Hoffen, Bangen und Kreativität: Gastronomen in der Corona-Krise

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Man möge bitte die Website beobachten, «denn bei der Regierung ist das Durcheinander nicht unerheblich», der Gesetzgeber könne noch öfter einen Haken schlagen, schreibt der aus dem «ARD-Buffet» bekannte Spitzenkoch Vincent Klink auf der Seite seines Restaurants «Wielandshöhe». Klinks Lokal in Stuttgart bleibt wohl noch mindestens bis Ende Februar geschlossen. Klink sieht die Zukunft trotz allem optimistisch. Eine Menge seiner Kolleginnen und Kollegen legen Kreativität an den Tag. Auch in diesen Zeiten wollten viele nicht auf Genuss auf höchstem Niveau verzichten, meint etwa der Potsdamer Koch Jörg Frankenhäuser. Er bietet deshalb Sterne-Menüs zum Aufwärmen zu Hause an, die praktisch unverhunzbar seien.

«Ich zwinge mich dazu, guten Mutes nach vorne zu schauen. Ich kann es ja nicht ändern», sagt der 71 Jahre alte Klink. «Außerdem bin ich katholisch aufgewachsen und somit ein Meister des Verdrängens.» Seine Altersversorgung habe die Corona-Pandemie aber zunichte gemacht.

Restaurants, die den Lockdown überstehen, haben nach Klinks Ansicht eine gute Perspektive. «Wenn wir wieder öffnen dürfen, verspreche ich mir eine gute Zukunft, da habe ich keine Angst.» Die Menschen würden zum Beispiel nicht mehr so leichtfertig ins Flugzeug steigen. Sie reisten durch Deutschland, gäben mehr Geld für Restaurantbesuche und andere Dinge aus. «Der Stellenwert der Gastronomie wird nach dem Lockdown zugenommen haben. Die Leute lernen gerade, was wirklich wichtig ist. Und die Restaurants werden dabei sein.»

Der Sternekoch Ronny Siewert in Heiligendamm an der Ostsee nahe Rostock guckt auch optimistisch in die Zukunft. «Wir hoffen, dass die Gastronomie zu Ostern wieder öffnen darf und dann kurz darauf die Hotellerie.» Er sei zuversichtlich. «Wenn nach mehreren Monaten Lockdown die Tore aufgehen, geht es von Null auf Hundert.»

Auch im Hotel «Traube Tonbach» in Baiersbronn im Schwarzwald wird angespannt gewartet. Die wirtschaftliche Lage sei «gesichert, aber mit unsicherer Perspektive», sagt Juniorchef Matthias Finkbeiner. Es fehle momentan eine verlässliche Rechengrundlage. «Kommen die versprochenen Hilfen, oder kommen sie nicht? Wir wissen es immer noch nicht. Und mit dieser Unsicherheit kann man einfach schwer planen.» Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Politik gerade die großen Arbeitgeber, die das Auskommen vieler Mitarbeiter sichern müssten, so lange im Unklaren lasse. «Durchhalten geht also zurzeit nur mit eigenen liquiden Reserven.» Scheiterten die Wirtschaftshilfen für die Branche, müssten Rücklagen aufgelöst oder Kredite aufgenommen werden. «Wir hoffen auf das Frühjahr, auf besseres Wetter, auf geduldige Gäste und solche, die nach der langen Zeit des Verzichts auf viel Schönes, langsam aber sicher wieder reisefreudiger werden.»

Das Stammhaus des Hotels «Traube Tonbach» wurde Anfang 2020 durch ein Feuer völlig zerstört. Vor dem Lockdown servierte Küchenchef Torsten Michel mit seinem Team das Essen in einer Zwischenlösung auf dem Dach des Hotelparkhauses. Das neue Stammhaus der «Traube Tonbach» mit dem Restaurant «Schwarzwaldstube» soll Anfang 2022 fertiggestellt sein. Trotz des Brandes konnte der Küchenchef der «Schwarzwaldstube» im Restaurantführer «Gault&Millau» seinen Spitzenplatz behaupten: Torsten Michel erhielt darin weiterhin 19,5 von 20 Punkten.

Zahlreiche Sterne-Restaurants bieten auch Menüs für zu Hause an, in Berlin etwa Spitzenkoch Tim Raue oder das vegetarische Ein-Sterne-Lokal «Cookies Cream». Der Potsdamer Sternekoch Jörg Frankenhäuser hat Mehr-Gänge-Menüs für die heimischen vier Wände im Angebot. 120 Euro kostet das dann pro Person. Frankenhäuser ist selbst ein wenig überrascht, wie sein Restaurant die Monate des Lockdowns überstanden hat. Er musste nach eigenen Angaben lediglich zu Beginn der Pandemie seine Mitarbeiter für zwei Wochen in Kurzarbeit schicken. Entwickelt hat er nach eigenen Angaben Gerichte, die der Gast zu Hause nicht «verhunzen» kann. Per Videoanleitungen sei alles genau vorgegeben: wie die einzelnen Komponenten erhitzt oder auf dem Teller angerichtet werden. In etwa 20 Minuten sei alles servierbereit. Für das To-go-Angebot seien intensiv soziale Medien genutzt worden. 30 bis 40 Prozent der Kunden seien Gäste, die bislang nicht zum Publikum des Sterne-Restaurants gehörten.

In Hannover hält das GOP-Varieté mit der Online-Show «Kochbox live» Kontakt zum Publikum. «Wir möchten einen Blick hinter die Kulissen bieten und unsere Gäste ein bisschen bespaßen», sagt Küchendirektor Holger Melchert. Der 50-Jährige moderiert die dreistündige Show aus dem Varieté, sein Kollege Jürgen Wawrzenetz (35) steht am Herd. Jeden Samstag können zwölf Parteien mit je zwei Personen ein Drei-Gänge-Menü mitkochen und sich per Zoom mit den Profis austauschen. Die Teilnehmer kaufen vorab eine Box mit den Zutaten und Getränken, die sie im Theater abholen oder sich schicken lassen.

Viele Restaurants sind angesichts der verordneten Schließungen erfinderisch. Beim Wohnmobil-Dinner können Gäste mit ihrem Camper auf den Restaurant-Parkplatz fahren und dort essen. Das ist zum Beispiel beim Restaurant «Funky Kitchen» im Peppermint-Pavillon auf Hannovers ehemaligem Expo-Gelände der Fall.

Der Schauspieler Christian Kahrmann (48), bekannt als Benny Beimer aus der «Lindenstraße», hat sich dagegen zu Neujahr 2021 von seinem Berliner Café verabschiedet. «Corona war für mich nicht das Hauptproblem», sagte er kürzlich der «Berliner Zeitung». Die Corona-Krise allein hätte er überlebt. Letztlich entscheidend war demnach ein Gerüst, das über Monate den Eingang verstellte, ihm fehlte dann der im Sommer erwirtschaftete Kostenpuffer für den Winter. Kahrmann betont, dass er nicht «pleite» gegangen sei. Er sei «plus minus Null» herausgekommen. Der Schauspieler und Kaffeeliebhaber hatte «Kahrmann's Own» 2012 eröffnet und sich damit einen langgehegten Traum erfüllt.

Neu-Gastronom Jimi Blue Ochsenknecht (29, «Wilde Kerle») setzt auf Geduld. Seit März 2020 hat seine «Bar Box» in Berlin-Mitte geschlossen. Dahinter steht neben dem Schauspieler und Musiker vor allem die englische Hotelgruppe Generator. Im August 2019 war es mit Restaurant und Bar losgegangen. Ochsenknecht erzählt der Deutschen Presse-Agentur, wie ein Neustart wäre: «Wir müssten 50 Prozent der Tische rausnehmen, weil die recht nah beieinander sind, und dann müssen aber von den 50 Prozent Leuten, die nur reindürfen, auch 100 Prozent kommen, damit wir auf Null sind. Wenn ein Abend ist, an dem nur 30 Prozent kommen, gehen wir gleich ins Minus. Da haben wir gesagt, wir warten lieber ab, wie sich das weiterentwickelt.» (dpa)


 

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