Teil-Lockdown hat keinen großen Einfluss auf Wirtschaftsleistung

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Der verlängerte Teil-Lockdown in Deutschland wird nach Auffassung von Volkswirten führender Finanz- und Forschungsinstitute kaum gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft in der Bundesrepublik haben. Die hauptsächlich betroffenen Branchen wie Gastronomie, die Kulturszene oder die Verkehrsbranche hätten einen vergleichsweise geringen Anteil an der Bruttowertschöpfung, sagte die «Wirtschaftsweise» und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen, Veronika Grimm.

So habe das derzeit weitgehend geschlossene Gastgewerbe einen Anteil von 1,6 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung - die gegenwärtig vergleichsweise gut laufende Industrie dagegen einen Anteil von rund 25 Prozent und der ebenfalls geöffnete Einzelhandel von um die 10 Prozent. «Die Wirtschaft wird dadurch nicht stark einbrechen. Es kommt jetzt darauf an, die betroffenen Betriebe gut durch die Krise zu bringen», sagte Grimm in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb seien die Milliarden-Ausgaben von Bund und Ländern für Hilfsprogramme gerechtfertigt.

Auch Katharina Utermöhl, Volkswirtin bei der Allianz-Gruppe in Frankfurt, geht von einer nur leichten negativen Wirkung des Teil-Lockdowns aus, was auch für die Situation auf dem Arbeitsmarkt gelte. «Der zweite Lockdown wird hier keine nennenswerten Auswirkungen haben», sagte sie mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen. Die Bundesagentur für Arbeit wird ihre November-Statistik an diesem Dienstag (1. Dezember) bekanntgeben.

«Wir glauben aber auch, dass es ein längerer Konjunkturwinter wird», sagte Utermöhl. Die wirtschaftliche Erholung im nächsten Jahr werde erst einsetzen, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen gegen Covid-19 geimpft worden sei. Nach einem Minus von sechs Prozent im laufenden Jahr rechnet Utermöhl 2021 mit einem Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) von nur 2,5 Prozent. «Kräftiger Rückenwind ist erst ab Mitte des kommenden Jahres zu erwarten, wenn ein Großteil der Risikobevölkerung geimpft sein wird», sagte sie.

«Durch den Lockdown Light wird das Bruttoinlandsprodukt erneut schrumpfen, allerdings weit weniger stark als im Frühjahr», betonte auch Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatseigenen Bankengruppe KfW. «Die Zahl der Arbeitslosen könnte sich durch die Betriebsschließungen um etwa 100.000 erhöhen, die Zahl der Kurzarbeiter vorübergehend um bis zu einer halben Million», sagte sie. Betroffen seien vor allem Geringqualifizierte, Minijobber und Beschäftigte im unteren Einkommensbereich.

Marc Schattenberg, Volkswirt bei der Deutschen Bank, glaubt an ein kräftigeres Wachstum von 4,5 Prozent im kommenden Jahr. Allerdings sieht auch er die Anwendbarkeit eines Impfstoffes als entscheidend an. Insgesamt sei die gegenwärtige Situation nicht vergleichbar mit der im Frühjahr, als etwa Grenzen zu Nachbarländern geschlossen werden mussten und internationale Lieferketten unterbrochen waren. Schattenberg warnt aber auch vor zu viel Gelassenheit. «Von einer sonst üblichen Herbstbelebung kann in diesem Jahr keine Rede sein», sagte er. Dem Arbeitsmarkt fehlten die Jobs für Saisonarbeiter.

Trotz der wegen der Corona-Hilfen für Wirtschaft und Privatleute höher als geplant ausfallenden Staatsschulden sehen die Experten keine problematische Situation für die deutschen Staatsfinanzen heraufziehen. «Aktuell ist die finanzpolitische Lage so, dass die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen überhaupt nicht in Frage steht», sagte die «Wirtschaftsweise» Grimm. Die Staatsverschuldung werde zwar vermutlich erst in zehn Jahren wieder Vorkrisenniveau erreichen, sagte Utermöhl. Dies sei aber verkraftbar - vor allem dann, wenn die Politik bei der Refinanzierung nicht ausschließlich auf höhere Steuern, sondern auch auf mehr Wachstum setze. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Abschalten und die Arbeitswelt hinter sich lassen: Das steht allen Beschäftigten zu. Aber was, wenn sie dennoch ständig in ihrer Freizeit kontaktiert werden?

Die Aufgaben sind interessant, die Mitarbeiter sympathisch, der Chef fair - eigentlich passt alles im aktuellen Job. Nur das Gehalt könnte höher sein. Sind Scheinbewerbungen da ein cleverer Schachzug?

Viele Beschäftigte freuen sich nach der Arbeit auf den Feierabend, aufs Wochenende oder auf den Urlaub. Doch immer wieder kommt es vor, dass sie dabei vom Joballtag eingeholt werden, weil Anrufe oder Mails aus der Firma kommen. Was gilt da eigentlich rechtlich?

In dieser Woche streiken GDL und Ver.di. Davon ist nicht nur der Fernverkehr betroffen. Auch die S-Bahn in Berlin wird von dem Betroffen sein. Die Messe informiert, wie Gäste trotzdem auf die ITB kommen.

Läuft ein befristeter Vertrag aus, ist es für Beschäftigte wichtig, möglichst bald im Anschluss eine neue Anstellung zu finden. Aber wann haben sie eigentlich Zeit für Bewerbungsgespräche?

Wie wichtig das Thema ZUHÖREN beim Führen von Mitarbeiter, in Meetings, aber auch im Umgang mit Gästen, Kunden und Lieferanten ist, zeigt sich besonders deutlich bei Führungskräften und im Vertrieb. Doch es scheint, als fehle oft das aufrichtige Interesse am Gegenüber. Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.

Die Konjunktur bleibt schwach, die Spuren auf dem Arbeitsmarkt werden deutlicher. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, auch Anzeichen für mehr Kurzarbeit sind zu sehen.

Coronahilfen haben in der Pandemie viele Firmen vor der Pleite bewahrt. Die sind ausgelaufen. Zugleich haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert - mit Folgen für das Insolvenzgeschehen. Dazu trug auch das Gastgewerbe wesentlich mit bei.

Ab April soll Cannabis kontrolliert freigegeben werden. Was heißt das für den Job - darf man die Droge in der Mittagspause konsumieren? Und was ist mit dem Joint nach Feierabend? Ein Anwalt gibt Antworten.

Hohe Mieten in deutschen Großstädten sind einer Studie zufolge eine Hürde für Unternehmen im Ringen um Fachkräfte. Das geht so weit, dass ein Drittel über einen Jobwechsel wegen hoher Mieten nachdenkt - eine kleine Minderheit zieht tatsächlich deswegen um.