Umsatzbringer im Osten und anderswo - Verkaufshit «DDR-Softeis»

| Gastronomie Gastronomie

Diese Worte haben sich für Steffen Pretzsch als Umsatzbringer erwiesen. Seit zwei Tafeln an seinem Café am altehrwürdigen Naumburger Dom verkünden, dass er «Original DDR-Softeis» verkauft, habe sich sein Eisumsatz verdoppelt, sagt der 56-Jährige. «Das hätte ich nicht für möglich gehalten.» Pretzsch ist nicht der einzige Verkäufer von DDR-Softeis, viele Eisdielen zwischen Rügen und dem Erzgebirge werben mit der kühlen Leckerei. Aber was soll das überhaupt sein, DDR-Softeis, warum verkauft es sich immer noch so gut?

DDR-Softeis sei zunächst einmal keine geschützte regionale Marke wie etwa die Thüringer Rostbratwurst, sagt Torsten Langbein. Er ist Vertriebschef der Firma Ablig Feinfrost, zu der das Mitteldeutsche Speiseeismuseum in Heichelheim (Thüringen) gehört. «Jeder kann eine Fahne raushängen und verkünden, dass er DDR-Softeis verkauft.» Trotzdem gebe es so etwas wie ein allgemeines Verständnis, einen «erlernten Geschmack», den viele Menschen mit dem ziemlich schnell schmelzenden Eis verbinden - und nach wie vor mögen.

Ein erstes großes Geheimnis hinter dem DDR-Softeis sind die Eismaschinen. Ein einziger Hersteller, der VEB Kältetechnik Niedersachswerfen, produzierte in der DDR Softeismaschinen, die «Ilka Eisfreezer». «Im Westen waren es Pumpenmaschinen, die bis zu 30 Prozent Luft in die Eiscreme geschlagen haben. Im Osten fehlte die Luft», erzählt Café-Besitzer Pretzsch. Weniger Luft im Softeis bedeutet, dass es etwas fester ist. Das «Mundgefühl» wird ein anderes.

Tatsächlich sind die alten Maschinen in etlichen Eisläden noch immer im Einsatz. Ulrike Helbig (56) hat in ihrer «Eisfabrik» im thüringischen Gößnitz drei Maschinen aus den 80er Jahren stehen. Zwei produzieren ihr «Original DDR-Softeis», eine dient als Ersatzteilspender. Helbig hat 2015 mit dem Softeis begonnen, neben ihrem Hauptjob in der Pflege. «Ich habe es als zweites Standbein angefangen und wusste nicht, dass es so gut läuft.» Seit 2018 gilt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Eis.

Softeis ist allerdings absolut keine Erfindung der DDR. Die Idee dafür stammt aus den USA und wurde in den 50er Jahren nach Deutschland importiert. Nach Informationen des niedersächsischen Verbraucherschutzamtes wird Softeis bei deutlich höheren Temperaturen (-6 Grad) als herkömmliches Speiseeis (-18 Grad) hergestellt. In den Maschinen wird ein flüssiger Eismix - häufig angerührt aus Pulver und Wasser - gekühlt und als Softeis in seiner charakteristischen Form in die Eiswaffeln gefüllt.

Das Eispulver ist eine zweite Antwort auf die Frage, was DDR-Softeis ausmacht. Eisfabrikantin Helbig kauft ihre Softeismischungen bei verschiedenen Herstellern, wie sie sagt. Café-Inhaber Pretzsch setzt dagegen auf einen Produzenten, der auch schon zu DDR-Zeiten Softeispulver geliefert hat: die Firma Komet aus Großpostwitz in der Oberlausitz. Schoko und Vanille «Classic» müsse es sein - und mit Wasser angerührt, «damit es schmeckt wie früher», sagt Pretzsch. Das Eis sei «nicht so cremig, mehr erfrischend, nicht so süß».

In Großpostwitz will Vertriebsleiter Sebastian Bartsch das DDR-Thema nicht zu hoch halten. «Die Gattung "DDR-Softeis" gibt es im Lebensmittelrecht nicht», sagt er. Komet habe seine Softeis-Mischung in den 50er/60er-Jahren entwickelt. «Es wäre aber unseriös zu sagen: Wir verkaufen das Gleiche wie früher», sagt Bartsch. Heutzutage könne man auf ganze andere Rohstoffe zurückgreifen, bei anderen Zusätzen wie Aromen und Farbstoffen seien die Vorschriften ganz andere.

Trotzdem gelte: «Die Grundidee des Eises ist dieselbe wie zu DDR-Zeiten. Ob es aber genau derselbe Geschmack ist - da spielt sich doch viel im Kopf ab», meint Bartsch. Komet vertreibe sein Eispulver längst nicht nur im Osten. «Wir merken, dass wir zunehmend nach Westdeutschland verkaufen», sagt der Vertriebschef. Auch an Händler in Österreich und selbst Italien gingen die Eismischungen inzwischen. «Das freut uns natürlich, dass wir dort mit unserem Softeis punkten können.»

Diesen Trend beobachtet auch ein zweiter großer Hersteller, die Firma Anona im sächsischen Colditz. «Im Westen entstehen nach und nach Interessenten, die das Traditionsprodukt Softeis mit in ihr Portfolio aufnehmen wollen», teilt das Unternehmen mit. Die Colditzer stellen jedes Jahr rund 1000 Tonnen Eispulver her. Ihre Rezeptur für die Sorten Original Schoko und Vanille sei 1970 entwickelt worden. Grundsätzlich habe sich daran bis heute nicht viel geändert, die Grundrohstoffe seien beibehalten worden. Der «Geschmack aus der Kindheit» sei im Osten einfach weiterhin gefragt.

Aber was sagen eigentlich die Kundinnen und Kunden zum DDR-Softeis? Vor dem Domcafé von Steffen Pretzsch hat ein Betriebsausflug aus Rechtsanwaltskanzleien und Steuerberatungen Halt gemacht. Eine Frau schleckt andächtig ihr Eis und sagt: «Ja, doch, ich würde schon sagen, dass es schmeckt wie früher.» Ein Kollege widerspricht vehement. In der DDR sei Softeis viel cremiger gewesen, meint er. Pretzsch hat dafür eine Erklärung. Auch schon in der DDR sei Softeis nicht gleich Softeis gewesen: «Manche haben es auch mit Milch angerührt. Dann hat es natürlich anders geschmeckt.»


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Gastronomie steht vor einer große Transformation. Anpassung an den Klimawandel, Fachkräfteknappheit, Digitalisierung und Automatisierung sorgen dafür, dass neue Technologien in die Küchen einziehen, Ressourcen geschont und weniger Menschen benötigt werden. Fünf Planer des FCSI sprechen über ihre Visionen und Erwartungen für die Küche der Zukunft. 

Die deutsche Köchenationalmannschaft richtet den Blick auf den Culinary World Cup 2026 in Luxemburg und besetzt Schlüsselpositionen neu. Mit Tobias Laabs als Teamchef und einem neuen Captain-Duo der Jugendnationalmannschaft beginnt die Vorbereitungsphase.

Pizza, Pasta und Tiramisu gelten als Inbegriff von italienischer Küche - sie hat aber noch viel mehr zu bieten. Die «cucina italiana» ist nun offiziell Unesco-Kulturerbe. In Italien wird gejubelt.

Die Concept Family Franchise AG erweitert ihr Gastronomieangebot in der Metropolregion Rhein-Neckar. Das Ganztagesrestaurant Wilma Wunder eröffnet am 9. Dezember 2025 im Rhein-Neckar-Zentrum in Viernheim seinen 13. Standort in Deutschland.

Eine neue Umfrage zeigt, welche Potenziale und Risiken virale Social-Media-Trends für Kleinunternehmen bergen. Insbesondere in der Gastronomie hadern Betriebe mit der Trendidentifikation und dem finanziellen Risiko, obwohl die Übernahme einen positiven Einfluss auf den Umsatz haben kann.

Der Guide Michelin erweitert sein Bewertungssystem und führt eine neue Auszeichnung für Weingüter ein. Nach den Sternen für Restaurants und den 2024 präsentierten Keys für Hotels sollen die neuen Trauben einen Maßstab für die besten Weingüter weltweit setzen.

Im Europa-Park wurde der Grundstein für ein neues Mitarbeiter-Restaurant mit integrierter Zentralküche gelegt. Das Bauvorhaben erstreckt sich über vier Stockwerke mit insgesamt 4.500 Quadratmetern Fläche und soll im August 2026 fertiggestellt werden.

Im Kindercafé in Lüneburg beschwert sich wohl niemand über laute Kinder. Im Gegenteil. Laut und lustig soll es zugehen. Solche Orte sind in Städten immer häufiger zu finden.

Nach sechs Jahren Abwesenheit kehrt Jamie's Italian mit einem neuen strategischen Partner und einem überarbeiteten Konzept in die britische Gastronomieszene zurück. Die Neueröffnung soll im Frühjahr 2026 in London stattfinden.

Der Landkreis Harz treibt die touristische Entwicklung des Brockenplateaus voran und setzt dabei auf ein neues Gastronomiekonzept: Die Restaurantkette Timberjacks soll das kulinarische Angebot auf dem höchsten Gipfel Norddeutschlands übernehmen. Auch das Hotel soll ausgebaut werden. Die Eröffnung ist für das Jahr 2027 geplant.