Hotels und Gaststätten kämpfen nicht nur um Kunden, sondern auch um Mitarbeiter. Denn die sind knapp: Im September waren in Rheinland-Pfalz laut Bundesagentur für Arbeit fast 2400 Stellen im Gastgewerbe unbesetzt. Die Pandemie hat den Personalmangel durch die Abwanderung von Beschäftigten in andere Branchen verschärft. Hinzu kommt, dass die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen ist. Die Branche habe ein Imageproblem, doch biete sie in der realen Arbeitswelt den Beschäftigten gute Chancen und eine hohe Jobzufriedenheit, erklärten Vertreter der Industrie- und Handelskammern und Hoteliers am Donnerstag in Mainz.
Rheinland-pfälzische Familienunternehmen werben jetzt mit dem Projekt «Working Family» und einer gemeinsamen Plattform im Internet um Fachkräfte in Küche, Restaurant und an der Rezeption. Bei dem am Donnerstag an den Start gegangenen Netzwerk sind zunächst rund 25 Betriebe von Rheinhessen bis Trier und von der Vulkaneifel bis zur Pfalz dabei. Die Betriebe und die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern (IHK), die die Federführung übernommen hat, gehen davon aus, dass sich das Netzwerk bald vergrößern wird.
Die Plattform bietet Interessierten in einer Stellenbörse die Möglichkeit, sich je nach Region und Berufsfeld schnell einen Überblick über offene Jobs zu verschaffen. Betriebe wiederum können sich beispielsweise an professionell gestalteten Vorlagen für Stellenanzeigen und Werbung bedienen. Wichtig dabei sei es, die Alleinstellungsmerkmale von Familienbetrieben für die Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorzuheben, sagte IHK-Projektleiter Albrecht Ehses.
«Die Familie hält zusammen, gerade auch in schlechten Zeiten», erklärte Lutz Frey, Direktor des Atrium Hotels in Mainz, mit Blick auf die Pandemie, die das Gastgewerbe besonders hart getroffen hat. Sein Haus habe trotz der Krise allen Auszubildenden in diesem Jahr ein Jobangebot gemacht - «und alle haben ja gesagt».
Gerhard Jordan, Inhaber des Hotels Jordan's Untermühle in Köngernheim (Kreis Mainz-Bingen), erklärte, das Image von schlechter Bezahlung und ungünstigen Arbeitszeiten in Hotels und Gaststätten gehe oft an der Berufswirklichkeit vorbei. Tatsächlich zahlten viele Betriebe übertarifliche und leistungsbezogene Löhne. Und es gebe auch Beschäftigte, denen die Arbeitszeiten im Gastgewerbe persönlich besser passten als ein früher Arbeitsbeginn beispielsweise in einer Bäckerei oder auf dem Bau.
Das Wirtschaftsministerium unterstützt das Fachkräfteprojekt mit einem Zuschuss von 100 000 Euro. Die Stärkung von Familienunternehmen sei ein wichtiger Baustein in der Tourismusstrategie des Landes, sagte Ministerin Daniela Schmitt.
Zur Linderung des Personalmangels im rheinland-pfälzischen Gastgewerbe fordert die Gewerkschaft NGG einen «grundlegenden Kulturwandel» mit besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen. «Die Lohnsituation war für viele Beschäftigte schon vor der Corona-Pandemie prekär», sagte Alexander Münchow, Landesbezirkssekretär der NGG für Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen, der Deutschen Presse-Agentur. Viele seien während der Krise in den Einzelhandel, die Lebensmittelindustrie oder zu Banken und Versicherungen gewechselt, weil sie von dem zu geringen Kurzarbeitergeld nicht hätten leben können.
Der Personalmangel sei nach der Wiedereröffnung der Gastronomie nun deutlich spürbar - auch für die Gäste. Nach Ansicht des Gewerkschafters muss dringend etwas passieren, um die Entwicklung aufzuhalten. «Die Branche muss komplett umdenken, damit viele Beschäftigte aus dem Niedriglohnbereich herauskommen.» Der von ihm geforderte «Kulturwandel» müsse sich an den Bedürfnissen und Realitäten der Beschäftigten orientieren. «Wir brauchen vernünftige Einkommen, die armutsfest und krisensicher sind. Wir brauchen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung statt Minijobs», forderte er. «Dann glaube ich fest daran, dass diese Branche wieder auf die Beine kommt und die Flucht der Beschäftigten gestoppt werden kann.»
Doch der «Kulturwandel» müsse breiter verstanden werden, so Münchow. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für das Personal bedeuteten, dass die Betriebe den Gästen auch eine andere Preispolitik zumuten müssten. «Es kann nicht sein, dass Menüs zu Ramschpreisen angeboten werden. Damit kann man keine anständigen Löhne zahlen.» (dpa)