Hoffen auf Meer: Wohin steuert die Kreuzfahrt?

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Es ist eine der vielen Absurditäten der Pandemie: Während die meisten Menschen wochenlang in einem Lockdown ausharren, gehen andere wieder auf Kreuzfahrt - etwa rund um die Kanaren auf der «Mein Schiff 1» oder «Mein Schiff 2» von Tui Cruises. Allerdings gelten an Bord strenge Hygienebedingungen - der neue Normalzustand.

Wann Urlauber wieder uneingeschränkt an Bord eines Kreuzfahrtschiffs gehen können und die alte Reisefreiheit auf See zurückkommt, ist schwer absehbar. «Derzeit geht es darum, im Sommer wieder starten zu können und die Saison zu retten», sagt der Kreuzfahrt-Experte Prof. Alexis Papathanassis von der Hochschule Bremerhaven. «Ob das klappt, weiß man noch nicht. Das hängt vom Verlauf der Pandemie ab, vom Fortschritt bei den Impfungen und wie effektiv diese sein werden.»

Bei Aida Cruises gibt man sich zuversichtlich: «Wir beobachten die Entwicklung in unseren Destinationen sehr genau, sind aber zuversichtlich, auch in unseren klassischen Sommerdestinationen wie Nordeuropa, dem Baltikum oder dem Mittelmeer Kreuzfahrten anbieten zu können», sagt Aida-Sprecher Hansjörg Kunze. Erst am 20. März war mit der «Aida Perla» auf Gran Canaria das erste Schiff der Reederei nach einer knapp dreimonatigen Zwangspause wieder in See gestochen.

Ein weiteres Jahr der Unsicherheit

Volle Fahrt aufnehmen dürfte die Kreuzfahrt im Sommer allerdings noch nicht. Bei Norwegian Cruise Line (NCL) ist zumindest das vierte Quartal 2021 schon gut gebucht, wie Europa-Chef Kevin Bubolz kürzlich auf der Reisemesse ITB sagte. Sehr viele Vorausbuchungen verzeichne man schon für die Jahre 2022 und 2023.

Offenbar ist der Nachholbedarf bei den Urlaubern aber groß. «Viele Menschen wollen reisen und warten gerade erst einmal ab», sagt Alexis Papathanassis. «Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig die Reisefreiheit ist.» Kreuzfahrten, die meist von Absprachen mit Häfen in unterschiedlichen Ländern abhängen, haben es da derzeit schwer.

Die Kreuzfahrt als geschlossenes System

Papathanassis rechnet mit einer neuen Normalität: «Vieles wird digitaler und einfacher werden, zum Beispiel was kontaktlose Transaktionen an Bord oder Automatisierung angeht.» Die Branche konsolidiere sich, ältere Schiffe würden ausgemustert. Und: «Der Trend zum Riesenschiff wird sich fortsetzen.»

Heute hier, morgen dort - womöglich in einem anderen Land: Dieses Prinzip der Kreuzfahrt dürfte noch längere Zeit starken Beschränkungen unterliegen. «Ich schätze, die Zahl der angelaufenen Häfen wird eher sinken, und ich rechne mit einer engeren Kooperation mit einzelnen Häfen», sagt Papathanassis. So werde es bei der Routenvielfalt weiter Einschränkungen geben. «Man wird schon unterschiedliche Länder ansteuern, aber weniger Häfen.»

Denkbar ist dem Experten zufolge auch ein Modell ähnlich wie in den USA, wo die Reedereien in der Karibik eigenen Inseln haben. «Solche Orte sind eine Erweiterung des Schiffes», sagt Papathanassis. «Das bedeutet noch weniger Kontakt zur Außenwelt.» Derzeit sind Landgänge etwa bei Tui Cruises streng limitiert und nur in der Gruppe möglich. «Das geschlossene System Kreuzfahrt wird an Land erweitert.» Man werde zum Beispiel noch mehr organisierte Ausflüge anbieten.

Wie steht es um die Preise? «Ich gehe davon aus, dass Kreuzfahrten wieder teurer werden», sagt Branchenkenner Papathanassis. «Wir sehen nämlich ein reduziertes Angebot bei einer gleichbleibenden oder mittelfristig sogar noch verstärkten Nachfrage.»

Wie es jetzt weitergehen könnte

Noch fahren wieder recht wenige Kreuzfahrtschiffe. In den USA steht das Geschäft wegen hoher Auflagen derzeit noch still. Europa ist hier dank strenger Sicherheits- und Hygienemaßnahmen weiter. Die Pflicht zu einem PCR-Test vor der Reise ist dabei ein zentraler Pfeiler.

Pierfrancesco Vago, Chef von MSC Cruises, sieht drei Phasen für die Branche. Zuerst galt es, auf den Ausbruch der Pandemie zu reagieren. Die zweite Phase ist von Testverfahren und Hygienekonzepten geprägt - «das Schiff als Blase», wie Vago auf der ITB sagte. Und Phase drei folge mit dem Ausrollen der Impfungen - ein weiterer «Game Changer».

Manche US-Reederei hat bereits angekündigt, nur geimpfte Gäste an Bord zu lassen. In Europa kommt das Impfen allerdings nicht voran. «Große, deutsche Reedereien wie insbesondere Aida und Tui Cruises werden sich daher in absehbarer Zeit keine Impfpflicht leisten können und haben auch schon deutlich gemacht, dass das derzeit für sie kein Thema sei», schreibt der Kreuzfahrt-Experte Franz Neumeier auf der Seite Cruisetricks.de.

Das heißt aber auch: Je länger sich die Impfungen in Europa verzögern, desto später wird auch die Kreuzfahrt wieder volle Fahrt aufnehmen können - so wie der Freizeitbereich insgesamt. Hier sitzen alle im gleichen Boot, nicht nur die Schiffsreisenden.


 

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