Stunk um Restaurant-Geruch: Wissenschaftler grillen für bessere Luft

| Gastronomie Gastronomie

Mohammad Aleysa legt die Kebap-Spieße auf einen Grillrost, dreht sie allenthalben um und serviert höchstpersönlich das schmackhafte Ergebnis auf einem Brötchen. Doch der 41-Jährige im dunklen Anzug und weißen Hemd ist kein Grill-Profi, sondern ein Umweltschutztechniker am Stuttgarter Fraunhof-Institut für Bauphysik IBP. Dieses soll im Auftrag des Umweltbundesamtes analysieren, was aus gewerblichen Holzkohlengrills an Gerüchen und Abgasen entweicht und mit welchen Methoden die Belästigung minimiert werden können.

Bei einer bundesweiten Umfrage des Fraunhofer-Instituts IBP meldeten 183 Kommunen Beschwerden wegen Grillrauchs - nicht nur aus Kebap-Läden, Grill-Imbissen und Grill-Restaurants, sondern auch aus Pizza- und Brotbacköfen. Nur in 13 Prozent der Fälle wurden Abgasreinigungsanlagen betrieben - wobei keine einzige wesentlich zur Lösung des Problems beigetragen habe, erläutert Aleysa die Erkenntnisse aus der Befragung.

Mehrheitlich gibt es laut der Umfrage Ärger mit den Kebap-Läden. In Mannheim etwa konkurrieren um die zwei Dutzend türkische und arabische Restaurants rund um den Marktplatz. Diese Situation erhitzt die Gemüter: Anwohner können im Sommer die Fenster nicht öffnen, Markthändler beklagen quasi «geräuchert» zu werden, Vegetarier unter den vielen Gästen der Außengastronomie rümpfen die Nase.

Die Stadt hat deshalb ein Gutachten zur «Ermittlung der Geruchshäufigkeiten verursacht durch Grillrestaurants» in Auftrag gegeben. Derzeit kann die Stadtverwaltung mit Hilfe des Baurechts die Einrichtung neuer gewerblicher Grills vorübergehend untersagen. Bislang ist auf dieser Basis eine Anfrage abgelehnt worden. Die für den Frühsommer erwartete Expertise soll dazu dienen, solche Absagen zu untermauern, wie ein Sprecher erläutert.

Doch welche Technik könnte das Problem lösen? Aleysa und sein fünfköpfiges Team haben in einer Halle des Instituts einen handelsüblichen Grill mit einer riesigen Abgasreinigungsanlage aufgebaut. Ziel des Experiments ist es, nicht nur die Emissionen bei dem Grillvorgang zu identifizieren, sondern auch die Wirksamkeit der mehrstufigen Abgasreinigungsprozesse zu bewerten; dabei stehen insbesondere die Geruchsstoffe im Fokus.

In Stufe eins soll der Geruch durch einen sogenannten Ozongenerator weitgehend neutralisiert werden. Eine Schwierigkeit dabei ist die hohe Verdünnung der Emissionen: Ein Quadratmeter Grill produziert 2000 Kubikmeter belastete Luft - pro Stunde. So könne gar nicht die gesamte Menge verunreinigter Luft erfasst werden, erläutert Alesya. Danach werden die Abgase mit Seifenwasser ausgewaschen, mit Elektrofiltern vom Wasser getrennt und durch Aktivkohlepatronen geleitet, die die verbliebenen Gerüche und Feinstaub herausfiltern sollen.

Das ganze Thema spielt sich nach den Worten von Christian Liesegang vom Umweltbundesamt derzeit in einer rechtlichen Grauzone ab: Stationäre gewerbliche Holzkohlegrills sind aus der Bundes-Immissionsschutzverordnung weitgehend ausgenommen, deshalb gibt es keine obligatorische Prüfung durch den Schornsteinfeger. Abgasgrenzwerte existieren nicht. Lediglich für neue Grills und deren Abgasreinigungsanlagen gilt bereits, dass der Schornstein erst über dem Dachfirst endet. Auf Basis der Stuttgarter Versuchsergebnisse soll letztendlich das Bundesumweltministerium - beraten vom Umweltbundesamt - rechtliche Klarheit schaffen.

Denn was die Forscher im Grillrauch gefunden haben, wird wohl kein Anwohner gerne einatmen. Die bislang gemessenen Schadstoffe sind Staub, Stickoxid, Kohlenstoffmonoxid, organische Kohlenwasserstoffe, Benzol und Xylol; zukünftig werden noch polyzyklisch-aromatische Kohlenwasserstoffe und Gerüche gemessen. Liesegang: «Das sind zum Teil krebserregende Stoffe, alle miteinander sind sie nicht gesund.»

Experimentiert wird mit Lammfleisch, aber auch mit Hähnchen, Fisch und Gemüse. Insgesamt verbraten die Forscher mehrere hundert Kilogramm Grillgut. Bis die Versuche im September beendet werden, dürfen sich Aleysas Kollegen noch auf die leckeren Ergebnisse angewandter Wissenschaft freuen. Dann geht es mit den gewonnenen Erkenntnissen in die Simulation. Das Projekt soll Mitte 2021 abgeschlossen sein. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Stuttgarter OhJulia-Restaurant von Marc Uebelherr ist bald Geschichte. Die Gustoso Gruppe hat die Fläche im Breuninger Dorotheen Quartier übernommen und wird hier demnächst ein Restaurant ihrer italienischen Formel „60 seconds to napoli” realisieren.

Die Avolta AG feiert die Eröffnung von The Burger Federation am Flughafen Düsseldorf. Es ist das erste Mal, dass der Anbieter ein Konzept an einen deutschen Flughafen bringt. Das Restaurant bietet Reisenden Burger-Kreationen im Ambiente eines amerikanischen Farmhauses.

Die Essensversorgung bei Bahnreisen ist oft ein Kritikpunkt. Umso wichtiger ist das Angebot an Bahnhöfen. HelloFresh hat nun Deutschlands größte Bahnhöfe hinsichtlich ihres kulinarischen Angebots untersucht.

Restaurant Ritzi in Stuttgart, das in der letzten Woche erneut mit einem Stern ausgezeichnet wurde, hat Insolvenz angemeldet. Das Gourmetrestaurant ist bereits geschlossen, die Brasserie bleibt zunächst geöffnet.

Nach den Coronajahren sind die Kosten gestiegen - zum Leidwesen der Gastronomen. Die Branche in Berlin blickt dennoch optimistisch auf die Biergartensaison. Und wie sind die Erwartungen an die Fußball-EM in der Hauptstadt?

Corona-Krise, Inflation und zuletzt die Rückkehr zur höheren Mehrwertsteuer - das macht auch im Norden den Gastronomen zu schaffen. Der Dehoga sieht die Branche vor einem herausfordernden Jahr.

Wer in einem Restaurant essen geht, muss seit Jahresbeginn wieder den regulären Mehrwertsteuersatz zahlen. Für die Gastronomie in Hessen ist das aber nicht das größte Problem.

Sitzen bald in Biergärten Familien neben Gruppen mit drei Joints? Kiffen ist bald in der Öffentlichkeit erlaubt, nur nicht nah an Spielplätzen und Schulen. Aber was ist mit den Tischen vor Kneipen? Wer entscheidet, ob in Raucherkneipen gekifft werden darf? (aktualisierter Bericht)

Der Küchenchef ist Autodidakt, der Hof liegt in einem 150-Seelen-Dorf in Mittelfranken  – und trotzdem ist ein Michelin-Sterne über dem Restaurant des Winzerhofs Stahl aufgegangen. Wer den Aufstieg des ehrgeizigen Kochs, Winzers und Weinbauingenieurs schon länger verfolgt, ist nicht überrascht.

Unilever Food Solutions hat „Future Menus 2024“ veröffentlicht, einen Trendreport, der globale Entwicklungen in der Gastronomie zeigt. Zu den wichtigsten Veränderungen gehören die steigende Nachfrage nach neuen Geschmackserlebnissen und Gerichten auf pflanzlicher Basis, die Neuinterpretation klassischer Gerichte sowie die Maximierung von Ressourcen, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren.