1. Was ist die Mehrwegpflicht für die Gastronomie?
Die Mehrwegangebotspflicht für die Gastronomie und Betriebe des Lebensmittelhandwerks – vereinfacht meist nur Mehrwegpflicht genannt – ist Teil des deutschen Verpackungsgesetzes (§§ 33, 34 VerpackG) und schreibt vor, dass gastronomische Betriebe mit einem Außer-Haus-Service (To-go-Getränke und Take-away-Essen) ihren Kunden ab 1. Januar 2023 neben Einwegverpackungen als Alternative auch Mehrwegverpackungen anbieten müssen. Die Mehrwegpflicht gilt nur für Betriebe mit einer Verkaufsfläche über 80 m² und mit mehr als 5 Beschäftigten. Weitere Infos zu den Bemessungsgrundlagen finden Sie unter Punkt 3.
Die Regeln in Deutschland beruhen auf Vorgaben, die für ganz Europa gelten und in allen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt werden müssen. Grundlage ist die Einwegkunststoff-Richtlinie (EU 2019/904) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (»Single-Use-Plastic-Richtlinie«). Darin ist unter anderem festgelegt, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, Maßnahmen für eine ehrgeizige und dauerhafte Verringerung des Verbrauchs bestimmter Einwegkunststoffverpackungen umzusetzen.
2. Welche Verpackungen betrifft die Mehrwegpflicht?
Die Pflicht zum Mehrwegangebot bezieht sich auf Verpackungen für Lebensmittel, die üblicherweise ohne weitere Zubereitung direkt aus dem Behältnis heraus verzehrt werden – entweder vor Ort oder außer Haus als Mitnahme-Gericht oder Mitnahme-Getränk. Neben der Art des Gebrauchs spielt auch die materielle Beschaffenheit eine Rolle: Die Pflicht betrifft Lebensmittelverpackungen, die ganz oder teilweise aus Einweg-Kunststoff bestehen.
Einen Sonderfall bilden Einweg-Getränkebecher: Für sie muss immer eine Mehrweg-Alternative angeboten werden – egal, aus welchem Material sie bestehen. Alle anderen kunststofffreien Einwegbehältnisse aus Aluminium oder auf Papierbasis sind davon ausgenommen und verpflichten nicht zu einer Mehrwegalternative. Dazu zählen zum Beispiel Pizzakartons, Pommes-Schalen, Papiertüten für Fisch & Chips und Papierhüllen für Sandwiches.
Hinweis: Wird zum Beispiel ein Coffee-to-go in unterschiedlichen Angebotsgrößen verkauft (S, M, L, XL) müssen Mehrwegbecher für jede angebotene Größe auf Vorrat gehalten werden. Und: Es muss immer eine 100-Prozent-Mehrwegvariante angeboten werden – ein Mehrwegbecher oder eine Mehrwegbowl mit einem Einwegdeckel ist also nicht zulässig.
THEMA: VERKAUFSAUTOMAT
Unter bestimmten Bedingungen wird auch der Verkauf von Speisen und Getränken über einen Verkaufsautomaten mehrwegangebotspflichtig. Das ist dann der Fall, wenn die Lebensmittel unmittelbar aus der Verpackung verzehrt werden und die Befüllung in ein Einweg-Kunststoffbehältnis oder einen Einwegbecher direkt im Automaten erfolgt (Beispiel: Getränkeautomat mit offenen Heiß- oder Kaltgetränken). Eine mögliche Lösung ist, dass der Automat technisch und in der Bedienung so umgestellt wird, dass auch Mehrwegbecher befüllt werden können, die der Kunde selbst mitbringt. Ausgenommen von der Mehrwegpflicht sind Verkaufsautomaten, die nicht öffentlich zugänglich sind (zum Beispiel in Betrieben zur Versorgung der Mitarbeiter:innen).
3. Für wen gilt die Mehrwegpflicht für die Gastronomie?
Die Mehrwegpflicht gilt für alle gastronomischen Betriebe mit einer Verkaufsfläche von über 80 m² und mit mehr als 5 Beschäftigten, wenn sie Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten und vor dem Verkauf verpacken. Im Verpackungsgesetz werden diese Betriebe als »Letztvertreiber« bezeichnet. Die Regelung betrifft vor allem Restaurants, Bars, Cafés und Kantinen. Aber auch Imbissbetriebe, Cateringunternehmen, Foodtrucks, den Einzelhandel mit Salat-Bars sowie das Lebensmittelhandwerk wie Metzgereien oder Bäckereien – wenn sie Essen an der »Heißen Theke« oder im Backshop zum Mitnehmen verkaufen. Auch Lieferdienste müssen ihren Kunden Mehrweglösungen anbieten, falls sie die Speisen selbst zubereiten. Wenn sie wie Lieferando nur den Transport übernehmen, sind sie von der Mehrwegpflicht befreit – selbstverständlich können sie die Lieferung in Mehrwegverpackungen ihren Gastro-Kunden als freiwillige Dienstleistung anbieten.
AUSNAHMEREGELUNG
Von der Mehrwegpflicht für die Gastronomie befreit sind Kleinbetriebe mit einer Verkaufsfläche von unter 80 m² und gleichzeitig maximal 5 Beschäftigten. WICHTIG: Beide Kriterien müssen zutreffen! Hintergrund ist, dass im Hinblick auf die Hygiene bestimmte Mindestanforderungen an den zur Verfügung stehenden Platz und die Logistik (Sammlung, Reinigung und Wiederbereitstellung der Mehrwegverpackungen) erfüllt sein müssen. Trotzdem gilt: Die von der Mehrwegangebotspflicht befreiten Betriebe müssen Mehrwegbehältnisse füllen, wenn Kunden diese selbst mitbringen und es wünschen. Und sie müssen gut sichtbar auf diese Möglichkeit hinweisen: zum Beispiel mit dem Schild »Wir befüllen auch kundeneigene Mehrwegbehältnisse!«
Bei der Berechnung der Verkaufsfläche in gastronomischen Betrieben zählen auch saisonal genutzte Flächen, Außenflächen und andere Sitz- und Aufenthaltsbereiche hinzu, die für Kunden zugänglich sind – Küchen- und Thekenflächen sind ausgenommen. Bei Lieferdiensten müssen auch Lager- und Versandflächen bei der Berechnung berücksichtigt werden. Bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl werden Teilzeitkräfte anteilig berechnet. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden mit dem Faktor 0,5 berechnet, Teilzeitkräfte von nicht mehr als 30 Stunden mit dem Faktor 0,75.
ACHTUNG: Zum derzeitigen Stand finden sich noch widersprüchliche Aussagen im Hinblick auf die Bemessungsgrundlagen zur Berechnung der Verkaufsfläche und Beschäftigtenzahl. Dabei geht es um die Frage, ob sich diese auf den einzelnen Standort bzw. die einzelne Filiale beziehen oder auf das gesamte Unternehmen (z. B. Kette, Verbund, Systemgastronomie etc.) und somit über alle Filialen hinweg summiert werden müssen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das gesamte Unternehmen zur Berechnung herangezogen. Wenn Ihr Unternehmen mehrere kleine Verkaufsflächen unter 80 m² hat und Sie auf Nummer Sicher gehen möchten, sollten Sie sich hierzu juristisch beraten lassen.
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4. Welche weiteren Pflichten sind damit verbunden?
Im Rahmen der Mehrwegpflicht gibt es für die Betriebe eine Reihe zusätzlicher Pflichten. Zum einen im Hinblick auf die Preisgestaltung: Die Mehrwegvariante darf nicht teurer sein als das Produkt in der Einwegverpackung. Darüber hinaus gibt es eine Informationspflicht: In der Verkaufsstelle muss für die Kunden deutlich sicht- und lesbar auf die Möglichkeit der Mehrwegalternative hingewiesen werden – zum Beispiel mit einem entsprechenden Hinweis auf Schildern, Aufstellern oder Plakaten. Lieferdienste müssen auf Flyern, auf ihrer Webseite oder in den Social-Media-Kanälen einen entsprechenden Hinweis platzieren. Und es gibt eine Rücknahmepflicht: Mehrwegbehältnisse müssen auch wieder zurückgenommen werden. Allerdings betrifft das nur die vom eigenen Betrieb ausgegebenen Behältnisse. HINWEIS: Betriebe, die der Mehrwegpflicht unterliegen, können freiwillig auch mitgebrachte Behältnisse der Kunden befüllen – es besteht dazu allerdings keine Pflicht, da Mehrwegbehälter als Alternative zur Einwegverpackung bereits angeboten werden.
5. Was gibt es in punkto Hygiene bei der Mehrwegpflicht zu beachten?
Wichtig ist, dass beim Befüllen, der Ausgabe, Rücknahme, Reinigung und Lagerung von Mehrwegbehältnissen stets die allgemein geltenden Regeln der Hygiene und Lebensmittelsicherheit beachtet werden. Um Kontaminationen oder die Befüllung nicht gereinigter Mehrwegverpackungen zu vermeiden, sollten feste und gut beschilderte Rückgabe-, Lager- und Ausgabeorte für Mehrwegbehälter eingerichtet werden. Ein für die Mitarbeitenden klar definierter Prozessablauf (zum Beispiel: »Was passiert, wenn ein Kunde eine Speise zum Mitnehmen in unserem Behältern wünscht«) sorgt für zusätzliche Sicherheit.
Auch Behältnisse, die von den Kunden selbst mitgebracht werden, sollten an einer bestimmten und dafür geeigneten Stelle befüllt werden. Hier sollten Sie darauf achten, dass möglichst wenig Berührungspunkte entstehen. Im Idealfall müssen Mitarbeitende die Behältnisse nicht berühren, wenn Kunden den Deckel bzw. Verschluss selbst öffnen und wieder schließen – falls nötig, können die Behältnisse zum Befüllen auf ein Tablett gestellt werden. Sollten selbst mitgebrachte Behältnisse erkennbar verschmutzt oder nicht geeignet sein, sollten Sie diese ablehnen und können Alternativen wie ihr eigene Mehrweglösung oder Einwegverpackungen anbieten. Denn als Gastronom:in müssen Sie dafür sorgen, dass Keime oder Verschmutzungen aus Fremdgefäßen das eigene Arbeitsumfeld nicht verunreinigen.
DOWNLOAD
Detaillierte Informationen zum sicheren und hygienischen Umgang mit Mehrwegbehältnissen finden Sie in folgenden Merkblättern, die Sie als PDF (Sprache: Deutsch) herunterladen können:
- Merkblatt für das Verkaufspersonal im Takeaway-Bereich zur Einhaltung der Hygienevorschriften beim Befüllen mitgebrachter Gefäße (Initiative »Essen in Mehrweg«)
- Merkblatt zur Hygiene beim Umgang mit kundeneigenen Behältnissen zur Abgabe von Lebensmitteln in Bedienung oder Selbstbedienung (Lebensmittelverband)
- Merkblatt zur Hygiene beim Umgang mit Mehrweggeschirr innerhalb von Pfand-Poolsystemen (Lebensmittelverband)
6. Welche Mehrwegsysteme gibt es für die Gastronomie?
Wenn Ihr Betrieb unter die Mehrwegangebotspflicht fällt, können Sie frei entscheiden, welches Mehrwegsystem Sie nutzen. Grundsätzlich gibt es vier unterschiedliche Varianten.
Poolsystem
Beim Poolsystem nutzen Sie gegen eine Gebühr das Mehrweggeschirr eines externen Dienstleisters wie reCup (Recup und Rebowl), Relevo oder Vytal. Je nach Anbieter gibt es dabei unterschiedliche Abrechnungsmodelle. Der Vorteil: Sie sparen sich die Investitionskosten in eigenes Mehrweg-Sortiment und die Kunden können das Mehrweggeschirr in allen teilnehmenden Gastrobetrieben zurückgeben.
Verbundsystem
Ein Verbundsystem ist ein Zusammenschluss mehrerer gastronomischer Betriebe: Die einzelnen Unternehmen investieren gemeinsam in ein eigenes Mehrwegsystem und teilen sich so die Kosten. Verbundsysteme sind besonders interessant für Regionen, Städte und abgegrenzte Einsatzgebiete wie Märkte oder Markthallen. Auch hier können die Kunden ihre Verpackungen bei jedem der teilnehmenden Betriebe zurückgeben.
Inselsystem
Eine weitere Möglichkeit ist, dass Sie eigene Mehrwegverpackungen anschaffen und nutzen – diese Variante wird als Inselsystem bezeichnet. Der Vorteil ist, dass Sie die Verpackungen mit Ihrem Logo bedrucken können. Nachteil neben den höheren Anschaffungskosten: Der Kunde kann die Verpackung nur bei Ihnen zurückgeben. Das ist vor allem für Nicht-Stammgäste und einmalige Kunden wie Touristen unattraktiv.
Individualsystem
Beim Individualsystem handelt es sich um eine Lösung auf Kundenseite: Hier bringen die Kunden ihre eigene Mehrwegverpackungen mit und lassen diese bei Ihnen vor Ort befüllen. Die Vorteile: Sie als Gastronom:in tragen keinerlei Kosten und der Kunde muss die Verpackung nicht zurückbringen. Der Kunde ist selbst verantwortlich für den Transport, die Auslaufsicherheit und die Reinigung der Behälter.
TIPP
Viele Städte und deren kommunale Wirtschaftsverbände unterstützen gastronomische Betriebe bei der Umsetzung der Mehrwegpflicht: zum Beispiel mit Informationsveranstaltungen oder durch die Zusammenarbeit mit einem Poolsystem-Anbieter, um ein lokales Netzwerk aufzubauen und Verbundeffekte zu erzielen. Natürlich können Betriebe sich auch selbst zusammenschließen und gemeinsam an die entsprechenden Anbieter herantreten: Eventuell lassen sich so bessere Konditionen oder andere Vorteile wie eine kostenlose oder vergünstigte Erstausstattung verhandeln.