Marco Nußbaum, Hotelier und Unternehmer, hat mit einem LinkedIn-Beitrag eine breite Diskussion in der Hotellerie ausgelöst. Sein Einstieg: eine leere Minibar beim Check-in – für ihn Symbol eines umfassenderen Trends. Immer häufiger würden klassische Serviceleistungen durch Lobby-Märkte, Self-Service-Stores und Automaten ersetzt. Housekeeping erfolge vielerorts nur noch auf Wunsch, Rezeptionen würden durch Self-Check-in ersetzt. „Es ist die Qualität, die schleichend leidet“, so Nußbaum.
Am Frühstück verdeutlicht er die Entwicklung: Statt frischer Zubereitung dominierten Convenience-Produkte, Rührei aus dem Tetra Pak stehe exemplarisch dafür. Hotelrestaurants seien mittags meist geschlossen und abends nur geöffnet, wenn es wirtschaftlich lohne. Seine zentrale Frage: „Wie ehrlich sind wir als Branche, wenn wir Service abbauen, die Preise erhöhen und trotzdem das gleiche Versprechen aufrechterhalten?“
Ursachen: Kosten, Fachkräfte und Gästeverhalten
Viele Branchenvertreter bestätigten die Beobachtungen. Alessandra Tempest (Odyssey Hotel Group) machte die stark steigenden Lohnkosten verantwortlich: Schon für ungelernte Kräfte müssten bald 15 Euro pro Stunde gezahlt werden, für Fachkräfte bis zu 25 Euro – mit Nebenkosten über 30 Euro. „Das treibt die Gesamtkosten enorm in die Höhe – und diese müssen letztlich über höhere Zimmerpreise an den Gast weitergegeben werden.“
Nicole Villiger sah den Grund im Fachkräftemangel. Viele Mitarbeiter hätten die Branche verlassen, weil Arbeitsbedingungen und Bezahlung unattraktiv seien. Gleichzeitig seien Gäste oft nicht bereit, höhere Preise für besseren Service zu zahlen.
René Kindel verwies auf verändertes Gästeverhalten: Viele nutzten lieber den Supermarkt um die Ecke oder das Café nebenan, statt Minibar oder Hotelrestaurant. Dienstreisende würden zudem häufig über Arbeitgeber abrechnen, wodurch der persönliche Zahlungswille sinke.
Miriam Merks kritisierte den Qualitätsrückgang bei der Zimmerreinigung: Fremde Haare im Bett oder in der Dusche seien inzwischen auch in Vier- und Fünf-Sterne-Häusern keine Seltenheit.
Stimmen zwischen Kritik und Chancen
Die Reaktionen zeigten ein breites Spektrum.
Bjørn Stremme beobachtete den Rückgang klassischer Serviceelemente wie Roomservice oder persönlichen Frühstücksservice. Dunja Schenk wies darauf hin, dass Gäste für 24 Euro ein Buffet mit Convenience-Produkten bekämen, während die Zimmerreinigung oft entfalle – WLAN gebe es dagegen „kostenlos“.
Holger B. beschrieb, dass Service in vielen Häusern deutlich abgenommen habe – auch in höherklassigen Hotels. Selbst in Fünf-Sterne-Häusern seien Minibars oft leer, ergänzte Tanja Zeitz.
Andere sahen Chancen: Sandro Schmidt verwies auf ein Hotel, in dem eine kostenlose Minibar, regionale Frühstücksprodukte und ein durchgängiges à-la-carte-Angebot Standard seien – Leistungen, die sich bewusst vom Markt abheben. Dominik Bollig berichtete von einem neuen Hotelprojekt, das stark auf motivierte Fachkräfte und echten Service setze.
Strukturprobleme und Marktveränderungen
Auch strukturelle Faktoren wurden diskutiert. Florian Boroffka und Nußbaum nannten überhöhte Pachten und investorengetriebene Projekte als Ursache für Renditedruck und Serviceabbau.
Moritz von Petersdorff-Campen (SuitePad) stellte fest, dass alternative Anbieter wie Airbnb, Limehome oder Numa von den Veränderungen profitieren, da sie digitale Prozesse und klare Positionierungen bieten. Klassische Hotels müssten sich entscheiden, ob sie den Weg maximaler Effizienz gehen oder sich bewusst über Service und Erlebnisse abgrenzen.
Robin Renschler warnte, dass insbesondere der Vier-Sterne-Markt in seiner bisherigen Form verschwinde. Talente orientierten sich eher zur Luxushotellerie oder verließen die Branche.
Forderungen nach Transparenz und Positionierung
Viele Kommentare betonten die Notwendigkeit klarer Kommunikation. Christian Kuhn forderte Ehrlichkeit: Gäste sollten klar wissen, welche Leistungen sie erwarten dürfen und welche nicht mehr Teil des Angebots seien. Kümmel Guszan Diana hob hervor, dass Preisniveaus zwischen Zwei- und Fünf-Sterne-Häusern oft verschwimmen – Ehrlichkeit bedeute hier, die tatsächliche Leistung transparent zu machen.
Franziska Maria Ochs betonte das Zwischenmenschliche als künftigen USP: „Das echte Willkommensgefühl, das Gesehenwerden, das Erwartungen übertreffen – das ist es, was zählt.“
Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Glaubwürdigkeit
Die Diskussion zeigt, wie tiefgreifend der Umbruch ist: Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Investorenstrukturen und veränderte Gästebedürfnisse führen zu einem deutlichen Serviceabbau. Gleichzeitig sehen viele Stimmen Chancen für Hotels, die auf klare Positionierung, Transparenz und ein bewusst gepflegtes Serviceerlebnis setzen.
Nußbaum selbst bringt es auf den Punkt: Die Branche müsse ehrlich werden, wenn sie ihr Vertrauen und ihre Glaubwürdigkeit bewahren wolle.













