Während die Tourismusbranche in Mecklenburg-Vorpommern auf der Erfolgswelle surft (Tageskarte berichtete), trifft der Mangel an Bewerbern immer mehr Unternehmen im Land. Wie eine Umfrage der drei Industrie- und Handelskammern unter den Mitgliedsfirmen ergab, konnte im Vorjahr nur die Hälfte der Betriebe alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. «Mitte der 1990er Jahre hatten wir 30 000 Schulabgänger im Jahr. Jetzt sind wir bei 13 000», konstatierte Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg, am Dienstag bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse in Schwerin. Für 48 Prozent der nicht besetzten Plätze hätten überhaupt keine Bewerbungen vorgelegen. Das sei der bislang höchste Wert gewesen.
Die Unternehmen hätten aber reagiert, die Werbung intensiviert und auch ihre Erwartungen an die Qualität der Bewerber reduziert. «Der Anspruch, dass man einen Abiturienten für die Ausbildung bekommt, ist vorbei», sagte Haasch. Mit einem erhöhten Betreuungsaufwand gelinge es den Unternehmen aber, den Ausbildungserfolg auch für etwas leistungsschwächere Einsteiger zu sichern.
Haasch erneuerte den Appell an die Regierung, keine weiteren Einschnitte in der Berufsschullandschaft vorzunehmen. Ein kurzer Weg zur Berufsschule sei inzwischen eines der wichtigsten Kriterien für Bewerber, wenn sie sich für eine Lehrstelle entscheiden. Zudem sprach er sich dafür aus, das Spektrum der Ausbildung wieder zu erweitern. Von 170 IHK-Berufen würden im Nordosten nur wenig mehr als 100 angeboten. So fehlten zum Beispiel Mediengestalter, Bootsbauer oder Tierpfleger. Als dringend geboten bezeichnete Haasch die massive Aufstockung der Berufsschullehrerausbildung. Schon jetzt fehlten Pädagogen und der Ersatzbedarf steige, weil in den kommenden zehn Jahren die Hälfte der Berufsschullehrer in Rente gehe.
Nach Angaben der Arbeitsagentur Nord waren in Mecklenburg-Vorpommern Ende Juli noch fast 5000 Ausbildungsplätze als unbesetzt gemeldet. Dem standen lediglich 2600 noch «unversorgte» Jugendliche gegenüber. Den größten Nachwuchsmangel verzeichnen das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie der Einzelhandel. Immer mehr Lücken tun sich auch im Handwerk auf. (dpa)