Winzer-Experimente: „Dezenter Hype“ beim Orange-Wein

| Industrie Industrie

Roh, verstörend, untrinkbar - viele, die zum ersten Mal einen Orange-Wein trinken, verziehen das Gesicht. Wer sich aber einmal mit den auf der Maische vergorenen Weißweinen anfreundet, schätzt die besondere Geschmackserfahrung. Der Marktanteil solcher Weine ist gering, liegt bei weniger als einem Prozent. Der Wunsch nach möglichst ursprünglicher Ernährung verstärkt nach Einschätzung von Experten aber auch das Interesse an Orange-Weinen.

Deren Besonderheit ist, dass die Maische zunächst nicht vom Saft getrennt wird. Kerne und ausgepresste Beerenhaut haben so länger Zeit, Gerbstoffe und Aromen abzugeben. Fachleute sprechen von längerer Maischestandzeit. So wie beim Rotwein die Farbe aus der Beerenhaut kommt, erhält der Orange-Wein eine zarte Tönung, die zwischen bernsteinfarben und orange changiert.

Manche Orange-Weine werden auch als Naturweine hergestellt, also ohne jegliche Zusatzstoffe wie Schwefel. Sie verwenden dann für die Gärung ausschließlich die Hefepilze, die auf den Trauben liegen. Im konventionellen Weinbau werden hingegen Reinzuchthefen eingesetzt, mit denen sich der Gärprozess präziser steuern lässt.

Die rheinhessische Winzerin Hanneke Schönhals entdeckte den Orange-Wein in einer Berliner Weinbar. «Erst einmal war ich erschrocken über dieses Aroma», erinnert sie sich. «Aber es hat mich nicht mehr losgelassen.» Als sie das Weingut ihres Vaters in Biebelnheim (Kreis Alzey-Worms) übernahm, legte sie 2016 ihren ersten Orange-Wein in ein Barrique-Fass. Das Ergebnis war vielversprechend genug, um in den folgenden Jahren die Menge zu steigern. «Es ist ein stetiges Wachstum auf kleinem Niveau», sagt Schönhals. Der Fachhandel in Deutschland habe sich noch nicht so sehr für Orange-Wein erwärmen können, aber in Dänemark gebe es eine große Nachfrage danach.

«Auf der einen Seite finde ich Orange-Weine total spannend, weil sie neue Geschmackserlebnisse bieten», sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Ökologischer Weinbau (Ecovin), Ralph Dejas. «Auf der anderen Seite werden diese Weine aber wohl nie massenkonform werden.» Orange sei eine Spielwiese für viele Winzer, um experimentelle Weine zu entwickeln. «Sie zeigen, welches Potenzial in einer Rebsorte steckt.»

Der Winzer Marc Weinreich hat dafür den Chardonnay ausgewählt. Sein Orange heißt «Des Wahnsinns fette Beute» und macht so von vornherein klar, dass den Weintrinker etwas ganz anderes erwartet. Er lässt die Trauben sechs Wochen auf der Maische gären und kostet in dieser Zeit manchmal täglich, wie sich der Geschmack entwickelt. «Es ist ein kontrolliertes Nichtstun», beschreibt der in Westhofen bei Worms lebende Winzer dieses Verfahren.

Er vermarktet seine Natur- und Orange-Weine getrennt von den konventionelleren Weinen, darunter auch einen «Pet Nat», einen Schaumwein, der aus einem noch gärend abgefüllten Wein entsteht. Es gebe einen «dezenten Hype» für Orange-Wein, sagt Weinreich. In Deutschland relativ wenig gefragt, gehen 80 Prozent seiner Naturweine ins Ausland, vor allem nach Skandinavien und in die USA. In diesem Jahr sei auch Japan dazu gekommen.

Hanneke Schönhals verwendet für ihren Orange-Wein Trauben der Rebsorte Cabernet Blanc - eine neue Sorte, die zu den pilzwiderstandsfähigen Reben gehört, kurz Piwi genannt. «Diese Traube hat ganz viele Aromatik in der Schale - wenn man sie im Herbst probiert, ist das wie ein Kräutergarten.» Mit Blick auf die Gerbstoffe in der Traubenhaut beschränkt sie die Maischegärung auf zwei bis drei Wochen.

«Die Idee ist, die Traube das machen zu lassen, was sie mitbringt und was sie von sich aus kann», erklärt die Winzerin. Dazu gehören auch Enzyme, die den Zucker spalten und dabei Aromastoffe freisetzen. «Die Trauben haben natureigene Enzyme - denen muss man Zeit geben, dass sie aktiv werden.»

Orange-Wein sei ein Nischenprodukt, sagt der Vorsitzende des Vereins Rheinhessenwein, Thomas Schätzel. Die Zielgruppe sei überschaubar, gehe aber quer durch alle Generationen und erreiche auch junge Weinfreunde. Die neue rheinhessische Weinkönigin Eva Müller hat bereits Orange-Wein ausgebaut und sagt: «Es ist etwas komplett anderes.»

Für Winzer sei es nicht ganz risikolos, den Wein teilweise über Monate sich selbst zu überlassen, erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. In diesem Prozess könnten sich auch Fehltöne entwickeln, die den Wein unverkäuflich machten. «Andererseits ist diese Form der Weinbereitung sehr reizvoll für immer mehr Erzeuger, weil sie die Chance bietet, ausgesprochen komplexe und körperreiche Weine abseits des Mainstreams zu erzeugen.»

Orange-Wein sei etwas für Querdenker und Freigeister, bestätigt Hanneke Schönhals. Das Querdenken habe ihr die Mutter beigebracht. Als Referenz an deren niederländische Herkunft nennt sie ihren Orange-Wein «Oranje». «Man muss sich darauf einlassen und sich von allen Kategorien verabschieden, die man gelernt hat.»

Von Peter Zschunke, dpa

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Preise für Schokoladen und Pralinen kurz vor dem Weihnachtsgeschäft massiv angezogen haben. Hintergrund sind die hohen Preise für die Rohstoffe Kakao und Zucker.

Pressemitteilung

Nachhaltigkeit ist für Supreme Sports Hospitality (Supreme) ein zentrales Anliegen. Im Deutsche Bank Park in Frankfurt sowie im Weserstadion in Bremen setzt der Stadioncaterer daher seit diesem Jahr verstärkt auf digitale Innovation und effiziente Prozesse zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Auch am neu übernommenen Standort, dem Rudolf-Harbig-Stadion in Dresden, wird der nachhaltige Ansatz nach Abschluss der Implementierungsphase weiterverfolgt.

Die BHS tabletop AG plant, ihre Produktion am Standort Schönwald spätestens Ende 2027 einzustellen. Das Unternehmen, das Marken wie Bauscher und Schönwald führt, begründet die Entscheidung mit massiv steigenden Standortkosten, komplexen Prozessen und stagnierenden Märkten.

In der Pfalz, an der Mosel, der Hessischen Bergstraße sowie in Franken, Sachsen und dem Anbaugebiet Saale-Unstrut haben mehrere Winzer Eiswein-Trauben geerntet. Eine Besonderheit im November.

Pressemitteilung

Seit dem Jahr 2000 revolutioniert Salto, wie Menschen Türen öffnen und Räume weltweit sichern. Aus einem kleinen Start-up in Spanien ist ein globaler Technologieführer geworden, der mit seinem intelligenten Zutrittsökosystem Türen zu neuen Chancen, Verbindungen und Wachstum öffnet.

Pressemitteilung

​​​​​​​Auf der Intergastra präsentiert Winterhalter unter dem Leitmotiv „Don’t worry. Just wash.“ seine bewährten Spülsysteme und ergänzt diese um zukunftsweisende Services mit zahlreichen Vorteilen für Kunden. Mit EasyAccess, Remote Services und EcoPilot zeigt das Unternehmen, wie sich Spülprozesse künftig noch einfacher, sicherer und wirtschaftlicher gestalten lassen.

Pressemitteilung

Rund 3.000 junge Bäume wurden im Waldgebiet Schauener Holz nahe Wernigerode gesetzt und ergänzen die jährlich insgesamt 10.000 neuen Bäume, mit denen das GreenSign Institut die Harzer Wälder kontinuierlich unterstützt.

Die Brauerei Oettinger wird in Braunschweig kein Bier mehr brauen. Die Entscheidung sei endgültig, sagte eine Sprecherin der Brauerei. Die Gewerkschaft hatte sich noch gewehrt - jedoch ohne Erfolg.

Der Bierabsatz sinkt - vor allem junge Kunden bleiben weg. Auch Wein wird seltener getrunken. Die Produzenten sehen den Genuss ihrer Getränke zu unrecht an den Pranger gestellt.

Eigentlich müsste es ein Grund zur Freude sein, aber weder Landwirte noch die Verbraucher können in diesem Jahr über die reichhaltige Kartoffelernte jubeln. Die Gründe sind vielfältig.