Anstieg der Corona-Zahlen: Modellkommune Tübingen unter Druck

| Politik Politik

In der Modellkommune Tübingen mit Lockerungen und massenhaften Tests sind die Corona-Fallzahlen stark gestiegen. Allerdings sei der Anstieg in etwa so hoch wie dort, wo mit Schließungen gearbeitet werde, sagte Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) am Montagabend bei einer Online-Gesprächsrunde mit Wissenschaftlern in Tübingen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt sei bis Sonntag auf 66,7 gestiegen, sagte Palmer den «Stuttgarter Nachrichten» und der «Stuttgarter Zeitung» (Dienstag). Damit hat sich der Wert innerhalb weniger Tage fast verdoppelt. Am vergangenen Donnerstag hatte er nach Angaben der Stadt noch bei 35 gelegen.

Den Zeitungen sagte Palmer, der Anstieg mache ihm keine Sorgen. Dieser gehe eher nicht aufs Einkaufen oder den Theaterbesuch zurück. Problematisch seien jene Menschen, die abends in der Stadt Party machten. Es sei aber jederzeit möglich die Reißleine zu ziehen. «Das ist ein Experiment mit offenem Ausgang», so Palmer.

Zugleich sieht das Stadtoberhaupt zunehmende Kritik am Tübinger Vorgehen. «Das Modellprojekt steht seit heute sehr unter Druck», sagte der Grünen-Politiker. Viele wünschten sich, dass das Projekt scheitere. Er erhalte auch zahlreiche Morddrohungen. Insbesondere die Äußerungen von Bundeskanzlerin Merkel am Sonntag seien so verstanden worden, dass sie auch das Tübinger Modell in Frage gestellt habe.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich in einem Fernsehinterview kritisch gegenüber Modellprojekten mit Öffnungen gezeigt und angedeutet, dass notfalls der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder nicht handelten. Mehrere Länder wollen derzeit Modellprojekte mit Lockerungen starten.

Zuvor hatte sich Palmer angesichts großer Gruppen, die nach 20 Uhr auf innerstädtischen Wiesen Partys feierten, für nächtliche Ausgangsbeschränkungen ausgesprochen. Da gebe es keinen Abstand, sondern Alkohol. «Ich hätte gar nichts dagegen zu sagen: Ab 20 Uhr ist wirklich Ruhe», hatte Palmer in einer Online-Gesprächsrunde der «Bild»-Zeitung gesagt. Tagsüber könne geordnet in der Außengastronomie gesessen oder mit Maske eingekauft werden. «Und nachts sind alle daheim - warum nicht», so der Grünen-Politiker.

Auch der große Zulauf von Menschen, die außerhalb des Landkreises Tübingen wohnen, macht dem Rathauschef Sorgen. Zahlreiche Menschen waren am Wochenende in die Universitätsstadt am Neckar gekommen und hatten die dort möglichen Lockerungen genossen. In der Außengastronomie von Cafés und Restaurants waren die Plätze bei frühlingshaften Temperaturen gefüllt. Die Stadt hat die Zahl der Tests für Menschen von außerhalb des Landkreises deshalb nun dauerhaft beschränkt. Um dem befürchteten Andrang am Osterwochenende zu begegnen, soll es an diesen Tagen nur noch Tests für Einheimische geben.

Tübingen testet seit Mitte März, ob mehr Öffnungsschritte mit möglichst flächendeckenden Tests umsetzbar sind, ohne dass die Zahl der Corona-Fälle deutlich zunimmt. Menschen können sich in der Stadt kostenlos testen lassen, das Ergebnis wird bescheinigt. Mit dem Zertifikat können die als gesund getesteten Personen zum Beispiel in Modeläden einkaufen, zum Friseur oder auch ins Theater und in den Biergarten gehen.

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, das von der Stadt aufgebaute System regelmäßiger Testungen in Betrieben, Schulen, Kitas und das leistungsfähige Netz von Teststationen funktioniere. Das Modellprojekt wurde zuletzt bis zum 18. April verlängert.

Ungeachtet dessen steigt im Landkreis Tübingen das Infektionsgeschehen im Zuge der Ausbreitung der ansteckenderen Varianten des Coronavirus. Die Region lag zuletzt nur noch knapp unter dem Wert von 100 bei der Sieben-Tage-Inzidenz. Am Montag veröffentliche das Landesgesundheitsamt wegen technischer Probleme zunächst keine neuen Fallzahlen.

Steigt in Kreisen die Inzidenz an drei Tagen in Folge über den Wert von 100, müssen diese eine sogenannte Notbremse ziehen und Lockerungen für Handel und Freizeit zurücknehmen. Auch eine nächtliche Ausgangsbeschränkung kann in diesem Fall verhängt werden.

Zurück

Vielleicht auch interessant

In den Tarifverhandlungen der Brandenburger Hotels und Gaststätten haben sich die Parteien schnell auf einen Lohnzuwachs für die Beschäftigten geeinigt. Doch der Dehoga rechnet im kommenden Jahr mit zahlreichen Pleiten.

Auf den 184 Seiten des schwarz-roten Koalitionsvertrages bekennt sich die neue Landesregierung in Hessen zur Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Tourismus. Dies gebe den hessischen Betrieben wieder etwas mehr Zuversicht, kommentiert der Dehoga.

Sie liefern Essen und Lebensmittel, Pakete oder fahren Menschen durch die Stadt: Aber wann sind Mitarbeiter von Onlineplattformen noch selbstständig und wann Angestellte? Darüber gibt es oft Streit. Ein neues EU-Gesetz könnte Millionen betreffen und mehr Klarheit bringen.

Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampel-Koalition eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Vieles wird teurer werden, mancher Zuschuss des Staates gekürzt oder gestrichen. Die reduzierte Gastro-Mehrwertsteuer fand keine Erwähnung und dürfte damit Ende des Jahres Geschichte sein.

Die Spitzen der Ampel-Koalition streben offenbar eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge an. Die Luftverkehrswirtschaft zeigte sich wenig begeistert davon: Die staatlichen Standortkosten seien bereits jetzt die höchsten im europäischen Vergleich.

Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU sollen die Ursprungsländer eines Honigs nach dem Willen des Europaparlaments künftig auf dem Etikett nachlesen können. Für ein Verbot von irreführenden Aufschriften auf Fruchtsäften gab es hingegen keine Mehrheit.

Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn hält die Lokführergewerkschaft GDL ihre Streikdrohung aufrecht. «Ab dem 8. Januar sollte man mit längeren Arbeitskämpfen rechnen», sagte der Vorsitzende Claus Weselsky der «Augsburger Allgemeinen».

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Details sollen im Laufe des Tages bekanntgegeben werden, wie die dpa am Mittwochmorgen erfuhr

Die Mehrwertsteuererhöhung von sieben auf 19 Prozent auf Speisen wird gravierende Folgen für die Gastgeber haben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes: 62,7 Prozent der befragten Unternehmer geben an, dass sie die Steueranhebung auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 wirtschaftlich hart treffen wird. Neun von zehn Unternehmen planen Preissteigerungen.

Mobilität und Digitalisierung standen inhaltlich im Mittelpunkt des Parlamentarischen Abends der Tourismuswirtschaft: Die notwendigen Investitionen in die digitale und Verkehrsinfrastruktur müssten genauso wie in die Erforschung und Produktion von E-Fuels sichergestellt werden.