Leere Säle: Landgasthöfe leiden unter Corona-Maßnahmen

| Gastronomie Gastronomie

Claus Meyer muss nicht lange überlegen. Auf die Frage, wie er die derzeitige Situation zusammenfassen würde, platzt es aus ihm heraus: «Beschissen.» Der 47-Jährige ist Inhaber vom Gasthof «Zur Linde» in der Ortschaft Bierden, die vor fünf Jahrzehnten in die niedersächsische Stadt Achim eingemeindet wurde. Meyer führt den 1878 gegründeten Betrieb, der in der Region nur unter «Meyer-Bierden» bekannt ist, in der fünften Generation. Hier wurden Feste gefeiert - bis die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus kamen. Seit Montag ist bei «Meyer-Bierden» schon wieder zu, der November-Lockdown hat begonnen.

Vier Säle hat Meyer, dazu eine Gaststube und eine Kegelbahn. Bis zu 700 Menschen können bei ihm gleichzeitig feiern, erst 2017 baute er den vierten Saal an. Im November hätten Schützenbälle angestanden, in Dezember Weihnachtsbälle. Von Jahr zu Jahr werde die Nachfrage nach Veranstaltungen größer, sagt er. Jetzt bleiben die Räume leer, auf einem Beistellwagen stehen noch die Menü-Aufsteller der vorerst letzten Hochzeit im Oktober. «Das waren 21 Leute, die haben hier nur gegessen», sagt der Gastronom. 

Wie es mit den Landgasthöfen weitergeht, ist derzeit ungewiss. Nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes leiden neben Diskotheken und Bars vor allem die ländlichen Gastbetriebe unter den Corona-Maßnahmen. Denn sie leben davon, was im Moment nicht geht: vom Feiern. 

Meyer bekam zu Beginn der Pandemie zweimal staatliche Soforthilfen, auch einen Liquiditätskredit nahm er in Anspruch. Er vergrößerte im Sommer seinen Außenbereich, bot Essen «à la carte» und Bier «to go» an. «Wir wollten einfach da sein», sagt Mitarbeitern Tanja Schwede. Glück sei, dass das Haus am Weser-Radweg liegt. Alle Aktivitäten seien aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. «90 Prozent des Umsatzes ist weggefallen», sagt Meyer. Wie lange er so durchhalten kann? «Bis nächstes Jahr im Sommer.» Er weiß von anderen Gastronomen, die nicht mehr so lange machen. «Es haben schon viele gesagt, sie hören auf.»

Einer davon ist Frank Scholvin-Ortmann. 16 Kilometer von Achim entfernt steht seine Traditionsgaststätte «Scholvin-Ortmann» in Riede, eine Gemeinde mit 2800 Einwohnern. Seit dem ersten Lockdown im März ist das Lokal geschlossen - und wird auch nicht mehr aufmachen. Das liegt zwar nicht nur an der Pandemie. Aber: «Corona hat uns den Rest gegeben», sagt Scholvin-Ortmann, der den Betrieb vor mehr als 20 Jahren von seinen Eltern übernahm. Auch die Geschichte dieser Gaststätte reicht weit zurück - bis ins Jahr 1868, auch sie blieb immer in Familienbesitz.

Kerngeschäft waren Hochzeiten, Familienfeiern oder Betriebsfeste; im Festsaal finden bis zu 300 Menschen Platz. Als es im Februar wegen Corona die ersten Absagen hagelte, sei er in eine depressive Phase gefallen, sagt Scholvin-Ortmann. «Wir haben von Großveranstaltungen gelebt. Allein von 'À la carte'- oder Außerhaus-Gerichten hätten wir nicht leben können.» Einen Liquiditätskredit, den sie bis ins Rentenalter hätten abbezahlen müssen, wollten seine Frau und er nicht aufnehmen.

Dazu kam, dass nebenan eine Seniorenresidenz gebaut wird. Da sei der Ärger wegen Lärmbelästigung vorprogrammiert gewesen, sagt der Gastronom: «Wir hatten an jedem Wochenende Veranstaltungen im Saal.» Und dann gab es auch immer wieder Probleme, genügend Servicepersonal zu finden. Im August verkaufte er sein Grundstück an einen Investor. Dieser wird das Gebäude nun abreißen und ein Mehrfamilienhaus bauen. Scholvin-Ortmann will nun mit seiner Frau noch einmal von vorn anfangen: umziehen, neuer Job.

Das kommt für Meyer in Bierden nicht infrage. Im Gegenteil: Er hat nebenan ein Grundstück gekauft, darauf sollte bald mit dem Bau eines Hotels begonnen werden. Seine Gäste müssen ja irgendwo nach dem Feiern übernachten. Wegen der Corona-Krise werde der Baustart nun erstmal verschoben. 

«Den Kopf in den Sand stecken, das darf man nicht, sonst hat man verloren», sagt Meyer. Er hoffe darauf, dass er im Dezember wieder aufmachen darf, wenigstens mit «À la carte»-Essen. Sein Gasthof ohne Leben, das sei für ihn als Vollblut-Gastronom kaum auszuhalten. Die geplanten Kohlpartys im Januar und Februar stehen weiterhin zur Buchung auf der Internetseite. «Die Hoffnung ist noch da», sagt seine Mitarbeiterin Schwede. «Absagen können wir immer noch.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Restaurant «Villa Kellermann» in Potsdam wird in wenigen Monaten seine Pforten schließen. Auf der Homepage heißt es, dass Reservierungen noch bis zum 21. Juni 2024 entgegengenommen werden. Danach werde die Villa aus betrieblichen Gründen geschlossen.

Die Kandidatenteams für das Deutschlandfinale des internationalen Gastronomiewettbewerbs “Copa Jerez” stehen fest. Sie werden am 5. Mai in der Allianz Arena gegeneinander antreten und ihre Drei-Gänge Menüs mit passendem Sherry-Pairing präsentieren.

In der zweiten Aprilhälfte fand zum 24sten Mal der Sterne-Cup der Köche statt - ein Event, das bekannte Köche aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol auf die Skipisten in Ischgl bringt. In diesem Jahr war der Kreis kleiner als üblich.

Jahrelang war er ganz oben, dann kam der tiefe Fall: Alfons Schuhbeck verlor sein Gastro-Imperium und landete im Gefängnis. Jetzt wird der Star-Koch 75. Rückblick auf eine glamouröse Karriere, die vorerst hinter Gittern endete.

Kürzlich hatte Tageskarte darüber berichtet, dass Gerd Windhösel vom Romantik Hotel Hirsch auf der Schwäbischen Alb seit 30 Jahren durchweg mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Jetzt steht fest, die rekordverdächte Auszeichnung teilt der Koch mit Lutz Niemann, aus der „Orangerie“ im Maritim Seehotel Timmendorfer Strand.

Hellofresh hat zum Jahresbeginn die verhaltene Nachfrage nach Kochboxen mit seinem Angebot an Fertigmahlzeiten ausgeglichen. Im laufenden Jahr soll der Umsatz mit Fertiggerichten um rund 50 Prozent zulegen.

Auf der Baustelle im Deutschlandhaus in Hamburg wird zurzeit mit Hochdruck gearbeitet, damit sich die Türen des neuen Block House im Mai öffnen können. Es ist das vierzehnte Block House-Restaurant, das in Hamburg an den Start geht.

Erbrechen, Durchfall, Übelkeit: Ein Besuch des Stuttgarter Frühlingsfests sorgt bei vielen Gästen für Magen-Darm-Beschwerden. Alle gingen in dasselbe Festzelt.

Inflation und hohe Preise haben die Konsumstimmung zuletzt stark beeinträchtigt. Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass es eine Trendwende geben könnte. Bei Gaststätten- und Restaurantbesuchen falle der Anstieg hingegen geringer aus, als in anderen Bereichen.

Einweg-Kaffeebecher, Pommesschalen, Wegwerfbesteck - viele Städte im Land klagen über Verpackungsmüll. Nach Tübingen will nun auch Freiburg eine Steuer erheben. Der Gemeinderat hat die Verwaltung beauftragt, die Einführung der kommunalen Steuer zum 1. Juli 2025 vorzubereiten.