Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat Schulunterricht in geschlossenen Gaststätten und Hotels vorgeschlagen, um die Abstandsregeln besser einhalten zu können. Er würde sich wünschen, «dass die physischen Möglichkeiten der Kommunen noch besser ausgeschöpft werden», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag». «In Klassenräumen ist es oft schwer, den ausreichenden Abstand einzuhalten», begründete Altmaier seinen Vorstoß. «Ich würde es begrüßen, wenn der Unterricht deshalb auch zum Beispiel in Gemeindezentren, Kulturhäusern oder in den ungenutzten Räumen von Gaststätten und Hotels stattfinden würde.»
Altmaier: Wenig Spielraum für das Öffnen von Restaurants
Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht noch keine wesentlichen Erfolge des Teil-Lockdowns. «Zur Zwischenbilanz gehört auch, dass die Infektionszahlen nach wie vor viel zu hoch sind. Sehr viel höher sogar als vor zwei Wochen», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag». «Trotz aller Anstrengungen ist eine Wende zum Besseren noch nicht erreicht», sagte Altmaier. Für das Öffnen von Restaurants und Kinos sehe er wenig Spielraum. «Wir sind aus dem Gröbsten noch nicht raus.» Einen «Jo-Jo-Shutdown» mit ständigem Öffnen und Schließen der Wirtschaft könne sich Deutschland nicht leisten.
Altmaier rechnet nach eigener Aussage damit, dass sich die Deutschen noch weit über den Dezember hinaus einschränken müssen. «Wir werden zumindest in den nächsten vier bis fünf Monaten mit erheblichen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen leben müssen.»
Auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sieht keine Chance für Lockerungen. «Aus meiner Sicht gibt es für Lockerungen aufgrund der hohen Infektionszahlen keine Grundlage», sagte er der Zeitung. «Wir sollten uns deshalb in sieben Tagen noch einmal treffen, um über die Entwicklung zu sprechen. Eingriffe in die Grundrechte der Menschen müssen sehr genau erklärt und begründet werden.»
Am Montag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten eine Zwischenbilanz des Teil-Lockdowns ziehen. Derzeit haben unter anderem Restaurants geschlossen, Hotels dürfen keine Urlauber aufnehmen, auch Kultur- und Freizeiteinrichtungen mussten schließen.
Merkel stimmt Bürger vor Bund-Länder-Schalte auf harte Monate ein
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Menschen in Deutschland vor der am Montag geplanten Zwischenbilanz des Teil-Lockdowns auf schwierige Monate wegen der Corona-Krise eingestimmt. «Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen», sagte Merkel in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schloss weder eine Verlängerung des bis Ende des Monats befristeten Teil-Lockdowns noch eine weitere Verschärfung der Maßnahmen aus. Ähnlich äußerte sich Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU).
«Das Virus wird noch eine ganze Weile unser Leben bestimmen. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht unbeschwert direkt begegnen können», sagte Merkel. Regierungssprecher Steffen Seibert hat bereits am Freitag betont, dass die Regierung noch keine Möglichkeiten für Lockerungen sieht. Freizeiteinrichtungen und Restaurants sind derzeit geschlossen, Hotels dürfen keine Touristen beherbergen.
In Deutschland haben die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) nach Angaben von Samstagmorgen 22 461 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Damit ist der Wert erstmals seit Monaten im Vergleich zu einem Samstag der Vorwoche gesunken. Vor einer Woche hatte die Zahl gemeldeter Neuinfektionen bei 23 399 gelegen. Auch wenn solche Daten statistische Ausreißer sein können, so gibt es doch Lichtblicke in der Corona-Pandemie. Schon vor Samstag war die Geschwindigkeit des Zuwachses der Neuinfektionen gesunken.
Auch die 7-Tage-Inzidenz stieg zuletzt nicht mehr so schnell wie Anfang November und lag am Freitag bei 140,4 Fällen in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner. Dafür kann es mehrere Gründe geben. Bis sich die Wirkung des seit dem 2. November greifenden Teil-Lockdowns bei den Infektionszahlen zeigt, dauert es nach RKI-Angaben zwei bis drei Wochen. Ziel der Bundesregierung ist es, an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 heranzukommen. Erst dann sei es wieder möglich, dass die Gesundheitsämter einzelne Kontakte von Infizierten nachvollziehen könnten.
Merkel stellte vor einem virtuellen Gespräch mit Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und Pflegekräften an diesem Donnerstag die Lage in der Pflege in den Mittelpunkt. «Schutz vor der Gefahr des Virus ist notwendig, aber die Antwort soll auch nicht einfach Abschottung heißen.» Sobald zuverlässige Impfstoffe vorlägen, könnten sich diejenigen, die für die Versorgung von Kranken und Betreuungsbedürftigen zuständig seien, zügig impfen lassen. Das gelte auch für Risikogruppen, also auch für Pflegebedürftige.
Experten erwarten Anfang 2021 die vorläufige Zulassung eines ersten Impfstoffs gegen das Coronavirus in Europa und den USA, nachdem das Mainzer Unternehmen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer von einem hohen Wirkungsgrad des von ihnen gemeinsam entwickelten Impfstoffes berichtet hatten.
Söder erteilte bei einer Internet-Landesversammlung der bayerischen Jungen Union einer zu frühen Lockerung der Anti-Corona-Maßnahmen eine klare Absage. Bis Ende November gebe es «auf keinen Fall eine Lockerung – das macht überhaupt keinen Sinn». Mit Blick auf die Bund-Länder-Beratungen am Montag sagte er: «Ob's verlängert werden muss – möglich, wir werden sehen. Ob mehr gemacht werden muss – das wird dann alles entschieden.»
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Samstag bei einer Internet-Versammlung der bayerischen Jungen Union mit Blick auf die aktuellen Corona-Zahlen, man beobachte nun «zumindest mal eine Stabilisierung». Danach müsse es aber das gemeinsame Ziel sein, die Zahlen runterzubringen. «Dieses Virus hat eine unglaublich lange Bremsspur», warnte er. Selbst mit sehr starken Beschränkungen dauere es sehr lange, bis die Zahlen wieder sinken.
Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei einem virtuellen SPD-Landesparteitag in Stuttgart: «Die Pandemie wird uns noch lange beschäftigen.» Die Auflagen seien richtig, um die Infektionszahlen runterzukriegen. «Wir können nicht warten, bis die Intensivstationen überfüllt sind.»
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich dafür aus, die Schulen auf jeden Fall offen zu halten, warnte aber vor einer Fortsetzung des bisherigen Schulbetriebs. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er: «Wir kommen in eine Situation hinein, wo der Schulbetrieb für Kinder, Lehrer, Eltern und Großeltern zu einem hohen Risiko wird.» Er riet dazu, die Schulklassen aufzuteilen und «im Winter durchgehend mit Maske» zu unterrichten. Kinder im Alter von 10 bis 19 seien so ansteckend wie Erwachsene.
Der Deutsche Lehrerverband forderte eindeutige Richtlinien zum weiteren Vorgehen an den Schulen. «Schulen auf Biegen und Brechen offenzuhalten, ist nicht der richtige Weg», sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger dem Sender NDR Info. Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, forderte von der Politik, Wechselunterricht ab einem Sieben-Tage-Inzidenz-Wert von 50 zu beschließen. «Wir müssen die Gesundheit von Lehrern, Schülern und deren Eltern schützen», sagte sie der «Passauer Neuen Presse».
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) schrieb in einem der dpa vorliegenden Brief an die Unionsabgeordneten, damit nicht wie bei europäischen Nachbarn deutlich schärfere Mittel wie Ausgangssperren, Schließungen von Geschäften und Massentests nötig seien, «müssen wir (..) in den nächsten Wochen erhebliche Anstrengungen unternehmen».
Saarlands Ministerpräsident Hans sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Wir müssen kritisch prüfen, ob unsere bislang ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um das Infektionsgeschehen in Griff zu bekommen, oder ob wir und wo wir gegebenenfalls nachbessern oder sogar noch nachschärfen müssen.»
Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) appellierte an Merkel und die Ministerpräsidenten, von einer Verlängerung der Einschränkungen abzusehen. «Wir erwarten, dass nicht schon am Montag Entscheidungen für Dezember getroffen werden», sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der «Rheinischen Post». Die Entwicklung des Infektionsgeschehens solle abgewartet werden. (dpa)