Wandern und Wein: Der Calmont-Klettersteig an der Mosel

| Tourismus Tourismus

Drei Stunden werden die Wanderer für gerade einmal drei Kilometer benötigen. Das liegt am Terrain: «Unser Klettersteig ist kein Sonntagsspaziergang», sagt Hans-Jürgen Franzen.

Der Chemiker, 70, ist den Felsenweg schon unzählige Male gegangen, auch heute begleitet er wieder eine kleine Gruppe von Weinfreunden. Denen will er mehr über den Calmont erzählen, den steilsten Weinberg Europas an der Mosel - und über diesen besonderen Weg.

Schritt für Schritt geht es voran, ganz langsam. Gut zehn Meter misst die schmale Passage, gleich zu Beginn des Calmont-Klettersteigs oberhalb von Bremm, der nach Ediger-Eller führt.

Eidechsen und weißer Mauerpfeffer

Die Tour braucht ihre Zeit, nicht nur wegen des steilen Geländes. Es gibt auch jede Menge zu entdecken, hier in 150 Metern Höhe über der engsten aller Moselschleifen. Gegenüber auf der Landzunge zieht die Klosterruine Stuben immer wieder die Blicke auf sich.

«Es gibt auch Wanderer, die stiefeln hier durch, ohne die Besonderheiten des Calmont zu beachten», sagt Franzen.

An sonnigen Tagen zeigt das Thermometer in Bodennähe schon mal an die 60 Grad Celsius. Fauna und Flora des Calmont haben mediterranen Charakter. Eidechsen huschen zwischen den Steinen hindurch, mit etwas Glück sind seltene Apollofalter zu sehen. «Diese Art kommt in Deutschland nur an drei, vier Stellen vor», sagt Franzen.

Die ebenfalls vom Artensterben bedrohte Rotflügelige Ödlandschrecke hat am Calmont ihren Lebensraum. Dazu gesellen sich Pflanzen, die Wärme lieben, etwa Felsenmauerpfeffer, weißer Mauerpfeffer und der Felsenahorn, eine typische Mittelmeerpflanze.

 

Schon die Römer bauten der Mosel Wein an

Am Calmont sind die Reben in Terrassen quer zum Steilhang gepflanzt. Kaulen nennen sie die runden Einschnitte, die wie ein Hohlspiegel die Sonnenstrahlen bündeln. «Die Kaulen sehen aus wie das Halbrund römischer Amphitheater», stellt Franzen fest. Tief müssen die Rebstockwurzeln sich durch das Schiefergestein kämpfen, um in zehn Metern Tiefe und noch tiefer lebenswichtige Wasseradern zu erreichen. Wertvolle Mineralien saugen die Reben aus dem Schiefer, das sorgt für den typischen Rieslinggeschmack der Calmont-Weine.

Römisches Amphitheater - für Franzen ein Stichwort, um den Namen des 380 Meter aufragenden Gebirges zu erläutern: Calidus (warm) und mons (Berg), so hätten die Römer wohl den Berg bezeichnet, woraus später der Name Calmont wurde. «Schließlich haben die Römer bereits 300 Jahre nach Christus an der Mosel Wein angebaut.»

Für den Moment ist das genug Hintergrundwissen, nun geht die Kraxelei so richtig los. Handtuchschmal und steil ist der Steig am Fels, Trittbügel und Haken wurden ins Gestein gebohrt. An Stahlseilen hangeln sich die Tourengeher Meter um Meter mühsam vorwärts. Nur nicht hinunter schauen! Dann folgen Leitern, Tritt für Tritt geht es aufwärts. Der Deutsche Alpenverein hat die Passage gesichert.

Die Geschichte des Calmonts

Bis zur Jahrtausendwende hat Wein vom Calmont keine Chance: Billige Massenweine aus Südeuropa, von Großkellereien auch an der Mosel abgefüllt, verdrängen den Anbau der gleichermaßen kostbaren wie kostspieligen Rieslinge. Manch ein Winzer gibt seine Mini-Parzelle im Berg auf, die Hänge verbuschen - und die teils mehr als 100 Jahre alten Trockenmauern der Terrassen krachen zusammen.

Rettet den Calmont: Unter diesem Motto finden sich 1999 engagierte Bürger, die Gemeinden Bremm, Ediger-Eller und Neef sowie Kreis- und Landesbehörden zusammen. Land wird aufgekauft, Eigentümer verhandeln, 70 zusammenhängende Parzellen kommen am Ende dabei heraus. Freiwillige Helfer schlagen an den Wochenenden den Weg durchs Buschwerk frei, 2002 wird der Klettersteig eröffnet.

Ungefähr zur gleichen Zeit beginnt Hans-Jürgen Franzens Bruder Ulrich mit der Rekultivierung einer Parzelle im Calmont - ein Pionier. Körperlich anstrengend und zeitintensiv ist die Arbeit in der steilen Parzelle Fachkaul. Von Hand wird die Fläche gerodet, in drei Jahren graben der Winzer aus Bremm und ein Team von Helfern etwa 7900 Rieslingreben in den kargen Schieferboden. Die ersten Trauben können 2005 geerntet werden.

Doch durch einen tragischen Arbeitsunfall stirbt Ulrich Franzen, sein Sohn Kilian steigt mit 23 Jahren in das Weingut der Familie ein. Onkel Hans-Jürgen vermittelt dem gelernten Drucker Kilian die Grundlagen des Weinbaus am Calmont.

«Wer am Calmont arbeitet, der braucht keine Muckibude», sagt Jungwinzer Kilian. Heute bewirtschaften er und Ehefrau Angelina mit fünf Hektar die größte Fläche am Calmont, keltern Rieslinge bester Qualität und exportieren nach Dänemark und in die USA.

Spitzenweine aus Steillagen

Auch Hans-Jürgen Franzen und sein Sohn Philipp bauen inzwischen Riesling am Calmont an, wie sie bei der Rast in ihrer urigen Schutzhütte erzählen. Mit drei Freunden aus Bremm rodet Vater Franzen eine Parzelle in der Geichkaul, die Hobbywinzer ernten dort seit Herbst 2007 Rieslingtrauben. Traditionell lassen sie der Hefe viel Zeit, den Most in Wein zu verwandeln. Bis zum Spätsommer des nächsten Jahres bleibt dem Wein im Fass Zeit zum Reifen, erst dann wird abgefüllt. «So können sich Aromen und Geschmack voll entfalten.»

Sohn Philipp, 30, bewirtschaftet ein gutes halbes Hektar. «Unsere junge Generation besinnt sich wieder auf alte Werte: Handarbeit in Steillagen mit weniger Ertrag und mehr Qualität.»

Der Calmont-Klettersteig führt vorüber an den kleinen Parzellen der Franzens. Bis zu 400 Wanderer sind an manchen Tagen auf dem Trail unterwegs und sehen die harte Arbeit der Winzer aus nächster Nähe.

«Wir setzen darauf, dass die Gäste verstehen, warum wir diese Kulturlandschaft erhalten», sagt Vater Franzen. «Und die Rieslinge vom steilsten Weinberg Europas ihren Preis haben.»

Reiseziel: Der Calmont zwischen den Mosel-Orten Bremm und Ediger-Eller gilt mit Hangneigungen bis etwa 65 Grad als europaweit steilster Weinberg. Auf Schieferböden wachsen hier besonders gute Rieslang-Weine. Geführte Wanderungen ab acht Personen auf dem Calmont-Klettersteig bietet das Weingut Schauf in Ediger-Eller.

Anreise: Mit der Regionalbahn Koblenz-Trier bis Ediger-Eller. Mit dem Auto über die A 48 Koblenz-Trier, Abfahrt Ulmen, B 259 bis Cochem, von dort entlang der Mosel, B 49 Richtung Trier bis Bremm.

Informationen: Mosellandtouristik, Kordelweg 1, 54470 Bernkastel-Kues (Tel.: 06531/97 33 0, E-Mail: info@mosellandtouristik.de, www.mosellandtouristik.de). (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Tui-Aktie kehrt von London nach Frankfurt als Hauptbörse zurück. Den Handelsstart läutet der Vorstand am Montag im Stil eines Börsengangs ein. Für Juni ist ein weiterer Schritt geplant.

Der Bürgermeister von Palma hat eine drastische Maßnahme angekündigt, um „unzivilisiertes Verhalten“ in der Öffentlichkeit einzudämmen. Die neue Verordnung sieht Bußgelder von bis zu 3.000 Euro für schwerwiegende Verstöße vor.

In wenigen Wochen müssen Tagesbesucher in Venedig erstmals Eintritt bezahlen. Die Stadt verteidigt die Regelung - die Einnahmen sollen nach Worten des Bürgermeisters dabei nicht im Vordergrund stehen.

Vilnius, die Hauptstadt Litauens, befreit sich mit seiner neuen Werbekampagne für den Tourismus von gängigen osteuropäischen Klischees. Indem sie die niedrigen Erwartungen mit der Realität kontrastiert, macht sich die Stadt über die negativen Vorurteile ausländischer Besucher lustig.

Auf der Urlaubsinsel mussten vergangenen Juli viele Touristen vor Waldbränden in Sicherheit gebracht werden - und vorzeitig abreisen. Die griechische Regierung macht Betroffenen nun ein Angebot.

Die „Big 5“ der globalen Hotelketten – Accor, Hilton, IHG, Marriott International und Radisson Hotel Group – spielen im Jahr 2024 eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung der Hotelinfrastruktur auf dem afrikanischen Kontinent. Die Hotelgruppen und 42 weitere haben in 41 afrikanischen Ländern Verträge zum Bau von Hotels oder Resorts abgeschlossen.

Four Seasons setzt den Kurs in Richtung Luxus auf See. Während die Premierensaison von Four Seasons Yachts näher rückt, werden die ersten zehn Routen sowie die Suiten vorgestellt.

Ob Silvester, Theater oder Yoga: Auf dem Times Square ist immer Programm. Vor 120 Jahren bekam die Kreuzung in Manhattan ihren Namen, inzwischen ist sie weltberühmt - aber bei New Yorkern unbeliebt.

Während der Corona-Pandemie waren kaum Kreuzfahrtschiffe auf den Meeren unterwegs. Nun ist die Branche wieder auf Wachstumskurs - und muss Wege finden, nachhaltiger zu werden.

Mecklenburg-Vorpommern ist im Ausland nicht als Top-Destination bekannt. Die Zahl der internationalen Urlaubsgäste ist überschaubar. Es gibt Ideen, wie sich das ändern könnte.