So können Beschäftigte Überstunden ausgleichen

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Sobald das Überstundenkonto sich füllt, stellt sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Frage, wie sie es am besten wieder leeren: Möchten sie mehr Freizeit oder lassen sie sich auszahlen? Und: Steht es ihnen überhaupt zu? Klare Richtlinien gibt es nicht, aber umso mehr Schlupflöcher für Vorgesetzte.

Für Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg, gilt grundsätzlich die simple Gleichung: Arbeit nur gegen Vergütung - das zählt auch bei zusätzlicher Arbeit. Das folgt aus Paragraf 612 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wo es heißt: «Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.»

Außerdem ist die Regelung im Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) festgelegt, wonach im Arbeitsvertrag vereinbarte «pauschale Geltungsklauseln unvereinbar und unwirksam» sind, so Markowski.

Diese Regelungen sind rechtswidrig

Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heißt das konkret: Sie können manchen Formulierungen widersprechen. Laut Markowski fallen darunter Klauseln, nach denen «erforderliche Überstunden» mit dem monatlichen Entgelt abgegolten sind. Genauso zählen dem Fachanwalt zufolge dazu Formulierungen im Arbeitsvertrag, die Beschäftigten «für Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung» zugestehen.

Schwammige Klauseln sind aber ohnehin die Ausnahme. Meist würden Arbeitgeber Überstunden mit dem regulären Stundenlohn vergüten, sagt Markowski. «Je nach Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann es auch noch Überstundenzuschläge geben.» Gibt es in Unternehmen einen Betriebsrat, müsse dieser Überstunden zunächst zustimmen.

Achtung: Überstunden-Falle

Ein paar Tricks, um diese Regelungen zu umgehen, gibt es aber laut Jürgen Markowski dennoch. Geht aus einem Arbeitsvertrag etwa transparent hervor, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang erfasst werden sollen, sind sie laut ständiger BAG-Rechtsprechung zulässig.

Das erklärt der Bund-Verlag mit Verweis auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Az. 2 Sa 26/21). Das Gericht entschied in dem Fall, dass eine Pauschalabgeltung von zehn Stunden Mehrarbeit weit verbreitet und daher nicht ungewöhnlich sei.

Ist also im Arbeitsvertrag vereinbart, dass mit dem Gehalt eine bestimmte Anzahl von Überstunden abgegolten sein soll, muss der Arbeitgeber sie nicht zusätzlich vergüten. Von solchen Verträgen sollte man aus Sicht von Arbeitsrechtler Markowski aber die Finger lassen. Es lege den Verdacht nahe, dass durch Zwangsüberstunden Personal eingespart wird.

Zustimmung für Überstunden einholen

Ähnlich unschön und «unangemessen benachteiligend» findet Markowski Formulierungen in Arbeitsverträgen, wodurch der Arbeitgeber festlegt, dass für die Vergütung Überstunden «ausdrücklich angeordnet» sein müssten oder aus «betrieblichen Gründen zwingend notwendig». Das heißt: Arbeitet ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin freiwillig länger, müsse der Vorgesetzte dies nicht honorieren.

Um auf der sicheren Seite zu sein empfiehlt es sich daher, rechtzeitig die Führungskraft zu informieren und sich deren Einverständnis zu holen, raten die Experten von «Finanztest». Das sei auch per E-Mail möglich.

Maximale Anzahl an Überstunden ist geregelt

Bleibt die Frage: Wie viele Überstunden sind überhaupt erlaubt? Laut Jürgen Markowski ist das individuell geregelt. In einem Tarifvertrag sind häufig Obergrenzen vermerkt. Ohne Tarifvertrag gilt das Arbeitszeitgesetz, das täglich maximal zehn Arbeitsstunden und insgesamt 60 Wochenstunden vorsieht. Aber auch eine Betriebsvereinbarung lege oft Grenzen fest.

Läuft das Überstundenkonto langsam voll, haben Arbeitnehmer die Wahl: Lassen sie sich in Geld oder Zeit auszahlen? Markowski rät - sofern im Arbeitsvertrag festgelegt - zum Freizeitausgleich. Dadurch sei der Vorgesetzte gezwungen, ausreichend Beschäftigte als Ausgleich zu beschäftigen. Denn auch in diesem Punkt sieht er Überstunden als Warnzeichen für Personalmangel. Genauso wenig sollten diese sich über einen langen Zeitraum hinweg ansammeln und womöglich verfallen.

Müssen Arbeitnehmer Überstunden leisten?

Stehen Arbeitnehmer vor der Entscheidung, ob sie überhaupt zu Überstunden verpflichtet sind, sollten sie sich vorab den Arbeitsvertrag gut durchlesen. Nur mit einer Rechtsgrundlage darf der Vorgesetzte laut Markowski Überstunden einfordern. Das Weisungsrecht alleine reiche nicht aus. Ohne vertragliche Regelung müsse sich der Arbeitgeber schon in einer Notlage befinden, die keinen anderen Ausweg zulässt.

Darüber hinaus gibt es auch Beschäftigte, die gar keine Überstunden leisten müssen. Darunter fallen laut Jürgen Markowski Schwerbehinderte, werdende und stillende Mütter und Jugendliche. Auch bei Auszubildenden müsse der Ausbilder auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Arbeits- und Freizeit achten und während der Überstunden selbst anwesend sein.

Überstunden sollten nicht zum guten Ton gehören

Finden sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ungewollt in einem Arbeitsumfeld wieder, in dem Überstunden zum guten Ton gehören, empfiehlt der Arbeitsrechtler, diese zu notieren und die Erwartungshaltung nicht allzu lange zu erfüllen. «Wer ständig Überstunden macht, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, lässt sich über den Tisch ziehen», sagt Markowski. Ändert sich daran nichts, sei es ratsam, sich parallel einen neuen Arbeitgeber zu suchen.

Zur Person: Jürgen Markowski ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg und Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Wer vom Arbeitgeber eine Kündigung erhält, kann gerichtlich prüfen lassen, ob das Arbeitsverhältnis rechtmäßig beendet wurde. Wie Sie vorgehen müssen, wenn Sie sich gegen eine Kündigung wehren wollen.

 

Die Frühjahrsbelebung auf dem Arbeitsmarkt fällt in diesem Jahr nur verhalten aus, weil die Konjunktur weiter schwächelt. Immerhin läuft es bei den Lehrstellen etwas besser.

In wenigen Wochen startet die Fußball-EM in Deutschland. Die Vorfreude vieler Fußballfans steigt. Aber wie sieht es bei den Hoteliers und Gastronomen aus? Rechnen Deutschlands Gastgeber in der Zeit vom 14. Juni bis 14. Juli mit mehr Geschäft? Der DEHOGA bittet um ein Stimmungsbild, um Anfragen qualifiziert behandeln zu können.

Brot zählt hierzulande zu den Grundnahrungsmitteln. Allerdings mussten Verbraucherinnen und Verbraucher hierfür zuletzt tiefer in die Tasche greifen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, stiegen die Preise für Brot und Brötchen von 2019 bis 2023 um satte 34,4 Prozent.

Die Beschäftigten im Thüringer Gastgewerbe bekommen mehr Geld. Die Entgelte steigen in drei Stufen bis zum Juli 2026 um insgesamt rund 18 Prozent. Das teilten die Arbeitgeber und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Montag gemeinsam nach dem bereits in der ersten Verhandlungsrunde erzielten Tarifabschluss mit.

In den konsumnahen Branchen sind die Preiserwartungen gestiegen. Vor allem Unternehmen in der Gastronomie und im Einzelhandel planen laut Ifo-Institut mit steigenden Preisen.

Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten im Mittel wöchentlich 53 Minuten länger und verdienen trotzdem gut zehn Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung, so eine Studie der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung.

Während 2023 jede zweite Frau einer Teilzeitbeschäftigung nachging, lag die Teilzeitquote unter den Männern mit 13 Prozent deutlich niedriger. Bei Müttern und Vätern war der Unterschied sogar noch größer.

Der Verdienstabstand zwischen Gering- und Besserverdienenden in Deutschland hat sich zwischen April 2022 und April 2023 im Zuge der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns verringert. Zuvor hatte sich der Verdienstabstand zwischen April 2018 und April 2022 kaum verändert.

Die Arbeitskosten sind im Gastgewerbe in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das zeige eine Auswertung des Statistischen Bundesamts, wie der DEHOGA Bundesverband berichtet. Zwischen 2019 und 2023 legten die Kosten für eine geleistete Arbeitsstunde im Gastgewerbe um 38,5 Prozent zu.