länger dauern.»

Auch Kreuzfahrten seien noch mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. «Bevor wir keine nachhaltige Lösung für die Pandemie gefunden haben, werden Kreuzfahrten nicht richtig laufen», schätzt Laesser. Zuletzt fuhren kaum Schiffe. Viele Reedereien haben bereits die Testpflicht für die Passagiere vor Abreise etabliert.

Für halbwegs realistisch halten viele Sommerurlaub in Deutschland, aber auch am Mittelmeer und in Europa - ähnlich wie 2020. «Die Nahziele werden auch 2021 ein Trend sein», sagt Michael Faber. Bei der Tui sieht man das ähnlich und sieht die deutsche Ostseeküste sowie Spanien und Griechenland als Topziele des Sommers.

Buchen am besten nur mit Absicherung

«Für den Sommer sehe ich das Potenzial, dass Badeurlaub am Mittelmeer wieder besser möglich sein wird», sagt Faber. So waren im vergangenen Sommer etwa die Balearen, Griechenland, Zypern, Malta und Portugal, aber auch die Türkei zwischenzeitlich recht gut bereisbar.

Kann man folglich schon jetzt eine Sommerreise ans Mittelmeer buchen? «Wenn ich das wieder kostenlos stornieren kann, würde ich das schon machen», sagt Laesser. Viele Veranstalter und Fluggesellschaften bieten diese Möglichkeiten inzwischen an. Denn mit kurzfristigen Änderungen der Reisepläne müssen Urlauber wohl auch 2021 rechnen. Faber sagt: «Man muss sich bewusst sein, dass die Reise erst sicher stattfindet, wenn man tatsächlich im Flugzeug sitzt.»

Einreise nur mit Impfnachweis?

Langfristig stellt sich die Frage, ob man für internationale Reisen zwingend einen Corona-Impfnachweis brauchen wird. Befürchtet wird eine «Impfpflicht durch die Hintertür». So kündigte die australische Fluggesellschaft Qantas an, auf Interkontinentalflügen eine Impfpflicht für ihre Passagiere einzuführen. Lufthansa erteilte solchen Plänen dagegen bereits eine Absage.

Ob die Antigen-Tests jedoch bei der Einreise ins jeweilige Zielland reichen werden oder doch ein Impfnachweis erforderlich ist, wird sich zeigen - und wohl von Land zu Land unterschiedlich sein. «Es wäre nicht neu, dass ich für die Einreise in bestimmte Länder eine Impfung brauche», sagt Prof. Laesser - ein Beispiel ist Gelbfieber.

Fazit: Wann genau die Pandemie vorbei ist und die Reisebeschränkungen fallen, ist derzeit nicht seriös vorherzusagen. Allerdings besteht gute Hoffnung auf einen ausgedehnten Sommerurlaub - auch im Ausland. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Als Kreuzfahrt-Stadt wird Hamburg immer beliebter: 2023 gingen so viele Passagiere wie noch nie in der Hansestadt aufs Schiff. Der Schiffstourismus in der Hansestadt soll auch nachhaltiger werden.

Zehntausende Menschen haben am Samstag unter dem Motto «Die Kanaren haben eine Grenze» gegen Massentourismus demonstriert. Insgesamt 55 000 Demonstranten forderten eine Obergrenze der Zahl der Touristen oder etwa bezahlbaren Wohnraum für Einheimische.

235 Vertreter der internationalen Reiseindustrie und 110 Medienvertreter aus 38 Ländern nehmen am 50. Germany Travel MartTM (GTM) der DZT in Chemnitz teil. Vom 21. Bis 23. April 2024 informieren sie sich beim GTM über die neuesten Trends, Entwicklungen und touristischen Produkte in Deutschland, lernen die Region kennen und verhandeln Geschäftsabschlüsse.

Als erste Stadt der Welt verlangt Venedig jetzt Eintritt: Wer ein paar Stunden zwischen Markusplatz und Rialtobrücke verbringen will, muss zahlen. Die Tourismusbranche beobachtet das genau.

Amsterdam will die Hälfte der anlegenden Flusskreuzfahrtschiffe streichen. Innerhalb von fünf Jahren solle die Zahl der Schiffe, die in der Stadt anlegen dürfen, halbiert werden. Die Stadt schätzt, dass dadurch pro Jahr rund 270 000 Touristen weniger die Stadt besuchen werden. 

 

Mehr als 11 Millionen verkaufte Tickets, von vielen als Tarifrevolution gefeiert: Das Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr wird bald ein Jahr alt. Seit dem 1. Mai 2023 kann es bundesweit im Nah- und Regionalverkehr genutzt werden. Der monatliche Preis liegt in der Regel bei 49 Euro - aber wie lange noch?

Der Reisekonzern FTI wechselt den Besitzer und soll frisches Kapital bekommen. Das in der Corona-Krise in Bedrängnis geratene Unternehmen sieht darin die Grundlage für Wachstum.

Vom Flughafen Hahn hat Billigflieger Ryanair den deutschen Markt aufgerollt. Auch 25 Jahre später spielt der Hunsrück-Flughafen noch eine Rolle in der Strategie der Iren.

Tourismus ist für Spanien überlebenswichtig. Trotzdem wächst vielerorts im Lande der Verdruss gegenüber den stetig zunehmenden Besuchermassen. Betroffen ist nun auch eine einstige «Friedensoase».

Wer in diesem Jahr hierzulande ein Ferienhaus mietet, darf einer Umfrage zufolge mit weitgehend stabilen Preisen rechnen. Weniger als die Hälfte der Ferienhausvermieter erhöht einer Umfrage zufolge in diesem Jahr die Preise. 90 Prozent der Vermieter rechnen mit gleich vielen oder mehr Buchungen als im Vorjahr.