Wie gehe ich mit negativem Flurfunk um?

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Wirtschaftsweise erwarten eine Rezession, die Inflation belastet Unternehmen. Tech-Konzerne entlassen weltweit Zehntausende und streichen auch in Deutschland Jobs. Kriselt die Wirtschaft, nehmen bei Beschäftigten Ängste zu. Über den Flurfunk werden dann viele negative Informationen weitergegeben: Bekommt mein Arbeitgeber überhaupt noch Aufträge? Werden Stellen abgebaut, habe ich demnächst überhaupt noch einen Job?

Im Interview gibt Coachin Birgit Kersten-Regenstein Tipps, was im Umgang mit Unternehmensgerüchten hilft.

Frau Kersten-Regenstein, wie und warum entsteht Flurfunk eigentlich?

Birgit Kersten-Regenstein: Häufig geht es beim Flurfunk um Fragen, die das Miteinander betreffen, und um monetäre oder personelle Themen. So sind Gerüchte zu Personalwechseln, zu Disharmonien im Vorstand oder Zahlen und Daten aus dem Unternehmen typisch. Wie geht es dem Arbeitgeber? Gehen die Aufträge zurück? Wird Budget gestrichen?

Verschiedene Einflüsse können solche Gerüchte und den Flurfunk noch befeuern. Zum einen alles, was außerhalb des Unternehmens passiert - wie derzeit der Krieg, die Energiekrise oder die Folgen der Pandemie und der Isolation im Homeoffice. Das ist eine Situation, in der Beschäftigte ohnehin viel mit ihren eigenen Angstszenarien in Kontakt kommen.

Eine vermeintlich negative Nachricht über das Unternehmen fällt da auf nährstoffreichen Boden. Das kann schnell realistisch wirken und führt dazu, dass ein Gerücht sich weiterträgt.

Nicht zuletzt spielen Führungskräfte selbst oder das Management eine Rolle. Da, wo versäumt wird, den Status quo im Unternehmen weiterzugeben, entsteht ein Vakuum. Das füllen die Mitarbeitenden mit den sich im Hintergrund anbahnenden Infos aus, die sie meinen beobachten zu können.

In der Summe muss ein Gerücht immer relevant genug sein, damit es weitergetragen wird. Dann ist es aber wie ein Federkissen, das beim Aufschlagen aufplatzt. Das Thema verbreitet sich weitläufig im Unternehmen und lässt sich auch nicht so einfach wieder einfangen.

Woher weiß ich, ob an einem Gerücht wirklich etwas dran ist?

Kersten-Regenstein: Hier ist Selbstverantwortung gefragt. Ich muss prüfen: Von wem kommt das Gerücht, wie relevant ist das und wer kann womöglich ein passender Gegeninformant sein? Etwa eine vertraute Kollegin, die Führungskraft oder der Betriebsrat. Das hilft mir als eine Art Quick-Check weiter.

Man kann Gerüchte auch in den eigenen Peergroups debattieren, muss letztendlich aber seinem Bauchgefühl folgen und sich mit den einzelnen Infos auseinandersetzen. Betreffen mich vermeintlich schlechte Nachrichten, kann ich prüfen, wo das seinen Ursprung hat und mir bei Menschen Gegenthesen einholen, die gut informiert sind.

Wie finden Beschäftigte einen guten Umgang mit Gerüchten? Können Sie das genauer beschreiben?

Kersten-Regenstein: Das, was ich über den Flurfunk höre, fällt immer auch auf meine eigene Gemengelage. Wenn das Thema für mich eine bestimmte Relevanz hat und mit meinem Bauchgefühl übereinstimmt, bin ich dafür auch offener und gehe dem gerne nach. Bin ich selbst nicht empfänglich für Angstszenarien oder Bedrohungen, kann mir ein Gerücht, eine negative Botschaft nicht so viel anhaben. Habe ich wirklich Bauchgrimmen bei einer Sache, darf ich mich aber nicht einfach davon mitreißen lassen. 

Ich höre mir Gerüchte oder Tratsch im Unternehmen in einem bestimmten Zeitfenster an, für den Rest der Zeit entziehe ich mich dem Flurfunk aber. Zuhörende können auch selbst auf Konfrontationskurs gehen, wenn sie das Gesagte anzweifeln.

Kommt etwa jemand auf mich zu, um mich als Multiplikator zu verwenden, kann ich mich dem entgegenstellen und Integrität beweisen. Damit mag man im ersten Moment anecken, langfristig profitiert man aber davon, nicht einfach auf ein Gerücht aufzuspringen, sondern für seine eigenen Überzeugungen und Werte einzustehen.

Bad News auf dem Flurfunk können aber genauso Alarmcharakter haben und als Kompass für die Überlegung dienen, wie ich mich in Zukunft zum Unternehmen verhalten will. Erweist sich eine negative Nachricht für mein Unternehmen als wahr, muss ich mich fragen, in welcher Dimension mich das tangiert.

Hat das etwas mit meinem Aufgabengebiet zu tun? Oder mit meinem Team und der Struktur? Oder geht es insgesamt um das Unternehmen und existenzielle Fragen?

Dann überlege ich, was davon ich tatsächlich beeinflussen kann. Die finanzielle Lage: kaum. Managemententscheidungen: kaum. Sollen sich meine Aufgaben verändern, muss ich prüfen, wie sehr ich in meiner eigenen Gestaltungshoheit gefragt bin.

Wenn ich nichts selbst gestalten kann, bleibt die Frage: Will ich das aushalten oder nicht? Am Ende kann ich immer auch entscheiden zu gehen. Aber auch bleiben ist eine Entscheidung. Dann darf ich allerdings nicht lamentieren. (dpa)


 

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