Bundesrat stimmt über Corona-Gesetz der Ampel ab

| Politik Politik

Nach heftiger Auseinandersetzung zwischen den Ampel-Parteien und der Union stimmt am Freitag der Bundesrat über den neuen Instrumentenkasten gegen die vierte Corona-Welle ab. Die Union hatte ursprünglich eine Blockade angedeutet: Ohne die Länder mit CDU und CSU in der Regierung gibt es im Bundesrat keine Mehrheit. Nach einer Bund-Länder-Runde am Donnerstag zeichnete sich jedoch ein Kompromiss ab: Es wurde vereinbart, dass das von SPD, Grünen und FDP eingebrachte Gesetz bereits in drei Wochen evaluiert und gegebenenfalls nachgebessert werden soll.

Dabei geht es unter anderem um 3G-Vorgaben am Arbeitsplatz sowie in Bussen und Bahnen. Hier wären dann jeweils Nachweise über Impfung, Genesung oder negativen Test nötig. Für Pflegeheime und Kliniken sind Testpflichten für Beschäftigte und Besucher vorgesehen. Auf der anderen Seite aber sollen etwa Schul- oder Geschäftsschließungen künftig nicht mehr möglich sind.

Das hält die Union für riskant. Der neue «Instrumentenkasten» schränke die Möglichkeiten der Länder zu stark ein, kritisierte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU). Es könne nicht sein, dass die flächendeckendere Schließung der Gastronomie nicht mehr möglich sei. Außerdem dürfe die derzeitige Rechtsgrundlage für Corona-Auflagen, die «Epidemische Lage von nationaler Tragweite», nicht einfach auslaufen.

Dieser Ausnahmezustand gibt den Landesregierungen bisher die Möglichkeit, auf einfachem Verordnungsweg weitreichende Schritte zu ergreifen. Nach dem Willen der Ampel-Fraktionen sollen künftig die Landesparlamente über Beschränkungen im Freizeit-, Kultur- oder Sportbereich entscheiden. Stärkere Einschränkungen wie Ausgangsbeschränkungen, pauschale Geschäfts- oder Schulschließungen sowie Reiseverbote sollen aber ausgenommen sein.

Am Abend kündigte Wüst an, NRW werde der Reform trotz der Bedenken im Bundesrat zustimmen. Auch Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Schleswig-Holstein wollen Ja sagen. Mit ihren Stimmen sollte es für einen Beschluss reichen - wenn die SPD-geführten Länder wie erwartet abstimmen. Wüst verwies im ZDF-«heute journal» auf die vereinbarte Evaluierung der Maßnahmen - sie ermögliche unionsgeführten Ländern eine Zustimmung.

Sollte das Gesetz wider Erwarten doch im Bundesrat blockiert werden, könnte ein Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag noch einen Kompromiss suchen. Dabei drängt aber die Zeit: Bereits am 25. November läuft die bisherige rechtliche Grundlage für die Corona-Auflagen aus.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warb daher eindringlich um Zustimmung. «Die Dramatik ist erheblich. Wir befinden uns in einer Notsituation. In Krankenhäusern ganz besonders. Darauf müssen wir reagieren», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. «Dahinter müssen parteipolitische Unterschiede zurückstehen.»

Ungeachtet der Abstimmung im Bundesrat kommen vor allem auf Ungeimpfte noch andere Beschränkungen zu. Überall, wo eine bestimmte Anzahl an Corona-Patienten ins Krankenhaus eingewiesen wird, sollen sie künftig keinen Zutritt zu Freizeitveranstaltungen, Gastronomie und Hotels haben. In diesen Ländern soll 2G gelten, also Teilnahme nur für Geimpfte und Genesene - einige Bundesländer haben solche Regeln jetzt schon. Die Bundesländer baten den Bund zudem, in bestimmten Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen eine Impfpflicht für alle einzuführen, die Kontakt zu besonders gefährdeten Personen haben. Auch die Kontrollen der Impf- und Testnachweise sollen verschärft werden.

Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag) zum Thema Impfpflicht für Pflegekräfte und Angestellte in Pflegeheimen und weiteren Einrichtungen: «Das ist ein richtiger und notwendiger Schritt, der schnellstmöglich bundesrechtlich umgesetzt werden muss.»

Um die Ausbreitung des Virus in den Griff zu kriegen, legten Bund und Länder neue Grenzwerte für Beschränkungen fest. Ausschlaggebend ist künftig die Hospitalisierungsrate. Der Wert gibt an, wie viele Corona-Infizierte pro 100 000 Menschen in den vergangenen sieben Tagen ins Krankenhaus kamen. Liegt die Rate über drei, soll 2G gelten. Steigt sie auf mehr als sechs, müssen Geimpfte und Genesene in bestimmten Einrichtungen wie Diskotheken, Clubs und Bars zusätzlich einen Test vorlegen (2G plus). Davon wären nach Stand Donnerstag Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern betroffen.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, die Hospitalisierungsrate sei weder eine aktuelle Zahl, noch spiegele der Wert die tatsächliche Belastung der Krankenhäuser wider. Überfällig sei ein «Covid-19-Radar» für die Kliniken, der tagesaktuelle Parameter in den Blick nehme. Dazu gehörten Corona-Infizierte, Covid-19-Erkrankte, Corona-Verstorbene und die Auslastung aller Stationen.

Die der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag), ob die geplanten Maßnahmen reichten, um die Corona-Lage in den Griff zu bekommen, müsse sich zeigen. «Wichtig ist, dass wir bis zur vereinbarten Evaluation der Beschlüsse am 9. Dezember gezielt Daten und Erkenntnisse darüber erheben und sammeln, welche Maßnahmen wirken und wo nachgeschärft werden muss.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

In den Tarifverhandlungen der Brandenburger Hotels und Gaststätten haben sich die Parteien schnell auf einen Lohnzuwachs für die Beschäftigten geeinigt. Doch der Dehoga rechnet im kommenden Jahr mit zahlreichen Pleiten.

Auf den 184 Seiten des schwarz-roten Koalitionsvertrages bekennt sich die neue Landesregierung in Hessen zur Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Tourismus. Dies gebe den hessischen Betrieben wieder etwas mehr Zuversicht, kommentiert der Dehoga.

Sie liefern Essen und Lebensmittel, Pakete oder fahren Menschen durch die Stadt: Aber wann sind Mitarbeiter von Onlineplattformen noch selbstständig und wann Angestellte? Darüber gibt es oft Streit. Ein neues EU-Gesetz könnte Millionen betreffen und mehr Klarheit bringen.

Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampel-Koalition eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Vieles wird teurer werden, mancher Zuschuss des Staates gekürzt oder gestrichen. Die reduzierte Gastro-Mehrwertsteuer fand keine Erwähnung und dürfte damit Ende des Jahres Geschichte sein.

Die Spitzen der Ampel-Koalition streben offenbar eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge an. Die Luftverkehrswirtschaft zeigte sich wenig begeistert davon: Die staatlichen Standortkosten seien bereits jetzt die höchsten im europäischen Vergleich.

Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU sollen die Ursprungsländer eines Honigs nach dem Willen des Europaparlaments künftig auf dem Etikett nachlesen können. Für ein Verbot von irreführenden Aufschriften auf Fruchtsäften gab es hingegen keine Mehrheit.

Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn hält die Lokführergewerkschaft GDL ihre Streikdrohung aufrecht. «Ab dem 8. Januar sollte man mit längeren Arbeitskämpfen rechnen», sagte der Vorsitzende Claus Weselsky der «Augsburger Allgemeinen».

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Details sollen im Laufe des Tages bekanntgegeben werden, wie die dpa am Mittwochmorgen erfuhr

Die Mehrwertsteuererhöhung von sieben auf 19 Prozent auf Speisen wird gravierende Folgen für die Gastgeber haben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes: 62,7 Prozent der befragten Unternehmer geben an, dass sie die Steueranhebung auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 wirtschaftlich hart treffen wird. Neun von zehn Unternehmen planen Preissteigerungen.

Mobilität und Digitalisierung standen inhaltlich im Mittelpunkt des Parlamentarischen Abends der Tourismuswirtschaft: Die notwendigen Investitionen in die digitale und Verkehrsinfrastruktur müssten genauso wie in die Erforschung und Produktion von E-Fuels sichergestellt werden.