Bund und Länder ringen um Nachfolger für 9-Euro-Ticket

| Politik Politik

Gut drei Wochen vor dem Auslaufen des günstigen 9-Euro-Tickets ringen Bund und Länder über ein mögliches Folgeangebot des Billig-Fahrscheins. Besonders umstritten ist nach wie vor die Finanzierung einer Anschluss-Lösung. Bayern pocht darauf, dass der Bund allein die Kosten für das Nachfolgeangebot im Nah- und Regionalverkehr übernimmt. Andere Länder signalisierten die Bereitschaft zur Mitfinanzierung. Finanzminister Christian Lindner sieht aber keinen Spielraum für zusätzliche Mittel des Bundes.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, «in dieser außergewöhnlichen Situation muss der Bund für weitere Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger sorgen – und zwar ausschließlich der Bund». Schließlich zahlten die Länder bereits für etliche Entlastungsmaßnahmen des Bundes mit, «obwohl sie diese nicht angestoßen haben».

Zuvor hatte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer (Grüne) erklärt, die Länder seien bereit, ein Nachfolgeangebot zum 9-Euro-Ticket mitzufinanzieren. Voraussetzung für eine solche Entscheidung wären aber Fakten, die Bundesminister Volker Wissing (FDP) bisher schuldig bleibe, sagte die Bremer Mobilitätssenatorin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Das befristete 9-Euro-Ticket wurde zur Entlastung der Menschen in Deutschland angesichts steigender Preise von der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eingeführt. Es gilt von Juni bis August in Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs und kostet pro Monat 9 Euro. Schon vor dem Start des Sondertickets gab es Streit über die Finanzierung. Widerstand kam unter anderem lange aus Bayern.

Der Bund finanziert die Aktion mit 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Verkehrsunternehmen - zusätzlich zu regulären 9,4 Milliarden Euro an «Regionalisierungsmitteln» in diesem Jahr, mit denen Länder und Verbünde Verkehrsleistungen bei Anbietern bestellen. Dazu kommt eine weitere Milliarde aus einem anderen Topf. Die Länder fordern generell mehr Bundesgeld für den ÖPNV.

Über Anschlussangebote für die 9-Euro-Tickets wird diskutiert, um Fahrgäste von Energiekosten zu entlasten und Anreize fürs Umsteigen in den ÖPNV zu erhalten. Unter anderem gibt es Vorschläge für ein 365-Euro-Jahresticket und Monatstickets für 29, 49 oder 69 Euro.

Lindner sagte in der «Augsburger Allgemeinen» (Montag), in der Finanzplanung stünden für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keine Mittel zur Verfügung. Jeder Euro müsste durch Kürzung anderswo mobilisiert werden, so der FDP-Politiker. Wissing ist offen für eine Nachfolgeregelung. Seinem Ministerium zufolge ist die Bereitschaft der Länder aber mitentscheidend, sich finanziell zu beteiligen.

Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sagte der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung», «wir sind zu Gesprächen über die kurzfristige Verlängerung und eine dauerhafte Nachfolgeregelung bereit». Thüringens Verkehrsministerin Susanna Karawanskij (Linke) sagte, fast die Hälfte der Bürger nutze das 9-Euro-Ticket. «Das ist ein starkes Signal, das Angebot bundesweit fortzusetzen.» Nötig sei «echtes Klimaticket, das auch die privaten Geldbeutel entlastet - zum Beispiel als ganzjähriges 365-Euro-Ticket».

Die SPD-Fraktion pocht auf eine Beteiligung der Länder an den Kosten. Es müsse klar sein, dass nicht allein der Bund die Finanzierung übernehmen könne, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Detlef Müller, der dpa. «Zudem muss gesichert sein, dass die notwendige Stabilisierung des Betriebs in Folge von Kostensteigerungen sowie der Ausbau des Angebotes im ÖPNV nicht hinten anstehen dürfen.» Zur Finanzierung des Bundesanteils sei «ein Abbau beziehungsweise eine Reduzierung von klimaschädlichen Subventionen im Bereich des Straßenverkehrs ein gangbarer Weg».

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge forderte in der Berliner Tageszeitung taz (Montag), den August zu nutzen, um zu einer
Lösung zu kommen. Bei einer raschen Einigung könnte für Oktober eine Anschlusslösung stehen. Die Grünen schlagen ein Regionalticket für 29 Euro und eine bundesweit im ÖPNV geltende Fahrkarte für 49 Euro vor.

Lindner stemmt sich gegen den Vorschlag der Grünen, die pauschale Versteuerung von Dienstwagen abzuschaffen, um einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket zu finanzieren. «Es ist schon linke Polemik, die pauschale Versteuerung eines Geschäftswagens als Privileg zu bezeichnen, denn es ist vor allem eine Steuervereinfachung», sagte er dpa. Die Idee der Grünen würde Millionen Bürger dazu zwingen, ein Fahrtenbuch zu führen, ohne dass unter dem Strich für den Staat Mehreinnahmen herauskämen. Untersuchungen zeigten, dass die Pauschalversteuerung keinen Steuervorteil bedeute. Eine Steuersubvention bei Dienstfahrzeugen gebe es dagegen bei E-Autos. «Die ist in meinen Augen aber sinnvoll, weil damit klimafreundliche Neufahrzeuge als Geschäftswagen in die Flotte kommen, die wenig später gute und günstige Gebrauchtwagen sind», sagte Lindner.

Die Linke will das 9-Euro-Ticket bis Jahresende weiterlaufen lassen. «Ab 2023 könnte man auf ein Ein-Euro-Ticket pro Tag übergehen», sagte Parteichef Martin Schirdewan der Düsseldorfer «Rheinischen Post» und dem Bonner «General-Anzeiger» (beide Montag). «Unser strategisches Ziel bleibt ein kostenloser Nahverkehr für alle Bürgerinnen und Bürger.» Geld dafür könne kurzfristig durch eine sogenannte Übergewinnsteuer eingenommen werden, die auf als übermäßig betrachtete Gewinne von Unternehmen abzielt. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Es ist der erste Bürgerrat dieser Art und das Thema ist hochaktuell: Ernährung. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder steht dabei an erster Stelle der Empfehlungen, die nun im Bundestag vorgestellt wurden.

Das Justizministerium hat einen Referentenentwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Darin enthalten ist auch die Hotelmeldepflicht, die abgeschafft werden soll – allerdings nur für deutsche Staatsangehörige. Auch die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen verkürzt werden.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent für Speisen in der Gastronomie bei gleichzeitig massiv steigenden Kosten stellt die Unternehmer vor größte Herausforderungen. Das geht aus einer Umfrage des Dehoga hervor.

Obwohl Finanzminister Lindner noch im letzten Jahr mehrfach seine Sympathie für eine dauerhafte Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie kundgetan hatte, will der Politiker heute von einer Senkung nichts mehr wissen. In der ARD-Sendung Maischberger schloss Lindner die Rückkehr zur Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer jetzt deutlich aus.

Auch am Donnerstag haben Landwirte ihre Proteste gegen die Sparmaßnahmen der Bundesregierung in vielen Regionen fortgesetzt. Unterstützung kommt auch vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. 

Pandemie, Kundenzurückhaltung, Personalmangel und Mehrwertsteuererhöhung: Die Gastrobranche steht nach Krisen in der Vergangenheit vor neuen Herausforderungen. Eine saarländische Kampagne soll für positive Stimmung sorgen.

Nach dem sogenannten Weihnachtsfrieden nimmt der Tarifstreit bei der Deutschen Bahn Fahrt auf: Von Mittwoch bis Freitag will die Lokführergewerkschaft GDL im Personenverkehr streiken.

Am 15. Januar findet als Abschlussaktion der Aktionswoche „Ohne uns kein Essen“ der Landwirte in Berlin eine Großdemo statt. Hier ist auch der DEHOGA als Partner und Unterstützer mit dabei. Auch in den Bundesländern gibt es Aktionen. Teilnahmen an Straßenblockaden sind nicht geplant.

Beim Blick in die Kühltheken sollen Verbraucherinnen und Verbraucher bald zusätzliche Informationen auf Lebensmitteln finden - zur Herkunft von Fleischwaren schon in wenigen Wochen. Ein anderes Logo kommt auch auf den Weg.

Per Gesetz sollen Plastik-Einwegverpackungen bei Essen zum Mitnehmen eingedämmt werden. Der Dehoga findet die Idee grundsätzlich gut. Es hakt aber bei der Rückgabe des als Ersatz genutzten Mehrweggeschirrs.