Kritik an „The World’s 50 Best Restaurants“: Branchenkenner zweifeln am System

| Gastronomie Gastronomie

Die aktuelle Veröffentlichung der Rangliste „The World’s 50 Best Restaurants“ sorgt in der Gastro-Szene für Diskussionen – und für deutliche Kritik. In einem öffentlichen Diskurs auf Facebook äußerten sich mehrere renommierte Kritiker, darunter Jürgen Dollase, Wolfgang Faßbender, Alexander Rabl und Bernd Matthies, mit ungewöhnlicher Offenheit über Schwächen und Widersprüche des Systems.

Jürgen Dollase: „50 Best hat nur Bilder. Keinen Geschmack.“

Der deutsche Gastrokritiker Jürgen Dollase reagierte mit Unverständnis auf die diesjährige Liste. „Die 50 Best gestern lassen mich komplett ratlos. Was soll man mit dieser Liste?“, fragte er öffentlich. Zwar gratulierte er Jan Hartwig zum Platz 50, kritisierte aber die Arbeit der deutschen Jury in den Vorjahren, die sich zu sehr auf einen „Berliner Freundeskreis“ konzentriert habe.

Dollase stellte die journalistische Verwertbarkeit der Liste grundsätzlich infrage: „Eine auch nur einigermaßen vollständige Übersicht würde mittlere sechsstellige Beträge an Kosten verursachen. So etwas bezahlt keine Zeitung/kein Magazin.“
Zudem sieht er den praktischen Nutzen der Rangliste schwinden: „Praktikabilität ist ohnehin längst kein Ziel der 50 Best mehr.“ Sein Fazit: „50 Best hat nur Bilder. Keinen Geschmack.“

Als Alternative schlägt Dollase eine stärkere Regionalisierung vor: „Für uns wäre Mitteleuropa, dafür sauber ermittelt, ohne ‚Legenden‘, sondern nur mit tatsächlichen Qualitäten, sehr viel nützlicher.“

Wolfgang Faßbender: „Es müssten Kopien der Rechnungen verlangt werden“

Auch Wolfgang Faßbender kritisierte die Struktur des Rankings, insbesondere mögliche Manipulationen durch Einladungen oder Absprachen unter Jurymitgliedern.
„Wenn die Verantwortlichen es ernst meinten, müssten sie darauf achten, dass sich Jurymitglieder nicht absprechen, nirgendwo auf der Welt. Sie müssten auch wenigstens Kopien der Rechnungen verlangen, um Gefälligkeitswertungen auszuschließen.“

Er ergänzte, dass Chairs – also die Landesverantwortlichen – „natürlich niemanden beeinflussen“ dürften und „auch nicht Interessenskonflikte haben [sollten], indem [sie] für Restaurants arbeiten.“ Dennoch räumte er ein: „Dürfen Restaurants potentielle Voter einladen? Klar. Dürfen die dann voten? Das könnte man so regeln, dass eine Rechnung vorgelegt werden muss.“

Auf die Frage von Jürgen Dollase nach „organisierten Voter-Reisen“ antwortete Faßbender: „Ich habe gerüchtweise gehört. Befragte Personen haben mir gesagt, dass es so was in Deutschland nicht geben würde.“

Alexander Rabl: „Man trägt das Voter-Sein wie eine Monstranz vor sich her“

Der österreichische Kritiker Alexander Rabl schilderte eigene Erfahrungen als ehemaliges Mitglied der Jury:
„Die Österreicher, die beim Voten mitmachen, binden das einem gerne auf die Nase. Auch ungefragt. Denn je mehr es wissen, desto öfter wird man nett irgendwohin auf der Welt eingeladen.“
Er kritisierte das Verhalten mancher Kollegen: „Es sind jedenfalls namhafte Autoren und Kritiker, die das Voter-Sein wie eine Monstranz vor sich hertragen. Vielleicht auch, um ihr Ego zu stärken.“

Rabl selbst war bis 2019 Teil der Jury: „Während ich es war, habe ich schön den Mund gehalten.“

Bernd Matthies: „Dieses ganze System ist zweifellos korrupt“

Der Berliner Journalist Bernd Matthies äußerte sich besonders drastisch:
„Dieses ganze System ist zweifellos korrupt.“
Er zweifelte daran, dass alle Juroren regulär in den oft monatelang ausgebuchten und hochpreisigen Restaurants essen konnten:
„Ich wüsste auch gar nicht, wie man regulär innerhalb eines Jahres sonst in die ewig überbuchten Restaurants reinkäme. […] Bei Menüpreisen von an die 700 Euro wie im Alchemist frage ich mich auch, wer das privat bezahlen mag.“

Fazit: Offene Fragen zur Glaubwürdigkeit

Die Facebook-Diskussion führender deutschsprachiger Kritiker zeigt: Die Liste der World’s 50 Best Restaurants wird in ihrer aktuellen Form von Teilen der Fachwelt zunehmend kritisch gesehen. Es geht dabei nicht um die Qualität einzelner Restaurants – sondern um die Strukturen hinter dem Voting, mögliche Interessenkonflikte, Intransparenz und ein System, das weniger von objektiver Bewertung als von Sichtbarkeit und Zugang geprägt scheint.

Ob daraus strukturelle Reformen folgen, bleibt abzuwarten. Die Diskussion ist jedenfalls erneut  eröffnet – und sie wird öffentlich geführt.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Weniger Restaurantbesuche, kleinere Bestellungen und schließende Betriebe belasten die Gastronomie. DEHOGA-Schatzmeister Gereon Haumann hofft auf Weihnachten und den Jahreswechsel.

Viele Restaurants und Imbissstuben zeigen bei der Kartenzahlung auf dem Lesegerät inzwischen Vorschläge für bestimmte Trinkgeldbeträge an - und stoßen damit bei vielen Gästen auf Ablehnung.

Der HelloFresh Trend Report 2025 analysiert die Kochgewohnheiten der Deutschen und zeigt eine wachsende Offenheit für internationale Gerichte bei gleichzeitigem Festhalten an Klassikern.

Die Hamburger Trattoria Cuneo ist mit der 22. Walter-Scheel-Medaille geehrt worden. Die Auszeichnung würdigt die Verdienste des Hauses um die europäische Genusskultur und hebt gleichzeitig die historische Bedeutung des deutsch-italienischen Anwerbeabkommens hervor.

Die Gastronomie in Deutschland verzeichnete im Oktober 2025 einen realen Umsatzrückgang von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Zudem korrigierte das Statistische Bundesamt die Werte für den Monat September nach unten.

Das renommierte Sternerestaurant Meyers Keller in Nördlingen hat Insolvenz angemeldet. Während der Betrieb unter der Leitung von Joachim Kaiser und einem vorläufigen Insolvenzverwalter uneingeschränkt weiterläuft, wird nach einer langfristigen Lösung für den Erhalt des traditionsreichen Hauses gesucht.

Der ifo Geschäftsklimaindex sinkt im Dezember 2025 auf 87,6 Punkte und verdeutlicht die fehlende Aufbruchstimmung in der deutschen Wirtschaft. Während das Verarbeitende Gewerbe und der Handel unter rückläufigen Aufträgen und einem schwachen Weihnachtsgeschäft leiden, meldet die Gastronomie einen starken Jahresabschluss.

Im Zuge der Neupositionierung des Conservatorium Hotels als Mandarin Oriental Conservatorium, Amsterdam eröffnet Anfang 2026 das erste Ottolenghi-Restaurant in den Niederlanden.

Der Lieferando Report 2025 analysiert die aktuellen Entwicklungen im deutschen Liefermarkt. Neben einem massiven Wachstum bei koreanischen Gerichten und viralen Food-Trends etabliert sich der Dienst zunehmend als Lieferquelle für Non-Food-Artikel.

Die Jeunes Restaurateurs Deutschland ziehen Bilanz für das Jahr 2025. Neben der politischen Arbeit im Bundestag und dem Einsatz für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz standen soziale Charity-Projekte sowie kulinarische Innovationen im Mittelpunkt.