Edmonton in Kanada: Foodie-Metropole zwischen Feldern und Weiden

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Kevin Kossowan sieht aus, als könnte er tagelang im Wald campen und Elche, Büffel und Rentiere jagen. Im tarnfarbenen Outfit schreitet er am North Saskatchewan River entlang, der gemächlich durch Edmonton fließt. Er sucht Essbares am Wegesrand, mitten in der Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta.

Immer wieder bleibt Kossowan stehen, zückt sein Messer und verschwindet in der Botanik. «Foraging» heißt das, Nahrungssuche, und zwar in der Großstadt: Pilze sammeln, die besten Stellen für wilden Spargel suchen, Cranberries am Strauch entdecken, Meerrettich und wilden Knoblauch an der Uferböschung finden.

Regionale Produkte boomen

Kevin Kossowan ist in Kanada ein Fernsehstar, seine Sendung heißt «From the Wild» (Aus der Wildnis). Und in Edmonton nimmt er Menschen mit, um mit ihnen nach Zutaten für die Küche zu suchen. Der Ort ist gut: Mit dem River Valley hat die Stadt die größte zusammenhängenden Parklandschaft in einer nordamerikanischen Großstadt.
 

Kossowan liefert das meiste, was er findet, bei Köchen ab. Die kulinarische Szene in Edmonton ist jung und setzt auf regionale Produkte. «Wir haben jede Menge Pflanzen, die wild wachsen oder sich kultivieren lassen», sagt der Fachmann.

Allerdings ist die Saison kurz. Die Winter in der Region sind meist streng und lang. Bis zu acht Monate kann das Thermometer Minusgrade anzeigen. Doch wenn der Sommer kommt und mit ihm die langen Sonnenstunden, dann reifen Beeren und Kirschen, Gemüse und Getreide. Und Mücken sind dann unterwegs, vor allem dort, wo es feucht ist. Das Spray zum Schutz gehört also immer in die Tasche.

Edmonton hat rund eine Million Einwohner. Bekannt ist die Stadt vor allem als Ausgangspunkt für Touren zu den Nationalparks der Rocky Mountains wie Banff und Jasper. Doch die Metropole hat sich zu einem Ziel für Feinschmecker gemausert, hier lässt sich gut schlemmen.

Der Reichtum der Felder

Kelsey Johnson stammt von einer Farm im Norden Albertas und ist ebenfalls mit dem Spiel der Jahreszeiten aufgewachsen. «Wenn die Erntezeit kam, gingen die Kinder aufs Feld statt in die Schule», erzählt sie. Noch heute hat die Besitzerin des Café Linnea eine große Leidenschaft fürs Gärtnern, auch wenn sie nun mitten in der Stadt wohnt. «Ich möchte frische Kräuter in meiner Küche haben und alles, was ich in diesem Klima zum Wachsen bringe.»

Mitunter bringt Johnson diese Ambition in den rauen Verhältnissen zur Verzweiflung. «Aber umso schöner ist es, wenn ich das reife Obst und Gemüse ernten und verbrauchen kann», sagt sie.

Das Café - eine Mischung aus skandinavischem Design-Loft und französischem Bistro - ist eine Herzensangelegenheit für Johnson und drei ihrer Freunde, die alle zusammen in den Laden investiert haben. Alle vier sind noch vergleichsweise jung, kommen aus Edmonton, haben die Welt bereist und sich dazu entschlossen, wieder zurückzukehren in ihre Heimat. «Wir wollten eine Speisekarte haben, die ganz selbstverständlich das Gute aus unserer Provinz präsentiert», sagt Johnson. Denn das haben die Menschen aus Alberta lange zu verstecken gewusst. Heute ist man wieder stolz auf Kohl, Karotten, Mais, Kürbis - und vor allem auf die Kartoffeln von den weiten Feldern.

Ein weiteres Produkt, für das Alberta weit über die Provinzgrenzen bekannt ist, ist das Rindfleisch. Die Tiere bekommen besonderes Futter, sagt Metzgerin Elyse Chatterton, die vor ein paar Jahren zusammen mit ihrer Familie aus England nach Edmonton übersiedelt ist. «Um genug Mais anzubauen, den man vor allem in den USA an die Rinder verfüttert, ist es hier oben zu kalt», erklärt sie. Stattdessen bekommen die Tiere robustere Getreide wie Roggen und Gerste, bevor sie geschlachtet werden. «Dadurch hat das Fleisch einen besonderen Geschmack», sagt die gelernte Metzgerin.

Food Tour in Old Strathcona

Chatterton ist nicht nur Fleischexpertin, sie kennt sich auch mit anderen Lebensmitteln bestens aus. Sie führt Besucher durch den Stadtteil Old Strathcona, der sich in den vergangenen Jahren zum hippen Viertel entwickelt hat. Eine «Brunch und Bakeries Tour» steht auf dem Programm. Dabei wird viel spaziert, erzählt und gegessen. An jedem Stopp gibt es mindestens Probierhappen, oft ganze Mahlzeiten.

Manchmal müssen die «Foodies» sogar ihr eigenes Gebäck herrichten. So wie in der Ohana Donuterie, in der die Besucher ihre Donuts mit süßer Kokossahne füllen können. Jedermanns Sache ist dieser Geschmack nicht. «Aber jetzt weiß ich endlich, wie die Füllung in die Krapfen kommt», sagt eine Teilnehmerin mit Metallspritze in der Hand.

Ebenfalls auf das Backen spezialisiert ist Amy Nachtigall, die ihren ersten Ruhm mit Keks-Kreationen etwas ungewöhnlicher Art erreicht hat. Ein Peanut Butter Chocolate Chip Cookie mit Bacon verhalf ihr zu lokaler Berühmtheit. Danach lernte sie das Handwerk von der Pike auf.

Nachtigall bot Kuchen, Kekse und verschiedenes Gebäck an, und mit einem Kuchen-Club band sie Kunden an sich, ohne überhaupt ein Geschäft zu haben. Das kam nach einer Crowdfunding-Kampagne, bei der die Nachtigalls statt der avisierten 20 000 Dollar fast 57 000 Dollar einsammelten und ihre Bäckerei mit dem kleinen Shop einrichten konnten. Erdnussbutter-Kekse mit Schokolade und Speck findet man inzwischen nicht mehr, aber eine breite Auswahl an bunten Macarons, fluffigen Brioches, süßen Keksen und hübsch verzierten Kuchen.

Tequila und veganes Eis

Wem das alles zu süß ist, der braucht nur ein paar Häuser weiter zu gehen in die wohl kultigste mexikanische Spelunke, die in Edmonton zu finden ist: El Cortez. 150 Sorten Tequila und Mescal gibt es dort, die Einrichtung ist von einem Bühnenbildner gestaltet und mit vielen Totenköpfen durchsetzt. Aber das Essen ist authentisch, die Drinks sind fruchtig und die Kellner haben jede Menge Geschichten auf Lager.

Solche gibt es auch bei Made by Marcus zu hören, einer kleinen Eisdiele in einem Hinterhof der Whyte Avenue. «Wer den Laden nicht findet, braucht nur zu schauen, wo eine Schlange bis auf die Straße steht», sagt Elyse Chatterton. Drinnen in dem bonbonfarbenen Laden gibt es jede Menge Entscheidungen zu treffen. Veganes Eis oder eine der saisonalen Sorten? Eis aus Ziegenmilch mit Roter Beete? Oder doch eher klassisch: Erdbeer-Buttermilch, Lemon-Curd-Blaubeer oder Double Cookies and Cream? Man versteht als Besucher schnell, warum die Schlange nur ziemlich langsam kürzer wird.

Auf der anderen Straßenseite wird ebenfalls in aller Ruhe bedient - und gekocht: Chai-Tee nämlich im Remedy Cafe. «Sie setzen die Mischung an und lassen die Gewürze über Tage kochen, damit sie ihr volles Aroma entfalten können», erläutert Chatterton. Der Tee wird schließlich in verschiedenen Varianten serviert, mit Matcha, mit Ingwer oder in der Version «Dirty Chai».

Die Küche der Ureinwohner

Auf der Food-Tour in Old Strathcona sind allerdings keine Gerichte der First Nations dabei, wie die Ureinwohner in Kanada heißen. Brad Lazarenko, ein Metis, gehört schon seit vielen Jahren zur kulinarischen Szene in der Hauptstadt Albertas. Seine Küche ist modern, orientiert sich aber an den Traditionen.

«Besonders die sogenannten Drei Schwestern kommen in vielen Gerichten vor», sagt Lazarenko. Mais, Bohnen und Kürbis pflanzten die Ureinwohner schon immer miteinander. «Die drei Pflanzen gedeihen am besten, wenn sie gemeinsam wachsen. Und sie schmecken gut zusammen.»

In seinem neuesten Laden, dem Culina To Go im frisch renovierten Oliver Exchange Building nahe dem Royal Alberta Museum, bietet der Koch alle Gerichte und Zutaten auch aus der Kühlung an, so dass sie zuhause aufgewärmt werden können. Gekocht wird auch frisch, das Prinzip ist ähnlich dem eines Coffeeshops.

Eine Metropole inmitten von Weiden und Feldern

Wer aus der Stadt hinaus will, um die oft bäuerliche Landschaft um die Großstadt herum zu erkunden, braucht dort nicht auf besondere kulinarische Erlebnisse zu verzichten. Denn zwischen Feldern, die kein Ende zu nehmen scheinen, gibt es immer wieder Farmen, die an bestimmten Tagen im Sommer aufkochen.

Schnell ausverkauft ist etwa das Long Table Dinner bei der Old Red Barn in Leduc. Hier bekommt niemand ein piekfeines Sieben-Gänge-Menü auf weißen Tischdecken, sondern echte Hausmannskost - mit allem, was die Felder und Weiden drumherum hergeben. Große Schüsseln wandern von einer Hand in die nächste, sodass man gar nicht anders kann, als mit den Nachbarn rechts und links ins Gespräch zu kommen.

Oft hören gerade Besucher, die aus einer anderen Provinz oder aus dem Ausland kommen, einen lohnenden Tipp: ein Besuch des Farmer's Market. Der steigt jeden Samstag und Sonntag im Herzen der Stadt. Die Landwirte kommen von ihren Farmen rund um Edmonton, um Obst, Gemüse, Fleisch und allerlei hübsche Kleinigkeiten zu verkaufen.

Wer aus Old Strathcona kommt, kann den Weg auf ganz ungewöhnliche Weise zurücklegen: mit der alten Straßenbahn, die immer nur am Wochenende aus dem Museumsdepot geholt wird. Besonders abenteuerlich ist das, weil die Bahn über die einst höchste Brücke der Welt über den Saskatchewan River fährt. Wer ganz genau hinschaut, kann am Ufer vielleicht den einen oder anderen Edmontonian bei der Suche nach Köstlichkeiten sehen. (dpa)


 

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