Fachkräftemangel in der Hotellerie: Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

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Sie rekrutiert im Jahr rund 200 Mitarbeitende: Carolin Bartel, HR Resources Manager im weltbekannten Gstaad Palace. Trotz Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie kann die gebürtige Hamburgerin nicht klagen – das Team für diese Saison ist komplett. Sorgen bereitet ihr hingegen, dass Schlüsselpositionen in der Küche oder Abteilungsleitungen immer schwieriger zu besetzen sind. Tageskarte.io wollte Genaueres wissen.

Eine persönliche Frage, Frau Bartel – wie sind Sie eigentlich im Gstaad Palace gelandet?

Mit dem Auto aus dem Engadin (lacht). Ich kam vor gut sechs Jahren ins Saanenland. Ich war bereits als HR-Mitarbeitende in der 5-Stern-Hotellerie in der Schweiz tätig und habe die Ausschreibung als HR Operations Managerin im Gstaad Palace entdeckt. Ehrlich gestanden war ich mir nicht sicher, ob meine Französisch-Kenntnisse ausreichen würden.

Was offensichtlich hinhaute, wie man sieht.

Genau. Ich fühle mich ausserordentlich wohl in diesem grossartigen Haus, ebenso habe ich mich ins Berner Oberland verliebt. Kurze Zeit nach meinem Stellenantritt fragte mich Besitzer und General Manager Andrea Scherz dann bereits, ob ich die HR-Leitung übernehmen würde. Und da bin ich, aus vollem Herzen.

Wie sieht denn ein typischer Tag bei Ihnen aus?

Immer wieder anders. Den typischen Tag, den gibt’s nicht. Wir sind ein dreiköpfiges Team und wirbeln tüchtig. Zentral ist für mich, dass ich jeden Tag auch an der Front präsent bin und mich mit den Teams unterhalte, sie frage, wie es ihnen geht und höre, wo der Schuh drückt, was sie brauchen, um ihre Arbeit noch besser zu machen. Etcetera, etcetera.

Wie findet man eigentlich pro Jahr rund 300 Mitarbeitende, davon rund 220 Saisonmitarbeitende?

Gute Frage. Es ist schon ein Kraftakt, wenngleich sich die Situation je nach Saison unterschiedlich gestaltet. Für diesen Winter beispielsweise hatten wir keine Probleme und konnten alle Stellen besetzen. Letzten Sommer jedoch hatten wir zu kämpfen, vor allem bei Schlüsselpositionen in der Küche und im Housekeeping. Weshalb dem so ist, ist manchmal schwer zu eruieren. Bei den Jahresmitarbeitenden – bei uns gut 70 Personen – ist der Fall wieder anders gelagert. Hier geht’s vor allem darum, Fachkräfte zu finden, die sich längerfristig, mit ihrem Partner, ihrer Partnerin, in der Region niederlassen und verankern möchten.

Ist denn generell die 5-Stern-Hotellerie stärker vom Fachkräftemangel betroffen als andere?

Das kann man nicht so pauschal sagen. Aber klar ist: 5-Stern-Hotellerie, wie wir sie im Gstaad Palace betreiben, ist definitiv personalintensiver als andere Konzepte. Wir können nicht plötzlich Restaurants wegen Personalmangel schliessen oder die Zugangszeiten zum Spa limitieren. Unser Besitzer Andrea Scherz sagt immer: «Das Palace gibt’s nur ganz – oder gar nicht.»

Früher stand man Schlange, um im Gstaad Palace zu arbeiten, das Haus war ein Fixpunkt für jeden CV.  Heute erhält man nur wenige Bewerbungen, beispielsweise auf eine ausgeschriebene Stelle als Chef de Partie. Wie kommt das?

Wenn ich das wüsste… Die Arbeit in der Küche eines Tophauses in dieser Liga ist anstrengend, ohne Zweifel, zumal wir noch einen ausgeprägten Saisonbetrieb haben. Vermutlich müssen wir uns noch attraktiver präsentieren – mit all den immateriellen Zusatzvorteilen, die ein Leben in Gstaad nebst dem Arbeiten bietet. Und auch das Faktum, dass man dafür lange Pausen und eine Art von Sabbaticals zwischen den Saisons hat, ist für junge Menschen, die gerne weit reisen, durchaus attraktiv.

Die Stunde der Generation Z hat geschlagen. Da kommen neue, junge Talente mit anderen Haltungen auf den Markt. Wie äussert sich das in den Vorstellungsgesprächen?

Ich begegne gut informierten Fachleuten, die genau wissen, was sie wollen. Sie haben ein klares und bestimmtes Auftreten. Bisweilen etwas sehr selbstbewusst, für ihr junges Alter. Aber lieber so als umgekehrt. In der Hospitality-Industrie braucht es Rückgrat. Ich halte nichts vom GenZ-Bashing. Wir müssen einfach mit offenen Karten spielen, als Arbeitgeber wie als Arbeitnehmer. Was früher eine Selbstverständlichkeit war – Schicht, Überzeit, lange Tage –, ist heute erklärungsbedürftig. Einen Teil dieser Spielregeln können wir ändern, durch andere Formen von Planung beispielsweise.

Wie sieht Ihr Traumprofil für eine Palace-Mitarbeitende aus?

Ich sage es ganz pointiert: Wir suchen nicht Arbeitskräfte, wir suchen Persönlichkeiten. Menschen also, die es schaffen, mit Gästen und ihren Kolleg:innen eine Welt zu kreieren, in denen sich alle wohl fühlen. Wir brauchen diesen «We are family»-Spirit, der zu unserer DNA seit 110 Jahren gehört. Und dieses sinnstiftende Wirken übrigens ist voll in, auch bei den jungen Menschen. Sie wollen ernstgenommen und von Beginn weg als Teil eines grösseren Ganzen verstanden werden.

Kolleginnen und Kollegen von Ihnen sprechen über 4- oder 5-Tage-Woche für Hotelmitarbeitende. Ist dies überhaupt denkbar?

Denkbar schon. Die andere Frage ist, ob man diese auch finanzieren kann. Denn für dieses Modell bräuchten wir mehr Mitarbeitende, die sich aktuell nicht finden. Ich kenne ehrlich gesagt kein 5-Stern-Haus, das dieses Modell erfolgreich erprobt hat. Ich kenne jedoch Betriebe, die mehr reguläre Ferientage gewähren oder Homeoffice für bestimmte Positionen ermöglichen. Gerade in städtischen Lagen und für Ganzjahresbetriebe sind flexiblere Ansätze vermutlich einfacher umzusetzen.

Gstaad ist bekanntlich ein teures Pflaster. Was können Sie tun, um den Mitarbeitenden ein günstiges Dach über dem Kopf zu bieten?

Das ist eine Herausforderung, für alle Einheimischen übrigens ebenso. Unsere Besitzerfamilie Scherz – die nun schon seit drei Generationen das Haus führt – war in diesen Belangen immer visionär. Schon in den 1950er-Jahren wurden eigene Personalhäuser gebaut. Heute verfügen wir über sieben Häuser und können allen 200 Saisonmitarbeitenden ein Bett anbieten. Total verfügen wir über 165 Zimmer und 295 Betten, sind also deutlich grösser als das «Palace» selbst. Wir investieren konstant in diese Unterkünfte. Alle verfügen über WLAN, TV, Kühlschrank und werden auch regelmässig durch unser Housekeeping gereinigt

Kost und Logis war früher üblich. Ist das als Incentive noch gefragt? Was sind neue Fringe Benefits, die heute vor allem ziehen?

Unsere Mitarbeitenden schätzen insbesondere die Vergünstigungen für Bergbahnen sowie unsere Partnerhotels von Swiss Deluxe. Ebenso können sie kostenlos unser Aussenschwimmbad «PISCINE» nutzen und zu besonderen Konditionen die Tennisplätze sowie die Restaurants geniessen. Auch bieten wir Gratis-Sprachkurse in deutsch, französisch und englisch an. Und die Your Gstaad Membership Card, die öffnet in der Region etliche Türen, zu Kino und Clubs beispielsweise.

Nun liegt Gstaad nicht am Weg – ist die Randlage ein Vorteil oder eher ein Nachteil?

Weder noch, würde ich sagen. Es hängt von den Bedürfnissen der Mitarbeitenden ab. Für Saisonmitarbeitende ist es sogar eher ein Vorteil, denn Gstaad ist im Winter wie Sommer einfach ein herrlicher Platz in den Bergen, wo man perfekt Sport treiben kann. Und vergessen Sie nicht: Gstaad hat – so sagen Insider – die besten Staff-Partys der Welt.

Wo finden Sie neue Mitarbeitenden? Online oder über Empfehlung?

Letzteres ist DAS Erfolgsrezept unseres Hauses – übrigens seit 50 und mehr Jahren. Denn wir haben das Glück, dass unsere treuen Maîtres, die schon lange bei uns sind und oft aus Italien oder Portugal stammen, in ihrem Umkreise viele Talente kennen, die sie stellvertretend für uns angehen und sogar vorselektionieren. Diese Form von Empfehlungsmarketing ist Gold wert.

Sind bei Ihnen eigentlich auch Quereinsteiger willkommen?

Absolut. Nur sind sie leider noch selten. Wir müssen sicherstellen, dass sie sich die Skills, die es für die 5-Stern-Hotellerie braucht, rasch aneignen können. Wir würden uns sehr gerne noch mehr frischen Wind von aussen wünschen. Das ist auch eine Bereicherung fürs Team.

Stichwort Diversity: Was tun Sie, um einen spannenden Mix an Kulturen, Sprachen, Haltungen und Lebensentwürfen im Palace-Team vertreten zu haben?

Um ehrlich zu sein, das ergibt sich bei uns fast von selbst. Wir haben 19 Nationen im Haus, wir sprechen mindestens drei bis vier Sprachen parallel, wir sind eine weltoffene «Family» und leben Inklusion ganz selbstverständlich. Anders gesagt: Wir brauchen keine Quoten oder ähnliches. Und so haben wir – noch nicht ganz typisch für Luxushotellerie – in unserem Management eine 50:50-Besetzung von Frauen und Männern.

Carolin Bartel – Human Resources Managerin im Gstaad Palace

Sie stammt aus dem Norden, aus Hamburg. In die Schweiz kam Carolin Bartel der Hotellerie wegen – denn ihr Herz schlägt für dieses Metier seit eh und je. Sie hat ihre Fachausbildung an einer Hotelfachschule in Montreux gemacht. Im Gstaad Palace ist sie seit 2016 als Human Resources Managerin tätig. Pro Jahr rekrutiert sie rund 200 Mitarbeitende, davon gut 70 Jahresangestellte. Wenn sie nicht arbeitet, ist Carolin Bartel mit ihrem Rhodesian Ridgeback «Shuri» an der frischen Luft, fährt leidenschaftlich Ski, kocht fürs Leben gern und erkundet fremde Länder.

Der direkte Draht: Carolin Bartel – hr@palace.ch 


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