Bundesregierung will nach der Flut Pleitewelle verhindern

| Politik Politik

Die Bundesregierung will nach der Hochwasserkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands eine Pleitewelle von Unternehmen verhindern. Eigentlich gesunde Firmen, die unverschuldet in finanzielle Not geraten sind, sollen vorübergehend keinen Antrag auf Insolvenz stellen müssen. Das Kabinett brachte am Mittwoch ein entsprechendes Gesetz auf den Weg. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach von einem «ganz wichtigen Schritt». Der Bundestag muss noch zustimmen.

Unternehmen seien von einem Moment auf den anderen in eine große wirtschaftliche Not geraten, sagte Lambrecht in Berlin. «Betriebe, Fahrzeuge und Geräte wurden zerstört oder stark beschädigt.» Daran, das Geschäft oder den Betrieb weiterführen zu können, sei vielerorts überhaupt nicht zu denken, weil der Wiederaufbau Kraft und auch viel Geld koste.

Es seien zwar bereits umfangreiche finanzielle Hilfen auf den Weg gebracht worden, so Lambrecht. «Wir müssen aber verhindern, dass Unternehmen nur deshalb zum Insolvenzgericht gehen müssen, weil Unterstützungsleistungen wie die von uns beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen.»

Deswegen soll nun die Insolvenzantragspflicht für betroffene Unternehmen rückwirkend vom 10. Juli 2021 bis Ende Oktober 2021 ausgesetzt werden. Damit soll Firmen wichtige Zeit verschafft werden, um beispielsweise wirtschaftliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Die Regelung kann vom Justizministerium bis Ende März 2022 verlängert werden.

Voraussetzung für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist, dass die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von Unternehmen auf den Auswirkungen der Starkregenfälle und der Hochwasser im Juli 2021 beruht. Die Aussetzung soll laut Ministerium nur gelten, solange Firmen «ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen» führen und dadurch begründete Aussichten auf eine Sanierung bestehen.

Der Bundestag muss dem Gesetz zustimmen. Technisch gesehen beschloss das Kabinett eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen. Damit wird eine Sondersitzung des Bundestags während der Sommerpause immer wahrscheinlicher.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, hatte vor kurzem gesagt, dass es derzeit noch schwierig sei, eine genaue Summe zu Schäden von Firmen in den Katastrophengebieten zu nennen: «Was man sagen kann: Es sind Tausende von Unternehmen in allen Größenordnungen direkt oder indirekt durch Schäden an der Infrastruktur betroffen. Der Schaden geht insgesamt sicher in die Milliarden.»

Grundsätzlich gilt: Betriebe, die zahlungsunfähig sind, müssen innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen - Firmen, die überschuldet sind, spätestens nach sechs Wochen. Das soll dem Schutz von Vertragspartnern dienen, die sonst in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Auch in der Corona-Krise war die Insolvenzantragspflicht für belastete Firmen ausgesetzt worden, um Pleiten von eigentlich gesunden Betrieben zu verhindern.

Unterdessen teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit, es gebe weitere Unterstützungen für Landwirte. Die Flutkatastrophe habe auch in der Landwirtschaft und im Weinbau zu schwersten Schäden geführt -
um betroffene Betriebe zu unterstützen, habe die Landwirtschaftliche Rentenbank mit dem Ministerium ein neues Programm aufgelegt. Landwirte und Winzer können demnach zu einem Zinssatz von 0,01 Prozent auch Ersatzbeschaffungen von Maschinen und Geräten sowie Reparaturen und den Neuaufbau durch das Hochwasser beschädigter oder zerstörter Gebäude finanzieren.

Der Bund hatte nach der Hochwasserkatastrophe bereits beschlossen, sich in Millionenhöhe an Soforthilfen der Länder zu beteiligen. Außerdem beraten Bund und Länder über einen milliardenschweren Wiederaufbaufonds. Darüber wollen in der kommenden Woche die Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundesregierung beraten. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Haushalt für das laufende Jahr hat die Ampel-Koalition an ihre Grenzen gebracht. Jetzt ist das Budget im Bundestag endlich beschlossen. Die Opposition meint: Sparen sieht anders aus.

Ab dem 1. Februar erhöht die Stadt Wiesbaden die Kurtaxe auf den Rekordwert von fünf Euro erhöht. Auch Geschäftsreisende müssen zahlen. Nun schlagen Hoteliers und Gastronomen Alarm.

Der Hamburger Musikclub Molotow kann vorerst bis Ende 2024 an seinem aktuellen Standort weiterbetrieben werden. Eigentlich soll anstelle des Musikclubs ein Hotel entstehen. Mehr als tausend Menschen hatten Ende letzten Jahres gegen die Pläne demonstriert.

Was bislang schon für unverpacktes Rindfleisch sowie verpacktes Fleisch aller Tierarten galt, ist jetzt auch generell für unverpacktes Fleisch vorgeschrieben. Noch gilt die Regelung nicht für die Gastronomie. Der DEHOGA setzt auf freiwillige Lösungen.

In rund 80 Städten kommen am Freitag erhebliche Einschränkungen auf Fahrgäste zu: Busse, U- und Straßenbahnen sollen an dem Tag dort meist ganztägig im Depot bleiben. Die Gewerkschaft Verdi erhöht den Druck im Tarifstreit. Nur Bayern ist nicht betroffen.

Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium unterstützt Restaurants, Campingplätze und Hotels beim Ausbau oder der Erweiterung ihres touristischen Angebots. Rund acht Millionen Euro stehen im Haushaltsjahr 2024 bereit. Derr Dehoga freut sich über diese Entwicklung.

Die Bundesregierung diskutiert erneut die Einführung einer Tierwohlabgabe. Ein sogenannter „Tierwohlcent“ löse nicht die Probleme, sagt jetzt der DEHOGA Bundesverband. Originäre Aufgabe der Politik wäre es jetzt, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand zu verbessern.

Seit Jahresbeginn wird für Speisen in Gaststätten wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben. Alle Bestrebungen des Tourismuslandes MV, dauerhaft 7 Prozent festzuschreiben, waren erfolglos. Doch die rot-rote Koalition gibt nicht auf.

Mit einem in diesem Jahr mit bis zu rund acht Millionen ausgestatteten Programm will die rheinland-pfälzische Landesregierung Betreibern von Restaurants, Hotels und Campingplätzen unter die Arme greifen. Es solle beim Ausbau touristischer Angebote unterstützen, teilte das Wirtschaftsministerium mit.

 

Mecklenburg-Vorpommern hält an seiner Forderung fest, den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie dauerhaft von 19 auf 7 Prozent zu senken. Bei einer Debatte im Landtag kam es zuvor zu gegenseitigen Schuldzuweisungen.