Halle hat die Angst zurückgebracht. Der Anschlag eines Rechtsextremen am 9. Oktober auf eine dortige Synagoge mit zwei Toten wühlt Ali Tulasoglu auf. «Das hat alles wieder hoch gebracht», sagt der 47-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, «ich habe nicht schlafen können.» Alles - das ist in seinem Fall der Anschlag auf sein Restaurant in Chemnitz vor mehr als einem Jahr. «Es ist nicht geheilt.»
Am 18. Oktober 2018 fliegt bei einem Brandanschlag das «Mangal» in die Luft. Seither fahndet die Polizei nach den bislang unbekannten Tätern wegen 17-fachen Mordversuchs und besonders schwerer Brandstiftung. Die Ermittlungsergebnisse sind bislang dürftig. Von den drei Tatverdächtigen, die laut Zeugen mit einem roten Kompaktwagen vom Tatort geflüchtet sind, fehlt jede Spur. «Zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen kann ich mich derzeit nicht äußern», erklärt Ingrid Burghart, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz, auf Anfrage.
LKA ermittelt
Als Motiv wird Fremdenfeindlichkeit angenommen und ein Zusammenhang mit vorangegangenen Angriffen auf ein jüdisches sowie zwei persische Restaurants nicht ausgeschlossen - zumal sich alle Attacken binnen kurzer Zeit nach dem tödlichen Messerangriff durch Asylbewerber auf einen Deutschen Ende August 2018 ereigneten. Daher ermittele auch das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) des Landeskriminalamtes (LKA). «Eine abschließende Beurteilung der Motivation der unbekannten Täter muss jedoch den weiteren Ermittlungen vorbehalten bleiben», betont Burghart, «diese werden auch weiterhin in alle Richtungen geführt.»
Ali Tulasoglu ist frustriert und aufgebracht zugleich. «Die Polizei hat gar nichts ermittelt», sagt er zerknirscht. Der 47-Jährige sitzt auf einer Couch im Veranstaltungszentrum «Weltecho», trinkt ein paar Schlucke Tee, nippt immer mal wieder an seinem Wasser. Das rechte Bein hat er über das linke geschlagen. Sein frei hängender Fuß schlägt in hohem Tempo unablässig hin und her - gleich einem Seismographen, der kleine innere Beben sichtbar macht.
Wirt wirft Polizei Untätigkeit vor
Der Familienvater aus Anatolien, dem asiatischen Teil der Türkei, wirft der Polizei Untätigkeit vor. «Theoretisch macht die Polizei aus meiner Sicht gar nichts.» Seine Mitarbeiter und er selbst seien mehrmals vorgeladen worden. Er frage sich aber, warum das Auto mit den Tatverdächtigen nicht gefunden worden ist, wo es doch so viele Verkehrskameras gebe, auch an der Kreuzung vor dem «Mangal».
«Das macht uns ein bisschen Angst, wenn die Polizei, die uns von unseren Steuergeldern schützen soll, sich so blöd hinstellt», sagt Ali Tulasoglu. Er habe keine Hoffnung, dass die Täter noch gefunden werden. «Wenn keiner um die Ecke kommt und sagt, ich habe es gemacht, werden die keinen finden.» Für ihn ist klar: Die Täter sind im Kreis von Rechtsradikalen zu suchen.
Das «Mangal» war einst der Traum des Gastarbeiter-Sohnes. «Ich wollte immer ein schönes Restaurant haben.» Original anatolische Küche wurde dort geboten. Im November 2019 ist davon nicht mehr als ein Werbeschild übrig geblieben. Einige der vom Dreck blinden Scheiben der Glasveranda sind gesprungen, in der Eingangstür ersetzt eine Sperrholzplatte die Scheibe, durch eine spaltweit geöffnete Schiebetür zur Terrasse hat der Herbstwind welke Blätter ins Innere gepustet. Die Wände im Lokal sind nackt, kein Putz verdeckt mehr die Steinmauern.