DEHOGA, BTW & Co.: Wie die Branchenverbände den Koalitionsvertrag beurteilen

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Der DEHOGA, der BTW und der Tourismusverband haben den knapp 180 Seiten starken Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien analysiert neben begrüßenswerten Passagen finden die Lobbyisten auch kritikwürdige Passagen. Zentrale Forderung: Die Branche dürfe nun nicht im Stich gelassen werden.

Gerade jetzt bedarf es einer handlungsfähigen Bundesregierung. „Es ist zu begrüßen, dass die Ampelkoalitionäre ihren ambitionierten Zeitplan eingehalten und am Mittwoch ihr Arbeitsprogramm präsentiert haben. Die Hürden bei der notwendigen Kompromissfindung waren zweifelsohne hoch und so verwundert es nicht, dass zu vielen Themen und Projekten noch offene Fragen bestehen“, erklärt Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband), zur Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP. „Die formulierten Ziele zur Tourismuspolitik, zur Digitalisierung, zum Bürokratieabbau sowie zur Ausbildung und Fachkräftesicherung sind grundsätzlich zu begrüßen. Am Ende kommt es auf die konkrete Umsetzung an. Erst dann wissen wir, mit welchen Auflagen, Kosten und Konsequenzen die Maßnahmen für unsere Unternehmer verbunden sind.“

Auf große Zustimmung des DEHOGA stoßen die geplanten Erleichterungen bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte für die deutsche Tourismusbranche durch den Abbau von Hürden. Dies betrifft insbesondere die verbesserte Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland sowie Verfahrensbeschleunigungen.

Konkrete verlässliche Vereinbarungen zur Deckelung der Sozialabgaben und beim Thema Steuern vermisst Zöllick hingegen. „Das Fehlen einer klaren Absage an neue Steuern und Steuererhöhungen stimmt uns skeptisch“, so Zöllick. Im Sondierungspapier wurden diese noch explizit ausgeschlossen. Keine Erwähnung findet das zentrale Branchenanliegen zur Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Speisen mit Einbezug der Getränke. „Dies ist aber für die Zukunftssicherung der Branche und Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung“, betont Zöllick.

Wie bereits bekannt, kommt der Mindestlohn von zwölf Euro. Ab wann dieser jedoch im ersten Regierungsjahr eingeführt wird, steht noch nicht fest. Diese staatliche Heraufsetzung des Mindestlohns bedeutet für die Mehrzahl der Betriebe eine Personalkostensteigerung von 15 bis 25 Prozent, so das Ergebnis einer jüngst durchgeführten Umfrage des DEHOGA.
Enttäuschend, aber wenig überraschend sind für den DEHOGA die Aussagen im Koalitionsvertrag zu Minijobs und flexiblen Arbeitszeiten. „Aufgrund der bekannten Positionen der Parteien stellen die Beibehaltung der Minijobs und die Heraufsetzung der Verdienstgrenze auf 520 Euro einen Kompromiss dar, der deutlich hinter den Branchenbedürfnissen zurückbleibt.“
Auch bei der Arbeitszeitflexibilisierung hätte sich der DEHOGA mehr Mut gewünscht als die Experimentierräume, die bereits Inhalt des letzten Koalitionsvertrages waren und von der Branche nicht genutzt werden konnten.

Als „logisch und konsequent“ bezeichnet Zöllick die Ankündigung, die EEG-Umlage beim Strompreis abzuschaffen. Das sei insbesondere mit Blick auf die Klimavorhaben wichtig. „Denn was das Klimaschutzprogramm der Wirtschaft an neuen Belastungen und Auflagen bringt, ist noch völlig offen.“ Dabei betont Zöllick die große Bedeutung aller Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes insbesondere auch für seine Branche. „Keine Frage, der Tourismus ist wie keine zweite Branche auf eine intakte Umwelt angewiesen. Wir werden uns in diesen Prozess weiter engagiert einbringen.“ Dabei trage der DEHOGA auch die Ziele zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung mit und wird hierbei die Branche weiter unterstützen.
Lob vom DEHOGA gibt es für den angekündigten Corona-Krisenstab. „Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung eines Krisenstabes der Bundesregierung, um eine bessere Koordinierung der Corona-Maßnahmen zu gewährleisten. Für eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung ist dies auch dringend geboten.“.

Die Branche darf jetzt nicht im Stich gelassen werden

Im Lichte dieser besorgniserregenden Entwicklung appelliert der DEHOGA, die Corona-Regeln zur Kurzarbeit bis 31. März fortzusetzen. Dazu zählten die Fortgeltung der erhöhten Leistungssätze bei längerer Kurzarbeit sowie die hundertprozentige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. In diesem Zusammenhang sei es gut, dass bereits am Mittwoch die Fortsetzung der Corona-Hilfen für das erste Quartal 2022 verkündet wurde. Eine bloße Verlängerung reiche laut Zöllick indes nicht aus. „Es besteht Nachbesserungsbedarf abhängig vom Grad der Betroffenheit der Branche durch die eingriffsintensiven Corona-Maßnahmen der Bundesländer. Die Branche darf jetzt nicht im Stich gelassen werden.“

Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft: ‚Mehr Fortschritt wagen‘ muss auch tourismuspolitisch gelten
 
Berlin, 25. November 2021 – „Wir bauen darauf, dass das Motto der Ampelkoalitionäre ‚Mehr Fortschritt wagen‘ auch für die vielen tourismuspolitischen Bausteine im Zuge der anstehenden gesellschaftlichen Transformationen gilt.“ Mit diesen Worten kommentiert der Generalsekretär des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) Michael Rabe den gestern vorgelegten Koalitionsvertrag. 
 
„Aus Sicht der Tourismusbranche bleiben viele Themen eher vage. Die Inhalte des Koalitionsvertrags spiegeln allerdings deutlich die Herausforderung wider, ein Land binnen einer Generation in die Klimaneutralität zu führen. Auch der Wunsch nach digitaler Transformation und Veränderungen der Arbeitswelt u.a. im Zuge des demographischen Wandels zeigen sich deutlich. Die Ansprüche, die an die Wirtschaft gestellt werden sind entsprechend hoch; die Herausforderungen für die Unternehmen der Tourismuswirtschaft werden nicht kleiner. Das gilt von den Klimaschutzmaßnahmen bis hin zum steigenden Mindestlohn.
 
Der Anspruch der Tourismuswirtschaft im Gegenzug ist, dass insbesondere die Klima- Transformation mit ausreichenden Investitionen begleitet wird. Nur so wird sie tatsächlich auch zu Fortschritt und nicht zu wirtschaftlichem und touristischem Stillstand führen. Die Energie- und Klimatransformation und die damit verbundenen Kosten stellen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen der Tourismusbranche in einer noch immer massiv coronageprägten Zeit vor doppelte Herausforderungen. Hier gilt es Anreize für Investitionen und Innovationen zu schaffen. Wir brauchen Förderinstrumente, die zeitnahe Modernisierungen attraktiv machen und so den Fortschritt dynamisieren. Ein permanenter Dialog mit der Tourismuswirtschaft wäre wünschenswert.
 
Positiv bewerten wir, dass Klimaschutz und Wirtschaftspolitik künftig in einem Ministerium zusammengefasst werden. Denn wir verknüpfen damit die Hoffnung, dass Klimaschutzmaßnahmen auch mit wirtschaftspolitischer Expertise aus dem eigenen Haus flankiert werden. Wir bauen darauf, dass hier nicht Interessengegensätze in den Mittelpunkt des Handelns gestellt werden, sondern ein integraler Ansatz verfolgt wird, der sowohl Klima als auch Wirtschaft nutzt.
 
Begrüßungswert ist aus Sicht der Tourismuswirtschaft auch die angekündigte stärkere Koordinierung der Tourismuspolitik. Diese muss allerdings dringend die Tourismuswirtschaft in ihrer ganzen heterogenen Vielfalt und nicht nur den inländischen Tourismus im Blick haben. Besonders wünschenswert wäre hierbei, dass künftig insbesondere die tourismuspolitische Arbeit aller mit Tourismusthemen befassten Ministerien – von Verkehr über Wirtschaft und Finanzen bis hin zu Verbraucherschutz und Umwelt – stärker koordiniert wird.“

Deutschen Tourismusverbandes: Deutliche Aufwertung des Deutschlandtourismus im Koalitionsvertrag

Zum heute vorgestellten Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP erklärt der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes, Norbert Kunz: 

„Die künftige Bundesregierung nimmt sich im Koalitionsvertrag zentraler Anliegen des Deutschlandtourismus und des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) an. Sie erkennt die Bedeutung des inländischen Tourismus als wichtigen Wirtschaftsfaktor an. Wir sehen ein ambitioniertes Programm, mit dem die großen Herausforderungen im Tourismus entschlossen angegangen werden sollen.

Eine große Aufgabe für die Koalition wird die Unterstützung der Branche bei der Beseitigung der Folgen der Corona-Pandemie sein. Das Modernisierungsprogramm „Zukunft Tourismus“ wird dazu beitragen, Gründungen im Tourismus zu unterstützen. Mit der Ankündigung, die Infrastruktur im Wander-, Rad- und Wassertourismus nachhaltig auszubauen, greift die Koalition ein wichtiges Anliegen des DTV auf. Besonders begrüßen wir, dass die künftige Bundesregierung die Koordinierung des Tourismus innerhalb der Bundesregierung verbessern will, denn Tourismus ist Aufgabe der gesamten Bundesregierung und nicht nur eines Ressorts. Richtig ist darüber hinaus, die Arbeiten an der Nationalen Tourismusstrategie fortzusetzen, um einen strategischen Rahmen für das Jahrzehnt zu setzen und konkrete Maßnahmen abzustimmen. Für den dauerhaften Dialog mit der Branche ist die Zusage der Koalitionspartner, eine „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ einzurichten, eine sehr wichtige strategische Weichenstellung.

Das Arbeitsprogramm, das sich die künftige Bundesregierung mit dem Koalitionsvertrag aufgibt, ist aus Sicht des Deutschlandtourismus ein deutlicher Fortschritt. Der Tourismus ist ein wesentlicher Faktor für Wohlstand, gute Infrastruktur und gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land.“

Dehoga Mecklenburg-Vorpommern: Es kommen düstere Monate auf die Gastronomen zu

Der Landesverband des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga sieht wegen der Corona-Lage düstere Monate auf die Branche zukommen. «Das wird für uns ein ganz ganz bitteres Weihnachtsfest werden», sagte Präsident Lars Schwarz am Donnerstag. Einer der Hauptgründe sei, dass die Testinfrastruktur im Land nicht ausreiche, um die in vielen Landesteilen bereits geltende 2G plus-Regel für die Gastronomie ohne Kundenschwund umzusetzen. Schwarz zufolge fehlen ortsnahe Testmöglichkeiten wie auch am Abend, Wochenende und an Feiertagen.

Wegen der Pandemie-Lage in Mecklenburg-Vorpommern hatte die Landesregierung die Hygieneregeln verschärft. Seit Donnerstag müssen auch Geimpfte und Genesene in weiten Teilen des Lands einen aktuellen Corona-Test vorweisen, wenn Sie Zugang zu Innenräumen von Restaurants erhalten wollen.
Aus Sicht des Dehoga-Präsidenten komme das vor dem Hintergrund der aktuellen Möglichkeiten für einen Corona-Test einem faktischen Lockdown gleich. Viele Betriebe müssten nun wieder entscheiden, ob sie weniger Geld verlieren, wenn sie gar nicht öffnen oder Speisen nur zum Mitnehmen anbieten. Ab heute werde es in der Gastronomie im Nordosten sehr einsam und düster.
Die Lage sei laut Schwarz auch deshalb besonders bitter, da die Gastronomen die Politik frühzeitig gewarnt hätten. Er rechne mit einer weiteren Verschlechterung der Corona-Lage. Für die Zukunft sei eine Aufstockung der Wirtschaftshilfen daher entscheidend. Von der Politik erwarte er schon jetzt klare Ansagen. (Mit dpa)


 

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