Grenze nach unten: Was Beschäftigte zum Mindestlohn wissen müssen

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Der Monatsverdienst ist in einigen Branchen vergleichsweise niedrig. Der gesetzliche Mindestlohn regelt in Deutschland, wie viel Beschäftigte minimal verdienen. Aber gibt es auch Ausnahmen?

Nach oben gibt es beim Verdienst keine Grenze, nach unten schon. Seit 2015 gilt in Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn. Was Beschäftigte dazu wissen müssen.

Was ist überhaupt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn?

«Das ist die flächendeckende Lohnuntergrenze, die kein Arbeitgeber unterschreiten darf», sagt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh. Für einzelne Branchen - etwa für Gerüstbauer, Schornsteinfeger oder Gebäudereiniger - gelten zudem noch Branchenmindestlöhne.

Die genaue Höhe haben Gewerkschaften und Arbeitgeber ausgehandelt und in einem Tarifvertrag verankert, die Politik hat die Beschlüsse für allgemeinverbindlich erklärt.

Mit anderen Worten: «Kein Arbeitgeber ist berechtigt, seinen Beschäftigten weniger zu zahlen als den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn oder den jeweils geltenden Branchenmindestlohn», sagt Michael Wagner, Mindestlohnexperte beim DGB-Bundesvorstand in Berlin.

Und wie hoch ist der Mindestlohn?

Bei seiner Einführung am 1. Januar 2015 lag der allgemeine gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro brutto für eine Zeitstunde (also 60 Minuten), seit dem 1. Januar 2021 beträgt er 9,50 Euro brutto pro Zeitstunde.

Regelmäßig, und zwar alle zwei Jahre, erfolgt eine Anpassung des Mindestlohns - das ist in Paragraf 9 des Mindestlohngesetzes verankert. Dafür sorgt die Mindestlohnkommission, der neben Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften auch Wissenschaftler angehören. Das Gremium beschließt den Mindestlohn und leitet einen Bericht hierüber an den Gesetzgeber weiter. «Der Gesetzgeber kann die Beschlüsse der Kommission annehmen oder ablehnen, aber nicht ändern», erklärt Wagner.

Die Anpassung kann dabei auch in mehreren Schritten erfolgen. Deshalb steigt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn zum 1. Juli 2021 auf 9,60 Euro, zum 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro und zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro.

Was gilt für Branchenmindestlöhne?

Mindestlöhne, die für einzelne Branchen gelten, sind zumeist höher als der allgemeine gesetzliche Mindestlohn. So liegt der Branchenmindestlohn etwa im Dachdeckerhandwerk im Jahr 2021 für ungelernte Kräfte bei 12,60 Euro pro Stunde beziehungsweise bei 14,10 Euro für Gesellen.

Wer bekommt Mindestlohn und vor allem wer nicht?

Den Mindestlohn bekommt «grundsätzlich jeder Beschäftigte», sagt Wagner. Aber es gibt Ausnahmen. So bekommen für die ersten sechs Beschäftigungsmonate keinen Mindestlohn: alle Jugendlichen unter 18 Jahren ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung und alle, die nach einer Langzeitarbeitslosigkeit wieder beruflich tätig werden.

Ebenfalls keinen Anspruch auf einen Mindestlohn haben Menschen, die entweder ein Pflichtpraktikum machen oder die zur Berufsorientierung ein Praktikum oder eine Einstiegsqualifizierung absolvieren sowie ehrenamtlich Tätige.

Und wer profitiert vom Mindestlohn am meisten?

Das sind beispielsweise Personen ohne Berufsausbildung, Beschäftigte in Ostdeutschland, Frauen und Beschäftigte in kleineren Unternehmen. «Gerade für sie hat der Mindestlohn zu höheren Stundenlöhnen geführt», so Wagner.

Was haben Minijobber davon?

Bei einem Minijob liegt der Verdienst bei bis zu 450 Euro im Monat oder 5400 Euro im Jahr. «Steigt der Mindestlohn, müssen Minijobber unter dem Strich weniger arbeiten», sagt Schipp, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.

Woher weiß ich, ob mein Gehalt dem Mindestlohn entspricht?

Dazu muss man einfach den Monatsverdienst durch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden dividieren. Dafür ist es wichtig, sich die Arbeitsstunden genau zu notieren. «Vom Monatsverdienst sind bestimmte Zuschläge wie etwa ein Nachtarbeitszuschlag abzuziehen», so Schipp.

Wer seinen Stundenverdienst errechnet hat, vergleicht dies mit der Höhe des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns beziehungsweise mit dem branchenspezifischen Mindestlohn. Einen Mindestlohn-Rechner gibt es auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dort findet sich auch die Nummer eines Bürgertelefons für Fragen zum Thema.

Was, wenn ich nicht nach Mindestlohn bezahlt werde?

Wer vor diesem Problem steht, sollte erst einmal auf den Arbeitgeber zugehen und ihn schriftlich oder auch mündlich darauf hinweisen, dass der gezahlte Mindestlohn unter der gesetzlich vorgeschriebenen Grenze liegt, rät Wagner.

Wiegelt der Arbeitgeber ab oder lässt er eine vom Beschäftigten gesetzte Frist zur Stellungnahme und zur Zahlung verstreichen, empfiehlt es sich, sich an den Betriebsrat oder an die zuständige Gewerkschaft zu wenden.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, gegen Arbeitgeber zu klagen. «Der Arbeitgeber kann per Klage auch noch drei Jahre rückwirkend dazu verpflichtet werden, den Mindestlohn zu zahlen», sagt Schipp. Dem Arbeitgeber drohen zudem empfindliche Strafen von bis zu 500 000 Euro.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Bierabsatz ist im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent oder 394,2 Millionen Liter gesunken. Auch bei Biermischungen war im vergangenen Jahr ein Absatzrückgang zu verzeichnen.

Der Mineralwasserkonsum ist in Deutschland im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Die bundesweit knapp 160 Mineralbrunnen setzten 2023 insgesamt 9,6 Milliarden Liter Mineralwasser und Heilwasser - ein Rückgang um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Am Freitag kann es im Nahverkehr ruckeln: Für den Tag sind nahezu bundesweit Warnstreiks angekündigt. Was heißt das für Beschäftigte, die Probleme haben, auf dem üblichen Weg zur Arbeit zu kommen?

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Januar wieder gestiegen. Das ist nicht ungewöhnlich für die Jahreszeit. Die Entwicklung bestätigt aber den jüngsten Trend: Es wird schwerer, einen Job zu finden.

Die wirtschaftliche Großwetterlage bleibt dem IWF zufolge rau, das gilt besonders für Deutschland. Immerhin: Ein Ende des Abschwungs zeichnet sich ab.

Trotz der Mehrweg-Angebotspflicht für Essen zum Mitnehmen haben 47 Prozent der Menschen in Deutschland bisher noch keine Mehrwegverpackung genutzt. Große Unterschiede gab es zwischen den verschiedenen Altersgruppen.

Der Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland nimmt nach einer Prognose von Schwarzarbeit-Experten in diesem Jahr weiter zu. Demnach werde der Wert der durch Schwarzarbeit illegal erbrachten Leistungen um 38 Milliarden auf 481 Milliarden Euro steigen.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat Erhebungen zur Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in 2023 veröffentlicht. Wichtigstes Ergebnis für die Branche aus Sicht des DEHOGA: Die gastgewerblichen Ausbildungsvergütungen bräuchten sich, so der Verband, nicht zu verstecken.

Kurz mal den Kopf freikriegen: Manche gehen in der Pause gerne eine Runde zum Sport, andere wollen den Einkauf erledigen. Was aber, wenn der Arbeitgeber Vorschriften zur Pause macht?

Die Jobwechselbereitschaft unter den Beschäftigten in Deutschland ist 2024 weiterhin hoch. Das ergab eine Studie im Auftrag des Job-Netzwerks Xing. Mit 37 Prozent sei sie auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2023. 94 Prozent machen sich keine Sorgen, ihren Job zu verlieren.