Gourmet-Fürst: Pückler hinterließ der Nachwelt 3 500 Menüs

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Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) hat in seinem Schloss Branitz der Nachwelt über 3500 Menüs für Mittagessen und Diners am Abend hinterlassen. Die Gerichte sind nach Angaben der Stiftung Fürst-Pückler-Museum in Cottbus in fünf Tafelbüchern aufgelistet, samt Namen der Gäste und Titel.

Für Königin Augusta etwa wurde 1864 im Schloss der «Karpfen à la Chambord» serviert. Auch der Herzog von Weimar durfte sich den Angaben zufolge über Köstlichkeiten freuen. Preußen sei zu Pücklers Zeiten kulinarisch interessiert und genussfreudig gewesen, sagte Kunsthistorikerin Marina Heilmeyer.

«Freunde und Bekannte von Pückler haben sich Gedanken gemacht, die deutsche Küche zu verbessern und sie authentischer zu machen.» Der Kunsthistorikerin zufolge nannten sich die Jünger des Geschmacks «Gastrosophen», weil es um «die Weisheit des Magens» ging.

Schloss Branitz war der Alterssitz von Fürst Pückler. Dort fand er auch seine letzte Ruhestätte in einer Erdpyramide in einem See.

Darf es ein «Gefüllter Schweinekopf» oder eine «Fasanenpastete mit Trüffel» sein und zum Nachtisch vielleicht «Pudding à la Nesselrode»? Die Gerichte aus der Küche des Fürsten Pückler (1785-1871) in seinem Schloss in Branitz waren regelmäßig Anziehungspunkt für Genießer wie ihn. Die preußische Königin und spätere deutsche Kaiserin Augusta (1811–1890) war nach einem Besuch bei dem Gourmet in Cottbus nicht etwa von dem extra für sie hergerichteten Zimmer angetan - sie schwärmte von den kulinarischen Köstlichkeiten. Pückler hatte sich auch schwer ins Zeug gelegt für den hochherrschaftlichen Gast aus Babelsberg. Seine Köche hatten ein Zehn-Gänge-Menü angerichtet. Es habe den Appetit angeregt und nicht nur gesättigt, hatte eine Hofdame der Kaiserin danach an den Fürsten geschrieben.

Kunsthistorikerin Marina Heilmeyer kann noch viele solcher Episoden erzählen. Die ausgewiesene Kennerin des «kulinarischen Fürsten» hat in den fünf erhaltenen Tafelbüchern von Pückler vom Hofmarschall notierte Gerichte, Namen und Titel der bewirteten Gäste ausgewertet. Über 3500 Menüs für Mittagessen und Diners am Abend sind in Listen festgehalten, darunter Krebssuppe, Ochsenbäckchen und Hechtschnitten in Spreewaldsauce. Für Königin Augusta wurde 1864 in Branitz der «Karpfen à la Chambord» serviert. Auch der Herzog von Weimar durfte sich nach Angaben der Historikerin über Köstlichkeiten freuen.

Preußen sei zu Pücklers Zeiten kulinarisch interessiert und genussfreudig gewesen, erzählt Heilmeyer. «Freunde und Bekannte von Pückler haben sich Gedanken gemacht, die deutsche Küche zu verbessern und sie authentischer zu machen». Der Kunsthistorikerin zufolge nannten sich die Jünger des Geschmacks «Gastrosophen», weil es um «die Weisheit des Magens» ging. «Pückler sagte damals: Meine Haupteigenschaft ist der Geschmack, der in allem das Vollkommenste zu erreichen sucht», berichtet die Kunsthistorikerin.

Um Perfektion geht es über 150 Jahre später auch bei Tim Sillack. Der Koch und Restaurantchef im restaurierten Cavalierhaus gegenüber dem Schloss hat sich von den Tafelbüchern inspirieren lassen und Gerichte nachgekocht, die sich nun auf der Speisekarte wiederfinden - etwa die «Artischocke à la Barigoule». Sillack ist ebenso wie Pückler Weltreisender, hat unter anderem in Australien und Neuseeland sein kulinarisches Wissen angereichert und bei einem Sterne-Koch gelernt. Den zurückgekehrten Lausitzer reizte Pücklers Schlaraffenland aus «Ochsenzunge mit Rosinen» oder «Kalbsschlegel à la Béchamel».

Auch bei dem 34-Jährigen im Cavalierhaus gibt es Menüs aus mehreren Gängen. «Ich möchte aber nicht nur im Schatten von Pückler kochen, sondern auch meine eigene Handschrift ausarbeiten», versichert er. Es solle eine Mischung aus Pückler und Sillack sein. In seinem Restaurant zelebriert er Tafelkunst. Eingedeckt ist immer für drei Menüs - Brot und der Gruß aus der Küche dürfen nicht fehlen. Sillack sieht sich in bester Tradition. «Man soll sich ganz fallen lassen und so wie Pückler auch über Stunden dinieren und nicht einfach nur essen, um satt zu werden», erklärt er seine Philosophie.

Die Suche nach alten Rezepten zu den pücklerschen Speisen gestaltete sich nicht ganz einfach. In den Tafelbüchern waren nur Gerichte notiert, Anleitungen mussten in alten Kochbüchern gefunden werden. Heilmeyer und der Koch waren bald ein festes Duo. Die Kunsthistorikerin wurde fündig und Sillack probierte die Rezepte mit einem vierköpfigen Team aus. 90 Gerichte wurden nachgekocht. Herausgefunden haben beide, dass Pücklers Lieblingsgericht unter anderem das «Rinderfilet in Sardellensoße» war - häufig wurde es zu dessen Geburtstag aufgetischt. Aber der Fürst kreierte auch selber - beispielsweise die «Kartoffeln à la Semilasso». Erhaltene Briefe, etwa an eine seiner Nichten, zeigten, dass der Fürst selbst in der Küche gestanden habe, erläutert Kunsthistorikerin Heilmeyer.

Der auch als «grüner Fürst» bezeichnete Landschaftsgärtner und Weltenbummler hatte sich bei seinen zahlreichen Reisen nach Europa und in den Orient von der jeweiligen Küche begeistern lassen. Er brachte nicht nur Gewürze auf seinen Alterssitz in Branitz - auch Ketchup stand nach einer England-Reise auf dem Speiseplan, was seltsam klingt für das 19. Jahrhundert. Solche Würzsaucen aus Pilzen, Tomaten, Anchovis und anderen Zutaten wurden in dieser Zeit gern zu Fleisch serviert, weiß Heilmeyer. Der Fürst habe das Essen in deutschen Gasthäusern mitunter fragwürdig gefunden und empfohlen, immer eine Flasche Ketchup bei sich zu haben.

Stammkunde war Pückler beim Delikatessenhändler «Borchardt» in Berlin - heute auch häufig bezeichnet und bekannt als «Kantine der Schönen und Reichen». Das 1853 begründete Haus hatte als Delikatessenhandlung im 19. Jahrhundert einen guten Ruf und lieferte auch dem Kaiser. Alte Korrespondenzen zeigten, wie Pückler mit dem Händler um Preise feilschte. «Über den Preis müssen wir nochmal reden», schrieb er etwa. Auch Exotisches wie Ameiseneier bestellte er, wie Heilmeyer und Sillack herausfanden. Diese dienten allerdings als Futter für Pücklers Papageien.

Pückler ließ sich Austern aus Frankreich liefern, liebte aber auch Gemüse, Fisch und Fleisch aus der Region. Spreewälder Gurken und Meerrettich kamen ebenso auf den Tisch. Diesen Mix bietet auch Sillack an. Überdies darf die Eigenkreation des Fürsten, die «Kartoffeln à la Semilasso», auf der Karte nicht fehlen. Sillack zweifelte erst am Geschmack und war dann überwältigt, wie er erzählt. «Das zeigt, was für ein Kulinarist Pückler war, weil es eine ganz abgefahrene Geschmackskombination ist, die gestandene Köche heute noch umhaut.»

Die kulinarischen Köstlichkeiten am Hof inklusive 65 Rezepten und mit Anekdoten gewürzt haben Kunsthistorikerin Heilmeyer und der Vorstand der Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Stefan Körner, in einem Buch «Zu Gast bei Fürst Pückler» zusammengetragen. Interpretiert werden die «Tafelfreuden» des Fürsten von Sillack. «Pückler wusste, er kann genießen und er wird es der Welt zeigen. (...) Es ging vor allem um den Geschmack auf der Zunge», sagt Körner. (dpa)


 

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