Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Verordnung, wonach die Abgabe von Speisen und Getränken wegen der Corona- Pandemie nur in der Zeit von sechs bis 22 Uhr erlaubt ist, als nicht rechtskonform erlärt. Gastronomiebetriebe in dem Freistaat können damit ab sofort vorläufig wieder so lange öffnen, wie vor dem Corona-Ausbruch. Ein Gastwirt aus Unterfranken hatte die zeitliche Beschränkung der Bewirtung im Rahmen eines Normenkontroll-Eilverfahrens angefochten.
Der Richter führen zur Begründung ihrer Entscheidung an, dass die Überlegung, zunächst Erfahrungen mit einer zeitlich begrenzten Öffnung der Gastronomie zu sammeln, nicht mehr tragfähig erscheine, weil sich nicht abzeichne, dass die Öffnung von Gastronomiebetrieben seit dem 29. Mai 2020 in Bayern bislang zu einem nennenswerten Anstieg der Infektionszahlen mit dem Corona-Virus geführt habe. Daher erweise sich die zeitliche Betriebsbeschränkung als unverhältnismäßig. Den Befürchtungen, es könne alkoholbedingt zur Missachtung von Abstands- und Hygieneregeln und in Folge davon zu vermehrten Infektionen kommen, könne aber zum Beispiel durch das Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke ab einer bestimmten Uhrzeit begegnet werden. Das Bedürfnis, die Auswirkungen der Öffnung der Gastronomie auf das Infektionsgeschehen zu beobachten, rechtfertige angesichts der weitgehenden Lockerungen im öffentlichen Leben die Beschränkung nicht, argumentiert der Verwaltungsgerichtshof.
«Es gibt jetzt keine spezifischen Vorgaben für die Öffnungszeiten mit Blick auf die Corona-Pandemie. Das gilt ab sofort», sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in München. Faktisch gelten damit wieder die gleichen Vorgaben für die Öffnungszeiten wie vor Beginn der Krise.
Das Gesundheitsministerium in München reagierte damit am Freitag auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Die Richter hatten die derzeit noch geltende vorgezogene Sperrstunde ab 22.00 Uhr für Bayerns Gastronomie wegen der Corona-Pandemie vorläufig außer Vollzug gesetzt und damit faktisch dauerhaft gekippt.
«Wir begrüßen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof», so Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern. «Angesichts niedriger Infektionszahlen können wir wieder mehr Freiheit wagen. Zugleich belegt das niedrige Infektionsgeschehen, dass unsere Hygienekonzepte funktionieren.» Geppert verweist auch auf den wirtschaftlichen Aspekt: «Wenn derzeit Corona-bedingt deutlich weniger Gäste einen gastronomischen Betrieb aufsuchen dürfen, ist dies jetzt zumindest wieder länger möglich. Der Beschluss schafft unseren Betrieben zusätzliche unternehmerische Spielräume.“ Zugleich appelliert Geppert an die Gäste: «Corona gibt es nach wie vor, jetzt liegt es an uns, mit diesen wiedergewonnenen Freiheiten verantwortungsbewusst umzugehen.»
Für die Staatsregierung ist es nicht die erste juristische Schlappe im Zuge der Corona-Beschränkungen. Nach der 800-Quadratmeter-Regel für den Einzelhandel, der 20-Uhr-Sperrstunde für die Außengastronomie und dem Wellness-Verbot für Hotels ist es die vierte Regelung, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten hat. «Die Rechtsetzung der Staatsregierung ist qualitativ miserabel – eine echte Blamage», sagte FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen.
Das Gericht akzeptierte auch nicht die Befürchtung der Staatsregierung, es könne alkoholbedingt zur Missachtung von Abstands- und Hygieneregeln und deshalb zu mehr Infektionen kommen. Dies hätte auch durch das Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke ab einer bestimmten Uhrzeit und ohne generelle Sperrstunde geregelt werden können, urteilten die Richter. Auch das Bedürfnis, die Auswirkungen der Öffnung der Gastronomie auf das Infektionsgeschehen zu beobachten, rechtfertige angesichts der weitgehenden Lockerungen im öffentlichen Leben die Beschränkung nicht.
Derweil betonten die Richter, dass ihre Entscheidung nicht die weiter bestehende Schließung von Bars, Clubs, Diskotheken, Bordellen und sonstigen Vergnügungsstätten durch die Entscheidung berühre. Auch die anderweitig vorgegebenen Sperrzeiten, etwa zum Schutz der Nachbarschaft oder nach der Bayerischen Biergartenverordnung, seien weiterhin zu beachten.
Die weiter bestehende Schließung von Bars, Clubs, Diskotheken, Bordellbetrieben und sonstigen Vergnügungsstätten wird durch die Entscheidung nicht berührt. Auch die anderweitig vorgegebenen Sperrzeiten, etwa nach dem Immissionsschutzrecht zum Schutz der Nachbarschaft oder nach der Bayerischen Biergartenverordnung, sind weiterhin zu beachten.