Inflation zu stark: Reallöhne das dritte Jahr in Folge gesunken

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Die Einkommen der Arbeitnehmer in Deutschland können mit der Inflation immer weniger mithalten. Die Reallöhne sind 2022 das dritte Jahr in Folge gesunken, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag berichtete. Vor allem die von den Energiepreisen getriebene Inflation von 7,9 Prozent hat die Steigerung der Nominallöhne von 3,4 Prozent vollständig zunichte gemacht und zusätzlich die Kaufkraft der Arbeitnehmer ins Negative gemindert. Ob im laufenden Jahr eine Kehrtwende eintritt, hängt auch von den laufenden Tarifverhandlungen ab.

Nach vorläufigen Berechnungen nennt das Bundesamt für die Reallöhne einen Rückgang von durchschnittlich 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist der mit Abstand höchste Kaufkraft-Verlust seit Beginn der statistischen Reihe im Jahr 2008. Hohe Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Menschen können sich für einen Euro immer weniger leisten, was zum Jahresende 2022 bereits deutlich auf den privaten Konsum gedrückt hat. «Die Konsumenten sind nicht immun gegen eine Erosion ihrer Kaufkraft durch die rekordhohe Inflation», erläutert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Die deutschen Reallöhne sind in der Corona-Krise bereits seit zwei Jahren rückläufig, nachdem es in den 2010er-Jahren fast ausschließlich Zuwächse gab. Im Jahr 2020 hatte zunächst der flächendeckende Einsatz von Kurzarbeit zu einer negativen Lohnentwicklung geführt. In den vergangenen zwei Jahren war dann der Anstieg der Verbraucherpreise der wichtigste Grund für den Schwund bei den Reallöhnen. Die Veränderung des Reallohns wird berechnet, indem man vom durchschnittlichen Zuwachs des nominalen Bruttolohns den Anstieg der Verbraucherpreise abzieht.

Für die Tarifbeschäftigten hat die gewerkschaftliche Böckler-Stiftung sogar einen Reallohnverlust von 4,8 Prozent berechnet, weil 2022 nur für wenige Beschäftigte neue Tarifabschlüsse wirksam wurden. Dabei war aber ein deutlicher Trend zu höheren Abschlüssen erkennbar, sagt Thorsten Schulten, Leiter des zuständigen WSI-Tarifarchivs. Die Steigerung der Tariflöhne um durchschnittlich 4,1 Prozent bei den Neuabschlüssen reichte aber nicht zum Ausgleich der Teuerung. «Die Inflation ist stets eine Verteilungsfrage. Bislang ist sie stark auf Kosten der Beschäftigten bezahlt worden», sagt der gewerkschaftliche Experte.

Im laufenden Jahr werde es höhere Abschlüsse geben, ist sich Schulten angesichts zweistelliger Tarifforderungen etwa bei der Post, im öffentlichen Dienst oder aktuell bei der Bahn sicher. «Es muss eine höhere Lohndynamik geben.»

Die Inflation als zu übertreffende Marke ist derzeit rückläufig, zudem greifen die verschiedenen staatlichen Hilfsprogramme wie die Energie-Preisbremsen und direkte Zuschüsse. In vielen Tarifabschlüssen wird die staatliche Vorgabe genutzt, 3000 Euro Steigerung steuer- und abgabenfrei zu halten. Für das laufende Jahr 2023 erwartet die Bundesregierung eine Preissteigerung von noch 6,0 Prozent auf der Verbraucherebene. Die Reallohnverluste könnten also zurückgehen, wenn die Gewerkschaften höhere Abschlüsse durchsetzen.

Am unteren Ende der Lohnskala gab es 2022 übrigens keine Reallohnverluste, denn der gesetzliche Mindeststundenlohn stieg von 9,82 Euro zu Jahresbeginn auf 12,00 Euro, also mehr als 20 Prozent. Im laufenden Jahr wird zwar über eine erneute Erhöhung nachgedacht, die aber erst zum Jahresbeginn 2024 ansteht.

Financial Outlook Report 2023: Weltweites Absinken des persönlichen Einkommens in 2022

Der Ukraine-Krieg, Unterbrechungen von Lieferketten durch die Corona-Pandemie, das Steigen der Inflationsraten, eingeschränkte Verfügbarkeit von Öl und Gas – diese und weitere Faktoren führten weltweit dazu, dass Preise im Jahr 2022 schneller stiegen als Haushaltseinkommen. Vergleicht man den Prozentsatz jener Personen in den 18 von YouGov untersuchten Märkten, deren Einkommen in den letzten 12 Monaten zugenommen hat (15 Prozent), mit dem jener Personen, deren Einkommen abgenommen hat (50 Prozent), so ergibt sich ein negativer Discretionary Spending Index (DSI) von -35 Prozent weltweit. Der DSI misst die Ermessenausgaben pro Person. In allen untersuchten Märkten ist dieser Wert für die vergangenen 12 Monate negativ.

Unter Verwendung des YouGov DSI-Rechners weist Großbritannien hierbei mit -52 Prozent den negativsten Wert auf, gefolgt von Italien (-49 Prozent) und Polen (-46 Prozent). In diesen drei Ländern ist die Differenz zwischen schrumpfenden und wachsenden Einkommen am größten. Deutschland schneidet mit -28 Prozent am besten im Vergleich der in Europa untersuchten Länder ab.

Die DSI-Werte asiatischer Märkte sind zwar auch im negativen Bereich, der Verlust liegt hier allerdings unter jenem westlicher Märkte: Am positivsten sind die Verbraucher-Angaben zu ihren Einkommen der letzten 12 Monate in Indien (-13 Prozent), gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (-22 Prozent), Hongkong und Singapur (jeweils -26 Prozent).

Dies sind Ergebnisse des YouGov Reports „Financial Outlook 2023: Navigating the storm”. Die Studie zeigt aus Verbrauchersicht, welche Märkte und demografischen Gruppen finanziell am stärksten von der Krise betroffen sind und wie die Verbraucher mit den Folgen umgehen. Die Daten geben zudem Aufschluss darüber, welche finanziellen Prioritäten die Verbraucher vor dem Hintergrund der Finanzkrise setzen.

DSI-Aussicht auf zukünftige 12 Monate positiver als auf vergangene 12 Monate

In den kommenden 12 Monaten ist eine Abschwächung der negativen Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Verbraucher erkennbar. Auf Grundlage der Verbraucher-Aussagen ergibt sich ein globaler DSI von -28 Prozent (vs. -35 Prozent der vergangenen 12 Monate). Deutschland ist hierbei eines der wenigen Länder, deren DSI-Werte mit Blick auf das kommende Jahr negativer werden (-28 Prozent der vergangenen 12 Monate vs. -30 Prozent der zukünftigen 12 Monate). Damit liegt Deutschland unter dem weltweiten Durchschnittswert.
 


 

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