Fleischersatz für das Gewohnheitstier Mensch - Hype um Pflanzen-Burger

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Grünkernbratling war gestern, heute müssen sich Gaumenschmaus und klimaschonende Ernährung nicht mehr ausschließen. Zurzeit sorgen neue pflanzliche Burger für Gesprächsstoff. Doch warum müssen  diese Produkte überhaupt genauso aussehen und schmecken wie Fleisch?

Würzig, fest, saftig - der Biss in den Burger offenbart eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Original. Gleich mehrere neuartige Fleischersatzprodukte sind auf dem deutschen Markt angekommen, mit teils großem Erfolg. Kaum ein Grillfest in diesem Sommer, auf dem nicht über «Beyond Burger» oder «Incredible Burger» mindestens diskutiert wird. Selbst FDP-Chef Christian Lindner bekannte, glücklicher Aktionär eines der Herstellerunternehmen zu sein.

Bestand Fleischersatz bis vor wenigen Jahren hauptsächlich aus Getreide oder Soja, gibt es inzwischen zahlreiche Alternativen. Neben Pilzen, Bohnen und Erbsen ist darunter auch eher Exotisches wie die Jackfrucht, deren Inneres an Hähnchenfleisch erinnern soll.

Die neuartigen Burger basieren auf Erbsen-, Weizen- oder Sojaprotein. Mit gesunden Grünkernbratlingen aus dem Naturkostladen haben sie nichts mehr gemein, es handelt sich um hochverarbeitete Lebensmittel. Einen von ihnen gibt es seit Ende April auch in einer großen Fast-Food-Kette. Er solle an Fleisch erinnern, nicht an Quinoa oder Gemüse, stellte das Unternehmen zur Einführung klar.

Aber warum muss das Ganze überhaupt schmecken und faserig sein wie echtes Fleisch? Dies liege an der Zielgruppe, sagt der Gießener Lebensmittelchemiker Holger Zorn, der selbst an der Entwicklung von Wurst aus Bestandteilen von Speisepilzen beteiligt ist. Es gehe um die Konsumenten, die zwar Fleisch äßen, aber dies reduzieren wollten.

Und da in Europa jeder die Wahl habe zwischen Fleisch und pflanzlichen Ersatzprodukten, müssten diese dem Original möglichst nahekommen. Das gelte für das Gefühl im Mund und natürlich den Geschmack. «Ein Lebensmittel, das nicht schmeckt, kann ökologisch und sinnvoll sein, wie es will, es wird nicht gekauft werden», sagt der Professor.

Sich nicht allein auf Veganer und Vegetarier zu konzentrieren, ergibt mit Blick auf die Zahlen Sinn. Denn deren Anteil an der Bevölkerung beträgt je nach Untersuchung nur um die zehn Prozent. Ihren Fleischkonsum verringern wollen dagegen weitaus mehr Bundesbürger. Mehr als ein Drittel der Haushalte rechnete die Gesellschaft für Konsumforschung im Jahr 2016 zu dieser Gruppe, mit steigender Tendenz.

Dass trotz des Wissens um die Folgen für Ökologie, Klima und Tiere für viele Menschen ein gänzlicher Verzicht nicht infrage kommt, hänge damit zusammen, dass Fleisch ein Symbol für Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand sei, sagt der Ernährungspsychologe Christoph Klotter. «Wenn ich kein Fleisch mehr essen würde, würde ich mich bedroht fühlen», erklärt der Fuldaer Professor.

Gerade beim Grillen zeige sich, dass es noch um mehr gehe: «Fleisch ist auch ein Symbol für das männliche Geschlecht. Traditionelle Männer sind überzeugte Fleischesser.» Beim sommerlichen Gartenfest werde eine Millionen Jahre alte Menschheitsgeschichte reproduziert:

«Die Erfindung des Feuers und der Mann als Jäger, der grillen darf. Die Frau stimmt dem zu. Das ist ein ganz primitives Geschlechts-Rollen-Muster», sagt der Psychologe. Vegetarismus und Veganismus seien dagegen weiblich geprägt. Die neuen Pflanzenburger stellten einen guten Kompromiss dar.

Der Verband Proveg, vormals Vegetarierbund, spricht begeistert von «echten Game-Changern», da sie so fleischähnlich und wohlschmeckend seien. «Auch ein Dinkel-Grünkern-Bratling kann sehr lecker sein, doch für die breite Bevölkerung sind sie nicht so vermittelbar», sagt Anna-Lena Klapp, Fachreferentin Ernährung und Gesundheit bei Proveg. Ihr Verband kämpft derzeit gegen ein Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene, das die Bezeichnung für Fleischersatz reglementieren will. Pflanzenburger müssten dann beispielsweise «Bratstück» heißen, um nicht Fleischgehalt zu suggerieren, wo keiner sei. Proveg hat eine Petition dagegen gestartet. Etwa 70 000 Unterschriften gebe es bereits, sagt Klapp.


 

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